Die Forderung ist beliebt: Die Schweiz muss härter auftreten! Nur geht das an der Realität vorbei. Weshalb das Bankgeheimnis keine Chance hat. Von Walter Wittmann


WalterWittmannWalter Wittmann ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. 2007 veröffentlichte er «Der nächste Crash kommt bestimmt», in dem er viele Ereignisse vorwegnahm. Im Frühjahr 2010 erschien das prophetische «Staatsbankrott», und 2012 kam «Superkrise» über die Schwere der laufenden Krise. Im März erscheint «Soziale Marktwirtschaft statt Wohlfahrtsstaat».


Die Beziehungen der Schweiz zum Ausland sind seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner – insbesondere das Verhältnis zu EU, USA und OECD. Die hiesige Politik zeichnet sich nicht durch Realismus aus, sondern Fehleinschätzung der eigenen Möglichkeiten. Nun ist schon wieder vom «Ausspielen unserer Trümpfe» die Rede.

Nur: Davon sprach man schon Mitte der Achtzigerjahre, als die EG den EWR ankündigte. 

Um welche Trümpfe geht es? Und stechen sie wirklich?

1. Die Schweiz sei das «Wasserschloss» von Europa. Das ist zwar richtig, aber: Wir können unseren Nachbarn nicht das Wasser «abschneiden», können verhindern, dass unter anderem Rhein und Rhone ins Ausland abfliessen. Man hat es nicht mit einem Trumpf, sondern einer absurden Vorstellung zu tun.

2. Eine ähnliche Idee: Wir hätten die Möglichkeit, den Durchgangsverkehr (durch den Gotthard) zu sperren. Das ist zwar möglich, aber mit gravierenden Folgen. Zum einen kann die Schweiz über Frankreich und Österreich (Brenner) umfahren werden. Zum anderen sind in der EU (viel) mehr schweizerische Transporter unterwegs als ausländische in der Schweiz. Drittens muss man sich die Konsequenzen vorstellen – wenn die EU alle bilateralen Verträge kündigt, wenn sie uns vom EU-Binnenmarkt abschneidet: Unser wichtigster Exportmarkt bricht schlagartig weg.

3. Unser Land als wichtiger Kunde der EU-Länder. Darauf müsse die EU Rücksicht nehmen, und folglich der Schweiz im Rahmen des EU-Markts einen Sonderstatus einräumen.

Die Schweiz kann dem EU-Markt nicht ausweichen

Nur: Faktisch ist die Schweiz kein grosser Kunde, sie kann daher keinen Druck ausüben. Ihrerseits kann sie dem EU-Markt nicht ausweichen. Eine darüber hinausgehende Diversifizierung ist nur partiell und langfristig möglich.

Die Schweiz ist gut beraten, sich nicht selbst zu täuschen, sondern ihre Position realistisch zu sehen. Sie ist weder eine militärische noch eine politische noch eine ökonomische Macht, sie hat keine einflussreichen Verbündeten, sie ist im Alleingang unterwegs.

Zudem verfügt sie nicht über Rohstoffe und befindet sich in einer ungünstigen geografischen Situation. Das Land hat weder am Boden, in der Luft noch auf dem Wasser freien Zugang zu einem Ausland, das nicht zur EU gehört.

Was haben wir anzubieten, worauf das Ausland existentiell angewiesen ist?

Wir haben darüber hinaus nichts anzubieten, worauf das Ausland existenziell angewiesen ist. Daher können wir auf keinem Gebiet erfolgreich Druck ausüben. Es ist im ureigenen Interesse, supranationale Regelungen zu akzeptieren und sich diesen flexibel anzupassen. Zum Beispiel allen OECD-Standards, wo es dominant um Steuern und das Bankgeheimnis geht.

Die USA anerkennen kein schweizerisches Recht, sondern setzen ihr eigenes weltweit durch. Dagegen haben isolierte Länder wie die Schweiz ausserhalb von EU und Nato keine Chance. Die Schweiz ist zudem mit den beiden Grossbanken und Konzernen wie Nestlé, Novartis und Roche extrem stark in den USA exponiert. Entziehen die USA einer Grossbank die Lizenz, so ist die unmittelbar ruiniert.

In Bezug auf den (freien) Zugang zum EU-Binnenmarkt ist eines selbstverständlich: Es gelten für alle dieselben rechtlichen Bedingungen. Diese sind automatisch nachzuvollziehen. Mitbestimmung gibt es nur für Mitglieder der EU. Die (Schieds-)Gerichtsbarkeit liegt nur bei der EU. Wer das nicht begreift, zeichnet sich durch Ignoranz und Selbstüberschätzung aus.

Die Abgeltungssteuer wird sich nicht durchsetzen

Beim Bankgeheimnis kämpft die Schweiz seit Langem gegen Windmühlen. Die Abgeltungssteuer wird sich nicht durchsetzen. Der von der OECD, den USA und der EU geforderte automatische Informationsaustausch ist nicht abzuwenden. Das (nahe) Ende des Bankgeheimnisses ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Als Antwort auf ausländischen Druck ertönt der Ruf nach mehr Selbstvertrauen und Widerstand, und: Die Schweiz solle der EU selbst Forderungen stellen! Der Misserfolg ist vorprogrammiert. Erforderlich ist nicht schweizerisches, sondern objektives Denken und ein Handeln nach realistischer Einschätzung der eigenen Möglichkeiten.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.17%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.78%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.41%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.49%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.16%
pixel