Christian Katz, CEO der SIX Swiss Exchange, im Interview mit finews.ch über Offshore-Leaks, das US-Rechtssystem und die wahren Steueroasen auf dieser Welt.

Herr Katz, was ging Ihnen durch den Sinn, als Sie davon erfahren haben, dass über Offshore-Leaks Zehntausende von vertraulichen Bankdaten an die Öffentlichkeit gelangt sind?

Auf Anhieb war das natürlich eine beängstigende Dimension, gerade für uns Schweizer.

Warum?

Weil wir Schweizer doch ein besonderes Verständnis haben, oder sagen wir eine Tradition, was den Schutz der Privatsphäre, insbesondere der finanziellen Privatsphäre angeht. So gesehen sind solche «Leaks» doch etwas sehr Befremdliches für uns. Aber eigentlich ist Offshore-Leaks bloss ein weiteres Kapitel im Wirtschaftskrieg der Finanzplätze, der nun aber nicht mehr primär zwischen den USA und der Schweiz ausgetragen wird.

Wie kommen Sie darauf?

In der Weltöffentlichkeit stand ja bisher zumeist nur die Schweiz als Steueroase am Pranger – was sie nicht einmal ist. Unsere Finanzbranche bietet zwar steueroptimierte Strukturen an, und der Schutz des Vermögens ist sehr wichtig.


«Offshore-Leaks könnte eine Riesenchance für uns werden»


Das reicht allerdings nicht aus, um uns auf eine Steueroase zu reduzieren. Wir haben auch Gesetze, die wir im Gegensatz zu anderen Ländern sehr strikt befolgen. So gesehen könnte Offshore-Leaks durchaus zu einer Riesenchance für die Schweiz werden.

Wie bitte?

Tatsache ist doch, dass die Öffentlichkeit im Ausland nun erstmals wahrhaben muss, dass sich in Delaware, in der Karibik, auf Zypern oder in Asien Steuerbetrügereien im ganz grossen Stil abspielen und dies von den dortigen Behörden zum Teil völlig ignoriert wird. Ich musste schon etwas schmunzeln, als ich erfuhr, dass von den Daten, die rund 130'000 Personen betreffen, gerade mal 70 Firmen in der Schweiz davon tangiert sind, wobei es sich da nicht einmal zwingend um rechtswidrige Fälle handelt.

Wieso blieb die Schweiz verschont?

Unsere Behörden haben schon vor mehr als zehn Jahren damit begonnen, die Kontrollen und Anforderungen, auf Neuenglisch die «Compliance», zu verstärken. Zudem haben wir in den letzten paar Jahren einen eigentlichen Läuterungsprozess durchgemacht, der anderen Finanzplätzen noch vollständig bevorsteht.


«Die Schweiz ist das ideale Feindbild»


Alle unsere Fortschritte stiessen im Ausland bislang auf taube Ohren. Denn die Schweiz ist ja das ideale Feindbild für eine Öffentlichkeit, die ständig nach noch mehr Transparenz ruft. Offshore-Leaks hält einigen Staaten nun den Spiegel vor.

Wenn die Schweiz nun also im «Driver-Seat» sitzt, was müsste sie nun tun, um vom Fahrtwind zu profitieren?

Die Branche müsste die Qualität ihrer Dienstleistungen und die Breite ihres Produkteangebots herausstreichen und vor allem auch die Tatsache betonen, dass die juristischen Strukturen für sehr vermögende Privatkunden absolut gesetzeskonform sind. Zudem wäre nun der beste Zeitpunkt, um die von der Schweizerischen Bankiervereinigung und vom Fondsverband angedachte Asset-Management-Offensive zu beschleunigen.

Trauen Sie das dem Dachverband der Schweizer Banken denn überhaupt zu?

Ich meine, dass nun Strukturen hermüssen, damit unsere Asset Manager die weltbesten Anlagelösungen und -konstrukte anbieten können und darüber hinaus auch ihre Kompetenz im Investment-Management unter Beweis stellen können.


«Die EU wird dieselben Rechte einfordern wie die USA»


Bisher drehte sich viel zu viel um das Bankgeheimnis. Die Bankiervereinigung ist ausserdem der logische Partner, um die Brücke zur Politik zu schlagen. Das Eisen muss aber geschmiedet werden, solange es noch heiss ist.

Ganz wird sich die Schweiz aber nicht aus der Gefahrenzone manövrieren können. Die USA machen einen enormen Druck auf die Schweiz und ihre Banken, die im schlimmsten Fall sogar befürchten müssen, dass ihnen das selbe Schicksal droht, wie der inzwischen aufgelösten Privatbank Wegelin.

Stimmt, und es liegt auch auf der Hand, dass die EU dieselben Rechte wie die USA einfordern wird.

Mit anderen Worten, in wenigen Jahren wird die Schweiz mit allen wichtigen Nationen einen automatischen Informationsaustausch haben. Richtig?

Die USA sind einfach besser im Druck ausüben und Ansprüche durchsetzen. Oder politisch korrekter ausgedrückt: Das amerikanische Rechtssystem eignet sich eher dazu, sich mit aggressiven Forderungen durchzusetzen, als die Heterogenität innerhalb der EU.


«Es gibt keine Roadmap für den Informationsaustausch»


Trotzdem, jetzt schon so etwas wie eine «Roadmap» für den automatischen Informationsaustausch machen zu wollen, ist falsch, zumal es immer wieder zu gänzlich unerwarteten Entwicklungen kommt. Zypern war so ein Beispiel, genauso wie Offshore-Leaks. C'est à suivre.


Christian_Katz_180_2Christian Katz leitet innerhalb der SIX Gruppe den Geschäftsbereich Swiss Exchange. Dieser betreibt die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange sowie Scoach, die spezialisierte Börsenorganisation für strukturierte Produkte. Zudem verantwortet er den Indexanbieter STOXX sowie die Swiss Fund Data.

Vor seinem Eintritt Anfang 2009 führte der 45-jährige Christian Katz das Representative Office von Goldman Sachs in der Schweiz, wo er sich auf das institutionelle Aktien- und Aktienderivatgeschäft fokussierte. Zuvor war er acht Jahre für J.P. Morgan Chase tätig.

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