«Jeder Börsengang ist letztlich ein Einzelfall», sagt Christian Katz, CEO der SIX Swiss Exchange. Beunruhigt zeigt er sich über die wachsende Zahl an Dekotierungen, und auf dem hiesigen Finanzplatz verspürt er kaum viel Aufbruchstimmung.  

Herr Katz, der Rückzug von Ledermann Immobilien kurz vor dem Börsengang hat verwundert. Wie ist so etwas möglich, sofern man davon ausgeht, dass eine solche Transaktion seriös vorbereitet wird?

Ein Börsengang ist ein anspruchsvoller Prozess. Bis zum Zeitpunkt der Handelseröffnung kann er jederzeit unterbrochen oder verschoben werden. Der Entscheid liegt beim jeweiligen Unternehmen.

Welche Kosten fallen für die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange nach einem solchen Rückzug an?

Die Kosten auf Seiten der Börse sind verkraftbar.

Müssen Anleger nach dieser Sistierung davon ausgehen, dass die Investorenstimmung für weitere Börsengänge (Initial Public Offering, IPO) verflogen ist?

Nein. Jeder IPO-Prozess ist letztlich ein Einzelfall, aus dem man keine allgemeinen Schlüsse ziehen kann. Eine Kotierung an der SIX Swiss Exchange ist nach wir vor attraktiv, das Umfeld ist absolut intakt.


«Anfang 2013 kam es zu einer Trendwende»


War Ledermann Immobilien als Börsenkandidat zu klein, zu wenig diversifiziert – oder woran hat es letztlich gemangelt?

Wir nehmen grundsätzlich keine Stellung zu spezifischen Unternehmensfragen. Dies ist Sache des Unternehmens selbst.

Sollte der Rückzug von Ledermann Immobilien nicht als Signal für einen Kurseinbruch am Aktienmarkt gewertet werden?

Nein, das glaube ich nicht. In den vergangenen zwei Jahren waren viele Anleger unterinvestiert in Aktien. Erst Anfang 2013 kam es zu einer Trendumkehr, als vor allem in den USA viele Investoren von Obligationenfonds in Aktienfonds umschichteten.

Was war der Auslöser dafür?

Die Anleger in den USA waren getrieben von gestiegenen Zinserwartungen. Wenn diese steigen, lässt sich das auf zwei unterschiedliche Effekte zurückführen: Entweder geht man davon aus, dass die Zentralbank die Inflation drosseln will, oder die Märkte rechnen mit besseren Wachstumsraten in der Wirtschaft. Letzteres dürfte jetzt der Fall sein.


«Mit namhaften Kandidaten im Gespräch»


Trotzdem fällt die Bilanz der Börsengänge an der Schweizer Börse im laufenden Jahr nicht gerade berauschend aus. Im besten Fall kommt es mit der GE Money Bank zum IPO. Warum läuft nicht mehr?

Wir sind mit namhaften Kandidaten im Gespräch. Konkrete Angaben darüber können wir aber nicht machen, weil ein Kotierungsprozess eben erst mit der Handelseröffnung definitiv abgeschlossen ist.


«Die Zahl der Dekotierungen wächst»


Nochmals, bis jetzt ist wenig gelaufen in diesem Jahr.

Ja, die Entwicklung war tatsächlich unterdurchschnittlich. Allerdings steht die Schweiz in dieser Hinsicht nicht alleine da. Im Gegensatz zu den USA haben wir in diesem Jahr in ganz Westeuropa nur wenige Börsengänge gesehen. Alle Börsen in Westeuropa brauchen deutlich mehr IPOs, um die wachsende Zahl an Dekotierungen zu brechen, da sind wir keine Ausnahme

Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Es braucht attraktivere Rahmenbedingungen. Es hilft sicherlich nicht, die Rahmenbedingungen dauernd zu verschärfen, mit dem Ansinnen noch mehr Transparenz und Nachhaltigkeit schaffen zu wollen. Kotierte Unternehmen unterstehen bereits heute deutlich schärferen Transparenzregeln.


«Es wird unhaltbar, an der Börse zu sein»


Wenn es zu viele Standards gibt und jedermann Dutzende von Fragebogen an kotierte Firmen schickt, wird es irgendwann einmal unhaltbar für die Firmen an der Börse zu sein, vor allem für kleinere Unternehmen. Dann ziehen sie sich zurück – und dekotieren ihre Aktien.

Wer ist schuld an dieser Entwicklung?

Oberflächlich gesehen sind es die Politiker und Regulatoren. Wenn man aber tiefer gräbt, dann sind es alle Akteure, welche die Finanzkrise mitverursacht und beschleunigt haben. Sie tragen die Verantwortung für die Überregulierung, die wir jetzt als Gegenreaktion wahrnehmen.


«Es wird nicht häufiger sanktioniert»


Die heutigen Regulierungstrends sind nicht geeignet, Börsenkotierungen zu begünstigen. Stattdessen machen sich immer mehr Firmen Gedanken, wieder ein «Leben in der Intransparenz» zu führen, getragen von privaten Investoren.

Hängt diese Entwicklung auch damit zusammen, dass es immer mehr Sanktionen gegen kotierte Unternehmen gibt?

Grundsätzlich habe ich nicht den Eindruck, dass häufiger sanktioniert wird. Tatsache ist aber, dass seit 1. Mai 2013 das revidierte Börsengesetz in Kraft ist. Dadurch wurde der Insider-Straftatbestand auf ein internationales Niveau gehoben. Die SIX kann dadurch als selbstuntersuchende Börse strenger und umfassender die einzelnen Entwicklungen beobachten.


«Viel Aufbruchstimmung spüre ich nicht»


So gesehen könnte es durchaus sein, dass künftig mehr Fälle geahndet werden. Bisher hat man eher nur sehr wenige Sanktionen gegen Insider-Vorgänge gesehen, was aber noch lange nicht heisst, dass nicht untersucht wurde.

Der Schweizer Finanzplatz ist im Umbruch. Was spüren Sie davon?

Sehr viel Aufbruchstimmung spüre ich noch nicht. Solange der Steuerstreit mit den USA nicht gelöst ist, wird sich der Enthusiasmus in Grenzen halten.


«Das sagte Privatbankier Jacques de Saussure»


Kürzlich sagte der Genfer Privatbankier Jacques de Saussure in einem Interview, die Umsetzung des Abkommens mit den USA werde sicher nicht innert dieses Jahres vollzogen sein. Solange da nicht mehr Klarheit herrscht, werden die meisten Akteure abwarten und hinter den Kulissen Anpassungen vornehmen.

Glauben Sie?

Es gibt eine ganze Reihe kleiner Institute, die früher profitabel waren und es heute auf Grund der fundamentalen Veränderungen im Private Banking nicht mehr sind. Bei diesen Banken scheint der ganz grosse Ruck noch nicht durch die Eignerschaft gegangen zu sein.

Warum denn nicht?

Manchen Familien und Eigner, die eine Bank besitzen, ging es bisher nicht alleine um Profit, sondern vor allem um strategische Überlegungen, rund um die eigenen Wertschriften, Erbschaften oder konservative Anlagen.


«Es wird irgendwann einmal kritisch»


Wenn nun aber solche Institute mit weniger als 10 Milliarden Franken an Kundengeldern über mehrere Jahre rote Zahlen schreiben, wird es irgendwann einmal kritisch – vor allem, wenn die übrigen Familienmitglieder oder Partner kein frisches Kapital mehr einschiessen können, oder nicht bereit sind, das Management radikal umzubauen.

Ich gehe davon aus, dass wir hier in den nächsten zwölf Monaten Veränderungen sehen werden.


Christian Katz 180 2Christian Katz leitet innerhalb der SIX Gruppe den Geschäftsbereich Swiss Exchange. Dieser betreibt die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange sowie Scoach, die spezialisierte Börsenorganisation für strukturierte Produkte. Zudem verantwortet er den Indexanbieter STOXX sowie die Swiss Fund Data.

Vor seinem Eintritt Anfang 2009 führte der 45-jährige Christian Katz das Representative Office von Goldman Sachs in der Schweiz, wo er sich auf das institutionelle Aktien- und Aktienderivatgeschäft fokussierte. Zuvor war er acht Jahre für J.P. Morgan Chase tätig.

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