Ein System, das die Schweiz 2003 eingeführt habe, erlebe nun als Exportschlager einen zweiten Frühling, stellt Raphael Vannoni von der Schweizerischen Bankiervereinigung fest.

Raphael_Vannoni_119x178Raphael Vannoni ist Leiter Economic Analysis bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Der Gegensatz von regelbasierter und prinzipienbasierter Regulierung findet sich auch bei der Fiskalpolitik. Ein spannendes Referat von Fritz Zurbrügg zeigt das sehr schön auf.

Zurbrügg, ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung und heutiges Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), gilt als einer der Väter der Schweizer Schuldenbremse. Dieses System wurde 2003 in der Schweiz eingeführt und erlebt nun als Exportschlager seinen zweiten Frühling.

Präzedenzfall hat Krise begünstigt

Heute verfügen 81 Staaten über Fiskalregeln («regelbasierte Fiskalpolitik»), während es 1990 noch deren fünf waren. Auch die Eurozone gehört mit den so genannten «Maastricht-Kriterien» zu diesen Staaten.

Allerdings wurden diese Kriterien nach der Nichteinhaltung durch Frankreich und Deutschland 2002 und 2003 eher als Richtwert denn als Fiskalregel aufgefasst. Die nicht erfolgte Sanktionierung beider Staaten stellte somit ein Präzedenzfall dar, der meines Erachtens die Entstehung der Staatsschuldenkrise in der Eurozone begünstigte und die Aufnahme Griechenlands in die Währungsunion ermöglicht hat.

Schuldenstand massiv reduziert

Die nachstehende Grafik aus dem Referat von Fritz Zurbrügg legt die Entwicklung der Schweizer Staatschulden (Bund, Kantone und Gemeinden) in Prozent des Bruttoinlandprodukts dar. Wie ersichtlich wird, hat sich der Schuldenstand nach Einführung der Schuldenbremse massiv reduziert.

Vannoni_Grafik

Ein Vorteil der Schuldenbremse gegenüber einem fixen Verschuldungsgrad liegt darin, dass die beiden Ziele fiskalische Stabilität und volkswirtschaftliches Wachstum – insbesondere in Krisensituationen – besser vereinbar sind. So ist die Regierung in Rezessionszeiten nicht gezwungen, ihr Budget zu reduzieren und damit die Volkswirtschaft noch stärker abzuwürgen.

Allgemein lassen sich daraus drei Folgerungen ableiten:

1. Fiskalregeln sind notwendig. Flankierend können unter Umständen prinzipienbasierte Massnahmen (beispielsweise Konjunkturpakete) eingeführt werden.

2. Genauso nötig ist allerdings auch deren Kontrolle und im Falle der Nichtbefolgung eine entsprechende Sanktionierung.

3. Ausgabenregeln (beispielsweise eine Schuldenbremse) sind grundsätzlich sinnvoller als ein fixer Verschuldungsgrad.

Es bleibt zu hoffen, dass die in der Eurozone mit dem Fiskalpakt beschlossenen Schuldenbremsen nun eingeführt und Verstösse in Zukunft tatsächlich sanktioniert werden. Der Zeitpunkt auf der politischen Agenda scheint mir ideal, um im Bereich der Fiskalregeln einen notwendigen, aber noch nicht hinreichenden «Neustart» durchzuführen.