Der Kampf gegen Steuerhinterziehung ist in Mode. Eine Folge: mehr Befugnisse für Steuerbeamte. Damit droht mehr Machtmissbrauch, meint Jakob Schaad.

Jakob_Schaad_1Jakob Schaad ist Leiter Finanzmärkte International und stv. Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung

Am Montag konnte man in der «Neuen Zürcher Zeitung» lesen, dass der IRS – der Internal Revenue Service, die US-Steuerbehörde – nachweislich Anträgen auf Steuerbefreiung von Tea-Party-Organisationen besondere Hürden in den Weg gelegt hat.

Kein Wunder, könnte man sagen: Die Tea-Party-Organisationen in den USA wollen staatliche Leistungen – und zum Teil ganz gezielt den IRS – radikal zusammenstreichen. Dann ist es ja klar, dass die wackeren Steuerbeamten Anträgen auf Steuerbefreiung aus dieser Ecke mit ganz besonderer «Sorgfalt» begegnen.

Der IRS hat – so liest man – denn auch ein Fehlverhalten einiger übereifriger Beamten eingeräumt. Ein kleines Versehen jenseits des Atlantiks also, weit weg von uns, das zudem auch gleich korrigiert wurde.

In Zukunft mehr Missbräuche der Steuerbehörden

Das Problem ist nur, dass wir in Zukunft viel mehr solche Ereignisse erleben werden – überall in der Welt. Überall bekommen «unfehlbare» Steuerbeamte mehr Informationen und mehr Macht. Und mehr Macht bedeutet eben auch mehr Gelegenheit zum Machtmissbrauch.

Dafür zu sorgen, dass jeder und jede seinen fairen Anteil an Steuern bezahlt, ist eine Voraussetzung für einen funktionierenden Staat; darüber besteht kein Zweifel. Aber es besteht auch kein Zweifel darüber, dass das Verhalten des Steuerbeamten und der Steuerbehörden keinen anderen Naturgesetzen folgt als dasjenige jedes anderen Beamten und jeder anderen Behörde.

Wir erlauben Polizeibeamten und ihrer Behörde auch nicht nach Gutdünken Telefongespräche abzuhören oder Menschen abzuführen – und mit gutem Grund. Entsprechend ist Umsicht auch bei den Befugnissen der Steuerbeamten angezeigt.

Bei uns in der Schweiz ist man in Sachen Steuerbeamte verwöhnt. Noch. Denn auch in der Schweiz diskutiert man unter dem Titel «Steuerstrafrecht» eine Ausdehnung der Befugnisse der Steuerbeamten.

Man sollte sich deshalb auch wieder mehr Gedanken darüber machen, welchen Möglichkeiten und Anreizen wir eine Steuerbehörde und ihre Beamten aussetzen, wenn wir diese mit mehr Information und Macht ausstatten.

Aus den Fehlern anderer lernen

Weit hergeholt? Überzeugenden Anschauungsunterricht bietet wiederum der IRS. Bis 1998 war die Beweislast im US-Steuergesetz beim Steuerzahler. Dieser hatte zu beweisen, dass er keine Steuern schuldete, wenn der IRS behauptete, er habe welche hinterzogen. Nachdem immer mehr Missbrauchsvorwürfe gegen den IRS erhoben worden waren, gab es 1997 umfassende Hearings im US-Congress. Diese förderten haarsträubenden Missbrauch zu Tage. Da gab es IRS-Beamte, die ausgewählten Steuerzahlern aufs Geratewohl vorwarfen, dass sie mehr Steuern schuldeten als sie deklariert hatten. Diese hatten dann die Wahl – ob schuldig oder nicht –, entweder den langen Atem des IRS in den Gerichten zu erleben oder einen Vergleich zu schliessen.

Die umfangreichen Untersuchungen förderten im Weiteren zu Tage, dass die IRS-Beamten gewisse Schwellenwerte von Nachsteuern zu erreichen hatten.

Zudem waren die Beförderungen vom Erreichen dieser Zielwerte abhängig. Mit diesen Anreizen kombiniert mit der Beweislastumkehr war niemand über die Missbräuche erstaunt. Das Resultat war, dass Präsident Clinton 1998 weitreichende Reformen des IRS vorschlagen musste, den «Internal Revenue Service Restructuring and Reform Act» von 1998 – einschliesslich der Richtigstellung der Beweislast weg vom Steuerpflichtigen zum IRS.

Nur die Dummen lernen aus den eigenen Fehlern. Bevor wir die Kontrolle über die Steuerbeamten abgeben – sei es international in Gremien wie der OECD oder national – lasst uns aus den Fehlern anderer lernen. Denn Macht korrumpiert – und totale Macht korrumpiert total.