In der Hitze des Regulierungsgefechts gehen die Folgen manchmal vergessen, sagt Markus Staub von der Bankiervereinigung. Wer regulieren will, soll nachweisen, dass das vorteilhaft ist.

Markus Staub SBVMarkus Staub ist Leiter Bankenpolitik und Bankenregulierung bei der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Vor einiger Zeit habe ich von einem skurrilen Experiment gehört: Jemand hatte beobachtet, dass erstens Butterbrote, die einem aus der Hand gleiten, unerfreulicherweise meistens mit der Butterseite auf dem Boden landen. Aber zweitens, dass Katzen, die von Zäunen springen, es regelmässig schaffen, auf ihren Pfoten zu landen.

Katze mit Butterbrot

Der findige Experimentator kreierte ein innovatives Forschungsdesign: Er band einer Katze ein Butterbrot auf den Rücken und schubste sie vom Zaun, um im empirischen Versuch herauszufinden, welcher Effekt stärker ist.

Unter der Voraussetzung, dass man genügend Butterbrote und Katzen zur Verfügung hat, lässt sich das Experiment sogar wiederholt durchführen, was statistisch fundierte Aussagen über Wahrscheinlichkeiten ermöglicht.

Viele Effekte, komplexe Gesamtwirkung

Spass beiseite: Auch in der Wirtschaftspolitik, und speziell in der Bankenregulierung, geht es häufig um die Abschätzung der Gesamtwirkung aus entgegengesetzten Teileffekten. Doch typischerweise ist die Ausgangslage wesentlich komplexer.

Das liegt unter anderem daran, dass die Vielfalt potentieller Effekte zunächst gar nicht klar ist, dass die einzelnen Effekte schwierig zu quantifizieren sind und dass entsprechende Experimente in der Praxis nicht durchgeführt (geschweige denn systematisch wiederholt) werden können beziehungsweise erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten würden.

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Wie in der Medizin sollten auch vor einem regulatorischen Eingriff die Konsequenzen mit vernünftiger Genauigkeit abgeschätzt werden. Im Falle einer medizinischen Operation geht es dabei um die Prognose der Besserungsmöglichkeiten und Heilungschancen im Vergleich mit Risiken und Nebenwirkungen. Je konsequenzenreicher und «irreversibler» eine Massnahme, desto mehr Präzision in der Folgenabschätzung ist nötig: beim Skalpell mehr als bei der Kopfwehtablette.

Für die Regulierung von Banken und Finanzmärkten wünsche ich mir deutlich mehr Sorgfalt in sogenannten Regulierungsfolgenabschätzungen, Wirkungsprognosen oder Kosten/Nutzen-Analysen.

Gerade weil das Herum-Experimentieren in diesem Bereich in aller Regel heikel und kostspielig ist, braucht es im Vorfeld eine belastbare Vorstellung über die Implikationen eines regulatorischen Eingriffs.

Eine solche liegt beispielsweise weder für den antizyklischen Eigenkapitalpuffer (Medienmitteilungen von EFD, SNB und Finma vom 13.2.2013) noch für die laufende Teilrevision des Finma-Rundschreibens «Operationelle Risiken» (Erläuterungsbericht der Finma vom 28.5.2013, Seiten 19/20) vor. Plakative Behauptungen, dass die «organisatorischen und finanziellen Auswirkungen ... für die Banken minim» seien, helfen wenig.

Schwierig, aber wichtig

Natürlich ist eine abschliessende und punktgenaue Wirkungsprognose und exakte Quantifizierung in vielen Fällen unrealistisch. Das ist die Argumentationslinie, welche Regulatoren zur Verteidigung ihrer rudimentären Wirkungsanalysen ins Feld führen. Aber sie trifft nicht den Punkt.

Der Punkt ist, dass man mindestens eine methodisch saubere Prognose erwarten darf, welche Akteure von einer regulatorischen Massnahme mit welchen Typen von Kostenfolgen konfrontiert sind, welche Überwälzungsphänomene (Inzidenzanalyse, zum Beispiel Kreditkanal) und welche asymmetrischen Effekte zwischen verschiedenen Akteuren absehbar sind (Verteilungswirkungen) und in welcher Relation die Kosten zum erhofften Nutzen stehen.

Dass der Nutzen die Kosten in einem gesamtwirtschaftlichen Sinne übersteigt, gehört zur Beweislast des Regulators. Meines Erachtens ist es falsch zu versuchen, die betroffene Industrie in die defensive Situation zu drängen, dass sie die Kosten/Nutzen-Analyse nachholen muss, die der Regulator durchzuführen hat. Wer in einer Marktwirtschaft regulieren will, soll den Nachweis selbst erbringen, dass das vorteilhaft ist.