Die Schweiz streiche die Stärken ihres Finanzplatzes zu wenig heraus, sagt Martin M. Naville, CEO der Swiss-American Chamber of Commerce.

Martin M. Naville ist seit 2004 CEO der Swiss-American Chamber of Commerce. Er startete seine Laufbahn 1984 als Corporate Banker bei JP Morgan, danach war er 16 Jahre für Boston Consulting tätig. Heute präsidiert er den Zürcher Zoo und ist Verwaltungsrat bei Swissquote und beim Luxemburger Lebensversicherer Lombard International.

Herr Naville, wie sehr gefährdet der Steuerstreit die amerikanisch-schweizerische Beziehung?
Der Steuerdisput ist ein Streitpunkt in einem sonst guten Verhältnis, das sich aber verschlechtern könnte, falls es zu keiner Lösung kommt. Denn aus US-Sicht ist Steuerhinterziehung ein Verbrechen, das unter keinen Umständen unterstützt werden darf. Die Schweiz hat in diesem Punkt eher zu spät als zu früh gehandelt. Wir sind – auch dank «gütiger Hilfe» von Hollywood und James Bond – als Steuerparadies so prominent geworden, dass wir auf die falsche Liste zu geraten drohen. Die tiefe, aber sehr wohl transparente Besteuerung von Unternehmen wurde mit der Thematik der Steuerhinterziehung von Privaten vermischt. Unsere Regierung muss den USA klarmachen, dass wir zwar ein Steuertiefland, aber keinesfalls ein Steuerparadies sind.

Bei Steuerhinterziehung will die Schweiz internationale Amtshilfe leisten und nun auch Doppelbesteuerungsabkommen möglichst rasch neu verhandeln. Was sollte der Bundesrat dabei besonders berücksichtigen?
Grundsätzlich ist zu begrüssen, dass er die USA gegenüber unseren Nachbarländern prioritär behandelt. Denn hier hat unser Land am meisten zu verlieren, zugleich ist es das komplexeste Abkommen. Der Bundesrat muss darin mit dem Thema der Steuerhinterziehung sauber aufräumen, erst dann ist Artikel 26 des OECD-Musterabkommens bei der Amtshilfe in Steuersachen anwendbar, das John-Doe-Summons-Verfahren und einen automatischen


«Die USA bleiben mindestens für die nächsten dreissig Jahre in der Champions League»


Informationsaustausch verhindert. Dabei gilt es, die Prozesse in der Schweiz zu definieren und klar zu kommunizieren, dass Änderungen in unserem System länger brauchen. Gleichwohl darf nicht das Gefühl aufkommen, dass wir auf Zeit spielen. Die Regierung sollte sich darum zu einer Frist für den Gesamtprozess verpflichten und mit Zwischenresultaten arbeiten.

Welche Rolle spielt dabei die Swiss-American Chamber of Commerce?
Wir sitzen als Beobachter auf der Tribüne. Als einzige Organisation, die Mitglieder aus Schweizer wie aus US-Firmen vereint, vermitteln wir als Brücken- und Netzwerkbauer zwischen unseren Mitgliedern sowie dem Parlament, der Regierung und den Diplomaten im Sinne eines Informationsbrokers.

Welche zusätzlichen Massnahmen müssten über die Neuverhandlung des Doppelbesteuerungsabkommens hinaus getroffen werden?
Der Bundesrat sollte mehr Kapazitäten auf die USA setzen. Die USA waren für die Schweiz historisch wichtig und bleiben mindestens für die nächsten dreissig Jahre in der Champions League. Verglichen mit der wirtschaftlichen Bedeutung gewichtet das Regierungsprogramm die Massnahmen ungenügend. Als einer der grössten ausländischen Direktinvestoren in den USA brauchen wir uns da auch nicht zu scheuen, uns eine solide Position zu schaffen.

Anders gefragt: Welche Lehren kann die Schweiz aus dem Steuerstreit ziehen?
Die Schweiz verfügt über ein komplexes Regierungssystem. Wir sind das einzige Land, das nicht von einer einzelnen Person, sondern von einem Siebnergremium regiert wird. In keinem anderen Land erhält die nationale Regierungsebene lediglich einen Viertel der Steuereinnahmen. Wir trennen zwischen Legislative und Exekutive, und das auf drei Ebenen. Meines Erachtens braucht es da ein übergreifendes Element, das Zugriff auf die relevanten Informationsträger hat. Denn in einem «Perfect Storm» ist es wenig hilfreich, wenn jeder in seinem Silo arbeitet. Die Schweiz muss auch lernen, mit solchen Stürmen umzugehen.

Wo sehen Sie die Stärken des Finanzplatzes Schweiz im Vergleich zu den USA?
Die Schweiz hat eine lange Geschichte als Finanzplatz, sie ist gut strukturiert und verfügt über die nötigen Fachkräfte. Ausserdem hat sie eine lange Tradition in dem, was man macht und was nicht. Das hiesige Vermögensverwaltungsgeschäft ist führend bei den Gesetzen gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Und das muss stärker herausgestrichen werden. Wir sind überdies für das Geschäft auf globaler Ebene prädestiniert, bedingt durch kulturelle Vielfalt und Viersprachigkeit. All dies macht die Schweiz zu einem starken Finanzplatz. Ich bin auch überzeugt, dass er international ausbaufähig ist. Allerdings muss dafür die Stempelsteuer fallen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen darf die Schweiz jedenfalls ihre erarbeitete Position nicht aufgeben und eine Reduitpolitik fahren.

Aus: Solutions 1/9 - Solution Providers AG.

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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