Engagieren sich die Aktionäre genug? Braucht es einen Stimmzwang für PKs? Antworten des Corporate-Governance-Spezialisten Michael Otte von zCapital.

Herr Otte, es heisst, Pensionskassen seien die heimlichen Eigentümer von Schweizer Unternehmen. Wie sehr stimmt das?

Die Pensionskassenstatistik 2010 zeigt, dass Schweizer Vorsorgeeinrichtungen rund 62,9 Milliarden Franken in Schweizer Aktien hielten. Das entsprach je nach Bemessungsgrundlage in etwa 6 bis 7 Prozent der damaligen Gesamtmarktkapitalisierung des Swiss Performance Index.

Schweizer Pensionskassen verfügen somit über weniger Stimmrechte als vermutet. Das ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren das Engagement in Schweizer Aktien zugunsten von ausländischen Aktien reduziert wurde.


«Schweizer Pensionskassen verfügen über weniger Stimmrechte als vermutet»


Zudem stellt sich die Frage, ob die von den Pensionskassen gehaltenen Aktien überhaupt im Aktienbuch eingetragen und stimmberechtigt sind. Nach wie vor verfügen rund ein Drittel der von uns untersuchten Publikumsgesellschaften des Swiss Performance Index SPI über Eintragungs- oder Stimmrechtsbeschränkungen und 16 Gesellschaften über Stimmrechtsaktien. Bei Gesellschaften mit Partizipations- oder Genussscheinen entfällt das Stimmrecht komplett.

Bislang traten die Pensionskassen an Aktionärsversammlungen selten in Erscheinung. Weshalb diese Zurückhaltung und Diskretion?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Die personellen Ressourcen bei Pensionskassen sind begrenzt. Der zeitliche wie auch finanzielle Aufwand für die Analyse der Corporate Governance und die Stimmrechtsausübung darf nicht unterschätzt werden. 

Die grosse Mehrheit der von uns untersuchten und beurteilten Publikumsgesellschaften führen die Generalversammlung zwischen Februar und Mai durch, also in einer recht engen Zeitspanne.


«Für einige Aktionäre ist es wegen möglicher Interessenskonflikte heikel, zu gewissen Traktanden Stellung zu nehmen»


Zudem wird der Nutzen der Wahrnehmung der Stimmrechte oft als sehr gering eingeschätzt und durch die Aktien der Wertschriftenleihe übergeben. Vielen Aktionären dürfte der Gang zum Briefkasten bereits zu mühsam erscheinen. Ausserdem ist es für einige Aktionäre aufgrund eines möglichen Interessenskonflikts heikel, zu gewissen Traktanden Stellung zu nehmen.

Welche meinen Sie?

Viele Anleger haben einen inhärenten Interessenskonflikt. Denken Sie beispielsweise an eine kantonale Pensionskasse, die bei einer Firma abstimmen soll, die ein grosser Arbeitgeber im Kanton ist.

Denken Sie auch an die Pensionskasse der Banken, die Geschäftsbeziehungen zu den Firmen unterhalten oder einzelne Mitglieder der Unternehmensführung im Private Banking betreuen. Hier können die Interessen der Destinatäre mit anderen Motiven kollidieren.

Würden Sie generell ein stärkeres Engagement der Pensionskassen befürworten?

Die Pensionskasse wird als Aktionär zur Miteigentümerin einer Gesellschaft. Damit verbunden ist auch der sorgfältige Umgang mit den Eigentumsrechten, welche die Pensionskasse als Aktionärin  einer Gesellschaft erwirbt.


«Dass Aktionäre mehr Engagement zeigen, unterstützen wir»


Die Wahrnehmung der Aktionärsrechte gehört zu den Aufgaben des obersten Organs einer Pensionskasse, dem Stiftungsrat. Diese Denkweise gilt aber nicht nur für Pensionskassen. Auch andere institutionelle Investoren haben diese moralische Pflicht gegenüber ihren Destinatären.

Unterstützen Sie Anstrengungen, die Pensionskassen dazu zu bringen oder sogar dazu zu zwingen, eine aktive Rolle als Aktionäre zu spielen?

zCapital unterstützt Bemühungen, dass Aktionäre mehr Engagement zeigen. Durch unsere Überzeugungsarbeit wollen wir Pensionskassen, aber auch andere institutionelle Investoren in der Ausübung ihrer Stimmrechte unterstützen.

Unter www.generalversammlung.net haben wir ein Online-Portal mit detaillierten Angaben zu den Unternehmen und unseren Stimmempfehlungen. Damit soll allen die Möglichkeit geboten werden, die Stimmrechte von Schweizer Publikumsgesellschaften mit vernünftigem Aufwand wahrzunehmen.


«Minder fordert einen Stimmzwang von PK. Das entspricht nicht unserem aktionärsdemokratischen Verständnis»


Wie stehen Sie zu einem Stimmzwang für Pensionskassen?

Ein Stimmzwang von Pensionskassen, wie ihn die Minder-Initiative fordert, entspricht nicht unserem aktionärsdemokratischen Verständnis. Wir sind diesbezüglich aber auch skeptisch gegenüber dem indirekten Gegenvorschlag. Dieser hält die Pensionskassen «sofern möglich» an, ihre Stimmrechte auszuüben.

Hier befürchten wir, dass sich die Pensionskassen hinter diesem Passus verstecken, denn dieser birgt einen gewissen Interpretationsspielraum. Am meisten stört uns aber, dass einseitig nur von Pensionskassen die Rede ist. Auch andere institutionelle Investoren stehen in der Pflicht gegenüber ihren Destinatären.

Wer trägt letztlich die Verantwortung für bestimmte Entscheide?

Der Stiftungsrat. Bereits seit einigen Jahren verlangt der Gesetzgeber vom obersten Organ Regeln zur Ausübung der Aktionärsrechte aufzustellen. Dies führte jedoch zu keinem Umdenken. Viele Pensionskassen hielten in der Folge in ihren Reglementen fest, dass sie entweder ihre Stimmrechte nicht ausüben oder immer den Anträgen des Verwaltungsrates folgen. Dies mag zwar gesetzeskonform sein, wird der treuhänderischen Verantwortung in unseren Augen aber nicht gerecht.  

Ermöglicht die relative enge Zeitspanne zwischen Veröffentlichung der Traktandenliste und der Generalversammlung eine seriöse Auseinandersetzung der verantwortlichen PK-Gremien mit den vorliegenden Traktanden?

Die heutige Frist von mindestens zwanzig Tagen ist für engagierte Investoren, die einen entsprechenden Aufwand für die Zusammenstellung der Entscheidungsgrundlagen betreiben, genügend. Allerdings muss dem Dialog und der umfassenden Analyse der Gesellschaft schon vor der Frist mehr Zeit beigemessen werden.


«Ohne aktionärsdemokratisches Fundament verkommen viele gut gemeinte Ideen zu Makulatur»


Zurzeit drängen die Diskussionen über die Höhe von Manager-Gehältern und –Boni alle anderen Themen in den Hintergrund. Sollen die Aktionäre hier künftig Einfluss nehmen können, und zwar nicht nur konsultativ, jedoch zu geplanten Grossübernahmen weiterhin nichts zu sagen haben?

Die Stärkung der Aktionärsrechte – in welcher Dosierung auch immer – setzt voraus, dass dem Grundsatz einer Aktionärsdemokratie bei Publikumsgesellschaften gesetzgeberisch grössere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

Ohne aktionärsdemokratisches Fundament verkommen viele gut gemeinte Ideen zur Makulatur und bleiben wirkungslos. Was bringt eine Abstimmung über Vergütungen, wenn die Mehrheit der Stimmen, aber nicht des Kapitals, durch Stimmrechtsaktien bei einem Grossaktionär liegen? Was nützen Stimmrechte, wenn diese durch Eintragungs- und Stimmrechtsbeschränkungen begrenzt werden?


Michael_Otte_zCapital.kleinMichael Otte (Jg. 1984) ist als Analyst für Corporate Governance beim Zuger Vermögensverwalter zCapital tätig.

Zudem arbeitet Otte als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ und ist Projektleiter des jährlich stattfindenden Swiss CFO Day.

Er schloss an der Hochschule Luzern mit einem Master of Science in Finance & Banking ab.

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.29%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.9%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.65%
pixel