Alle Banken brauchen noch mehr Eigenkapital, sagt Christine Hirszowicz. Die Branchen-Kennerin sieht die Privatbanken als Gewinner der Strukturbereinigung.  

christineFrau Hirszowicz, obschon sich die Bankenstruktur in der Schweiz in den letzten Jahren bereits markant verändert hat, fragt man sich: Ist die Schweiz nach wie vor «overbanked» und somit eine weitere Redimensionierung unseres Bankenplatzes unabwendbar? Soeben hat ja die UBS — nicht ganz überraschend — einen massiven Stellenabbau angekündigt.

Die Schweiz ist nicht «overbanked». Aber es sind signifikante Veränderungen im Gange in der geschäftspolitischen Orientierung, insbesondere bei den zwei Grossbanken, wie die aktuellen Ereignisse beweisen. So wird das Investmentbanking auf die Bedürfnisse der Kunden – private und institutionelle – ausgerichtet und der stark risikobehaftete Eigenhandel eingestellt.


«Jagd mit hohen Risiken einstellen»


Was muss eine Bank tun, um zu den Gewinnern der jüngsten Strukturbereinigung zu gehören?

Die Banken müssen die Jagd nach hohen  Erträgen unter Inkaufnahme hoher Risiken einstellen. Eindeutig zu den Gewinnern gehören die Privatbankiers. Weil ihre Eigentümer mit ihrem Privatvermögen haften, wissen sie, was eine ausgewogene Ertrags-/Risikopolitik ist.

Die Postfinance verzeichnet einen ungebrochenen Zustrom an Kundengeldern – auch dank Staatsgarantie. Müsste diese Staatsgarantie bei einem Börsengang fallen, damit die Postfinance gleich lange Spiesse hätte wie die meisten Konkurrenten?

Neben der Postfinance haben die meisten Kantonalbanken eine Staatsgarantie. Eine Abschaffung dürfte im Fall der Postfinance in nächster Zeit nicht zur Diskussion stehen.


«OECD-Beschluss könnte schwerer wiegen»


Welchen Einfluss auf die Schweizer Bankbranche hätte ein automatischer Informationsaustausch, falls die Abgeltungssteuer nicht kommt?

Die Schweizer Banken haben mit ihrer neuen Politik der Steuerkonformität eine drastische Wende genommen. Der potentielle automatische Informationsaustausch könnte für die Banken weniger schwerwiegend sein als der Beschluss der OECD, wonach «schwere Steuerdelikte» unter die Vortaten zur Geldwäscherei fallen sollen. Die damit verbundene Revision des Steuerstrafrechts, der Geldwäscherei-Verordnung der Finma, der Sorgfaltspflichtvereinbarung der Bankiervereinigung etcetera wird für alle Banken in den kommenden Jahren komplexe Anpassungsmassnahmen in der Compliance, in der Kontrolle und Aufsicht erfordern.

Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass das Bankkundengeheimnis auch in der Schweiz fällt, und was wären die Konsequenzen?

Die Strategie der Steuerkonformität wird dafür sorgen, dass das Bankkundengeheimnis nicht dazu missbraucht wird, unversteuerte Gelder zu verwalten. Hingegen bietet das Bankgeheimnis nach wie vor einen sicheren Schutz der Privatsphäre des Bankkunden bei politischen, religiösen und privaten Konflikten.


«Eigenkapital zu Bilanzsumme bei Grossbanken 20 bis 30 Prozent»


Damit das Thema «Too Big To Fail» vom Tisch ist, müsste entweder die Frage nach einer Abtrennung respektive Verselbständigung des Investmentbanking oder aber die Frage der «richtigen» Eigenkapitalhöhe beantwortet werden. Was ist aus volkswirtschaftlicher Sicht die bessere, sinnvollere Lösung?

Mehr Eigenkapital ist bei allen Banken, aber insbesondere bei den Grossbanken, notwendig, um eine erneute Gefahr des «Too Big To Fail» abzuwenden. Das Verhältnis Eigenkapital zu Bilanzsumme, also die Verschuldungsquote oder Leverage Ratio, müsste bei den Grossbanken 20 bis 30 Prozent betragen, und nicht 5 Prozent, wie dies gegenwärtig noch der Fall ist.


«Banker-Boni müssten die Form von Anleihen haben»


Muss sich das hohe Einkommensniveau in der Bankindustrie in Zukunft nach unten bewegen?

Banker-Boni müssten die Form von Anleihen haben, die notfalls in Verlust tragendes Eigenkapital umgewandelt werden können. Man bezeichnet das als Bail-in. Das mindert den Anreiz für zu hohe Risikonahme.

Ihre Prognose: Welchen Stellenwert in der Schweizer Volkswirtschaft, beispielsweise bezogen auf die Beschäftigung und die Steuerleistung, wird die Bank- respektive die Finanzbranche in fünf bis zehn Jahren einnehmen?

Die Finanzbranche wird nach der Strukturbereinigung auch in fünf bis zehn Jahren in der Schweiz eine hohe Bedeutung haben, vorausgesetzt, die Führungspersonen – ich spreche von der Oberleitung und der Geschäftsleitung – , die Grossaktionäre, die Politiker und die Regulierungsbehörden erkennen ihre Eigenverantwortung und nehmen sie in vollem Umfang wahr.


Chr.Hirszowicz_4Christine Hirszowicz ist emeritierte Professorin für Bankbetriebswirtschaftslehre am Institut für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich. 

Sie war Mitglied des Schweizerischen Bankeninstituts, ehemals Direktorin der Swiss Banking School, Zürich, und sie ist Vorstandsmitglied des Europainstituts der Universität Zürich.

Hirszowicz ist Autorin verschiedener Fachbeiträge, darunter zum Thema «Steueramnestie und Bankkundengeheimnis» (publiziert in Schweizer Treuhänder) sowie «Zur Anwendung ethischer Grundsätze bei Banken» (Vortrag zur Emeritierung).   

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.31%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.86%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.42%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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