Die Generalversammlung der UBS hat Kaspar Villiger in den Verwaltungsrat gewählt. finews.ch veröffentlicht die Rede des designierten Präsidenten.

Zuerst wurden David Sidwell (894 Millionen gegen 21 Millionen Aktienstimmen), Peter Voser (899 Millionen gegen 27 Millionen Aktienstimmen), Sally Bott (895 Millionen gegen 17 Millionen Aktienstimmen), Rainer-Marc Frey (879 Millionen gegen 30 Millionen Aktienstimmen), William Parrett (898 Millionen gegen 17 Millionen Aktienstimmen) und Bruno Gehrig (896 gegen 19 Millionen Aktienstimmen) für ein weiteres Amtsjahr bestätigt. Ein Kleinaktionär hatte gegen Gehrigs Wahl geredet, mit Hinweis auf die Misserfolge bei Swiss Life.

Neu gewählt wurde als erster Kaspar Villiger. Er erhielt 897 Millionen Stimmen, 12 Millionen stimmten gegen ihn. Michel Demaré, der Finanzchef von ABB, wurde mit 899 zu 7 Millionen Stimmen gewählt. Anne F. Godbehere erhielt 890 zu 9 Millionen Stimmen, Axel P. Lehmann bekam 893 zu 6 Millionen Stimmen.


Anbei die Rede, die Kaspar Villiger im Anschluss an die Wahl hielt:

Geschätzte Aktionärinnen und Aktionäre

Sie haben soeben den Verwaltungsrat Ihrer Firma gewählt und stark erneuert. Sie bringen uns damit Vertrauen entgegen. Dafür möchte ich Ihnen im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen, aber auch persönlich danken. Wir werden alles daran setzen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Ich danke aber auch den eben gewählten Personen dafür, dass sie sich zur Verfügung stellen.

Das braucht in einer solchen Zeit der Krise und in einem Unternehmen mit so vielen Herausforderungen Mut und Einsatzbereitschaft. Ich darf hier auch den Dank an Oswald Grübel aussprechen für seine Bereitschaft, in dieser schwierigen Zeit das Steuer der UBS zu übernehmen. Es gibt in solchen Zeiten viele, die lautstarke Kritik an allem und 
jedem üben. Sie sind des Applauses in der Öffentlichkeit sicher. Es gibt aber nur wenige, die sich trotz des Gewichts der Probleme für deren Lösung zur Verfügung stellen und damit Risiken eingehen. Oswald Grübel ist einer von ihnen. 

Mein Dank gebührt aber auch den ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen. Sie haben gerade im vergangenen Jahr unter der Führung von Peter Kurer ein enormes Arbeitspensum bewältigt und einen eindrücklichen Transformationsprozess eingeleitet. Peter Kurer hat das Präsidium unter schwierigen Umständen und aus Pflichtbewusstsein vor einem Jahr übernommen, und er hat für die Zukunft wichtige Meilensteine gesetzt. Danke, Peter!

In einer grossen Firma wie der UBS muss der Verwaltungsrat die Geschäftsführung delegieren. Gerade bei Banken verlangt das Gesetz eine klare Trennung der operativen Führung von der Oberleitung. Deshalb wollen wir die Rollen von Verwaltungsrat und Konzernleitung klar auseinanderhalten. Der CEO wird die Bank mit starker Hand führen.

Der Verwaltungsrat hingegen wird in Zusammenarbeit mit dem Konzernchef die strategischen Ziele festlegen, die Werte und Standards der UBS bestimmen und die Vergütungspolitik mitgestalten und genehmigen. Daneben wird er selbstverständlich seine wichtigen Überwachungs- und Kontrollfunktionen wahrnehmen. 

Im Verwaltungsrat ist sehr viel Erfahrung und breites Fachwissen vorhanden. Ich werde dieses Fachwissen als Präsident aktiv nutzen und meine Kolleginnen und Kollegen entsprechend fordern. Der Verwaltungsrat muss und wird ein kritischer, aber konstruktiver und kompetenter Diskussionspartner der Konzernleitung sein.

Die Aufgabe 

Die enormen Verwerfungen auf den Finanzmärkten und als Folge davon der Absturz der 
Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession waren in dieser Dramatik nicht erwartet worden. Im Grunde handelt es sich um eine gigantische Vertrauenskrise, von der nicht nur die 
Finanzmärkte oder die Banken und deren Manager, sondern auch weitere Akteure wie 
Rating-Agenturen oder Aufsichtsorgane betroffen sind.

Die Vertrauenskrise, in welcher sich unsere Bank befindet, hat aber - wie wir alle wissen - auch hausgemachte Gründe. Ich habe in den letzten vier Wochen zahllose Gespräche mit neuen und ehemaligen Verwaltungsräten, mit aktiven und ehemaligen Managern der Bank, mit Vertretern der Behörden und mit weiteren Kennern des Finanzplatzes geführt, und ich habe viele Berichte und Publikationen studiert. Ich wollte mir schon vor Amtsantritt ein eigenes Bild von der Situation machen. Ich kann der nüchternen und ehrlichen Situationsanalyse, die Sie eben von Oswald Grübel gehört haben, nur zustimmen. Auch ich sehe deshalb in der Wiedergewinnung des verlorenen Vertrauens unsere wichtigste Aufgabe. Das braucht viel Arbeit und Beharrlichkeit. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sind bereit, diese verantwortungsvolle Aufgabe anzupacken.

Es ist unser Ehrgeiz, der Marke UBS ihren alten Glanz wieder zu verleihen, und zwar durch Leistung, Korrektheit, Redlichkeit und die Schaffung von Werten für alle Anspruchsgruppen, angefangen bei den Kunden und den Ländern, in denen wir tätig sind, bis hin zu den Aktionären, Gläubigern, Steuerzahlern, Behörden und Mitarbeitern. Dass der Kunde und nicht der Bonus im Zentrum steht, muss uns allen wieder in Fleisch und Blut übergehen. Die Voraussetzung von alledem ist selbstverständlich die Wiedererlangung einer zureichenden Ertrags- und Kapitalkraft. Wir wollen auch darauf hinarbeiten, die Steuerzahler wieder aus der Haftung zu entlassen.

Das Offshore-Banking 

Der konzertierte Druck vieler Regierungen auf die Schweiz erzeugt den Eindruck, Offshore-Banking, also die Verwaltung ausländischer Vermögen in der Schweiz, sei etwas Verwerfliches. Das ist nicht so. Ich gehe davon aus, dass das Bedürfnis dafür in Zukunft eher noch steigen wird. Aber die Steuervermeidung wird als treibende Kraft an Bedeutung weiter verlieren. Viele Anleger wollen sich gegen politische oder finanzielle Instabilität in ihren Ländern schützen, und sie haben ein Recht auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Zudem suchen sie professionelle Qualität im Bankenservice. Diese Bedürfnisse sind legitim und haben mit Steuervermeidung nichts zu tun. Deshalb wird sich das Geschäft weiter verändern, aber es wird nicht aussterben. 

Es ist legitim, den Anlegern mit dem Bankgeheimnis den Schutz ihrer Privatsphäre ganz allgemein zu garantieren. Der gläserne Bürger ist in unserer durchinformatisierten Welt unter keinem Titel vertretbar. Natürlich darf das Bankgeheimnis Verbrechern und Betrügern keinen Schutz bieten. Das tut es längst nicht mehr, denn es wurde in den letzten Jahren Schritt für Schritt modifiziert. Ich behaupte, dass die Schweiz heute einer der saubersten Finanzplätze überhaupt ist. 

Es ist aber ebenso legitim, wenn andere Länder die Steuervermeidung bekämpfen wollen. Wenn der Bundesrat deshalb die Auskunftspflicht beim Vorliegen konkreter Verdachtsmomente erweitern will, haben wir das nicht zu kritisieren. Der automatische Informationsaustausch hingegen ist ein Schritt zum gläsernen Bürger, ist der Ausdruck des Misstrauens des Staates dem eigenen Bürger gegenüber. Solches Misstrauen aber fördert die Loyalität zum eigenen Staat nicht, sondern er strapaziert sie. Gleichzeitig ist der automatische Informationsaustausch auch nicht effizient. Er weist eine entscheidende technische Schwäche auf: Weil er nur nach dem sogenannten Zahlstellenprinzip funktioniert, kann der nicht steuerehrliche Anleger dem automatischen
Informationsaustausch problemlos ausweichen. Er muss nur die Zahlstelle ausserhalb des Systems verschieben. Der Fiskus des Wohnsitzes geht leer aus, und die Region mit dem Informationsaustausch verliert Kapital. Gegen ein solches System muss ich mich auch als Bürger wenden. 

Allein die Kombination eines Informationsaustausches im Einzelfall und auf Anfrage bei konkretem Verdacht auf Hinterziehung oder Betrug bei Erwerbseinkommen mit einer klug konzipierten Verrechnungssteuer bei Kapitaleinkünften vermöchte beide Ziele effizient zu erreichen: die Sicherung der Steuererträge in den Wohnsitzländern und die Vermeidung des gläsernen Bürgers. Der automatische Informationsaustausch würde nach meiner Einschätzung dazu führen, dass weder der Quellen- noch der Wohnsitzstaat Steuereinnahmen erzielen würden, die ihren Erwartungen entsprechen. 

Das «Klumpenrisiko» 

Wegen der enormen Bedeutung der beiden Grossbanken für die Funktionsfähigkeit nicht nur unseres Finanzplatzes, sondern auch unseres Werkplatzes, hat der Bund die UBS gestützt. Dieser Entscheid war vielleicht unerfreulich, aber richtig. Damit profitierte die UBS von einer faktischen Staatsgarantie, und deshalb geriet die UBS in den Strudel der Tagespolitik. Gestatten Sie mir dazu fünf Überlegungen: 

1. Viele befürchten, die faktische Staatsgarantie könnte die Bank zu leichtfertigem Verhalten verleiten. Ich darf Sie beruhigen. Wir betrachten die Staatshilfe als schmerzliche Niederlage, aus der wir mit aller Kraft die richtigen Lehren ziehen wollen. 

2. Nachdem öffentliche Gelder zur Stützung der UBS aufgewendet werden mussten, ist es richtig und legitim, dass sich die Politik mit uns befasst. Das haben wir zu akzeptieren.

Ich verstehe auch, dass im Volk eine gewisse Verbitterung entstand. Muss der Steuerzahler letztlich für die Boni der Spitzenverdiener aufkommen? Muss jetzt nicht die Politik befehlen, wie die Bank strukturiert sein sollte und wie hoch die Löhne sein dürfen? 

Wir befinden und uns in einem schwierigen Zielkonflikt. Die Steuerzahler haben ein Recht darauf, dass mit ihrem Geld haushälterisch umgegangen wird. Aber die Bank muss in einem marktwirtschaftlichen Umfeld konkurrenzfähig bleiben, wenn der Steuerzahler sein Geld zurück will. Auch wenn der Bund seine Pflichtwandelanleihe in Aktien umtauschen würde, hätte die Bank noch über 90% andere Aktionäre, von privaten Anlegern bis zu grossen Investoren und Pensionskassen, denen gegenüber der Verwaltungsrat ebenso verantwortlich ist. Sollten die Märkte den Eindruck bekommen, die Politik beeinträchtige durch unüberlegte Eingriffe die Konkurrenzfähigkeit der Bank, so könnte dies die Bank in grösste und bedrohliche Schwierigkeiten bringen. Deshalb ist die Angelegenheit zu ernst, als dass sie sich für parteipolitische Profilierung eignen würde.

Ich verdeutliche diesen Zielkonflikt am Beispiel der Vergütungspolitik. Übertriebene Vergütungen haben auch mich geärgert. Das muss sich normalisieren. Die Anreizstrukturen müssen so beschaffen sein, dass nicht das leichtfertige Eingehen zu grosser 
Risiken, sondern nachhaltige Wertschöpfung belohnt wird. Hier sind die Forderungen der Politik berechtigt. Umgekehrt bewegt sich die Bank im realen Umfeld. Wenn sie die grossen Probleme lösen will, braucht sie gerade in der Krise die besten Leute. Wenn die Steuerzahler ihr Geld zurückwollen oder gar eine Rendite auf ihrer Investition anstreben, ist die Qualität der Kader wichtiger als das möglichst tiefe Niveau der Löhne.

Die UBS hat als meines Wissens weltweit einzige Grossbank ihre Salärstruktur für die obersten Kader unter wissenschaftlicher Begleitung im Sinne nachhaltiger Anreize überarbeitet. Das Lohnniveau ist stärker gesunken als bei der Konkurrenz. Dazu stehen wir, und ich werde darauf auch künftig ein Augenmerk haben. Aber die Zeichen mehren sich, dass dies unsere Konkurrenzfähigkeit für Topleute zu beeinträchtigen beginnt. Das sollten jene bedenken, die die Bank zwingen wollen, noch viel weiter zu gehen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns bemühen werden, in diesem Spannungsfeld einen gangbaren und politisch vertretbaren Weg zu finden. 

4. Die UBS wird ein Geschäftsmodell entwickeln müssen, das nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht. Dazu wird sie sich optimal strukturieren müssen. Es ist selbstverständlich, dass sie dazu alle Ideen prüft, die in der öffentlichen Diskussion auftauchen. Aber auch hier sollte die Politik der Versuchung widerstehen, der UBS ein Kleid aufzwingen zu wollen, das ihre Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt. Auch das könnte niemals im Interesse der Steuerzahler und des Landes liegen. 

Die Frage, ob die kleine Schweiz sich wegen der damit verbundenen Risiken zwei so grosse Banken leisten darf, ist eine wichtige Frage. Es ist die Frage nach dem sogenannten Klumpenrisiko. Sollen wir die Grossbanken politisch sozusagen parzellieren und ihre internationale Tätigkeit einschränken unter Inkaufnahme einer signifikanten Schwächung einer unserer Wohlstandsquellen, des Finanzplatzes? Oder sollen wir, wenn die Krise hoffentlich eines Tages überstanden sein wird, wieder in den alten Trott zurückfallen?

Die Schweizer Wirtschaft ist global ausgerichtet. Wir brauchen Banken, welche dieser Wirtschaft auch globale Dienstleistungen zur Verfügung stellen können. Auch die Eigentümer grosser bei uns verwalteter Vermögen verlangen solche Dienstleistungen, sonst wechseln sie die Bank. Die Grossbanken können also nicht einfach Dienstleistungsbereiche beliebig amputieren.

Trotzdem wird sich das Problem entschärfen. Der ganze Finanzsektor wird generell schrumpfen (und damit auch viele der dort tätigen Institute). Wichtig ist auch, dass in der Schweiz beide Grossbanken überleben, damit Konkurrenz herrscht und keine übermächtig wird. Und zu Recht verschärfte Kapitalvorschriften werden die Banken widerstandsfähiger machen und auch im Aufschwung die Expansion bremsen. Im Moment aber kann es nur darum gehen, die Krise zu überwinden, und nicht darum, die Märkte durch immer neue interventionistische Ideen zu verunsichern. Oswald Grübel hat es gesagt: Die Bank braucht jetzt Ruhe. 

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 

Gestatten Sie mir zum Schluss ein Wort zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern! Die weitaus meisten von Ihnen leisten seit Jahren ehrliche, solide und gute Arbeit. Sie haben gewiss wie alle in der Branche nicht schlecht verdient, aber sie waren keine Abzocker. Jetzt sind sie verunsichert. Sie werden beschimpft und getrauen sich oft nicht zu bekennen, wo sie arbeiten. Sie wissen, dass die Kosten drastisch gesenkt werden müssen und dass sie davon betroffen sein können. Trotzdem verlangen wir vollen Einsatz und volle Motivation.

Denn nur so können wir die Schwierigkeiten überwinden und wieder auf Kurs kommen. Es sind eben diese Menschen mit ihrem Engagement, ihrem Können und ihrer Professionalität, die unser wertvollstes Kapital bilden. Wir müssen dazu Sorge tragen. Ich appelliere an Sie alle, allfälligen und vielleicht auch begreiflichen Unmut nicht an unseren Angestellten, die ihr Bestes geben, abzureagieren. Und an unsere Leute appelliere ich, den Mut nicht zu verlieren. Nur zusammen können wir es schaffen. 

Schluss 

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre, zum Schluss möchte ich Ihnen für Ihre Treue danken. Sie alle haben nach guten Jahren des Wachstums unerwartet mit der UBS Aktie Geld verloren. Wir sind uns dessen schmerzlich bewusst. Wir wissen auch, dass wir eine Verantwortung Land und Volk gegenüber haben. Wir wissen nicht, was die Krise noch alles bringen wird. Aber dort, wo wir Einfluss nehmen können, werden wir mit neuem Elan unser Bestes geben! Ich danke Ihnen.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.69%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.24%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.43%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.43%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.21%
pixel