Wenn sich die Akteure auf dem Finanzplatz auf Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Fairness und Berufsethik rückbesinnen würden, stünde dies der Branche gut an, sagt Thomas Stricker von Invest-Partners.

Herr Stricker, wie ist die aktuelle Befindlichkeit bei den unabhängigen Vermögensverwaltern?

Es bläst ein rauerer Wind. Viele Vermögensverwalter sind verunsichert, weil sie nicht wissen, wie es für sie weitergeht.

Geht es denn überhaupt noch weiter?

Das Wissen um die bevorstehenden Veränderungen ist zweifelsohne da. Aber viele Vermögensverwalter stecken immer noch den Kopf in den Sand und verdrängen. Die bereits pensionsfähigen Leute sehen die Zukunft eher fatalistisch und trösten sich mit ihrem nächsten Karriereschritt in den Ruhestand. Jüngere Vermögensverwalter suchen intensiv nach Lösungen.

Gibt es eine kritische Grösse für unabhängige Vermögensverwalter?

Wenn ich konkret weiss, was und in welcher Form noch alles auf unsere Branche zukommt, definiere ich gern eine kritische Grösse. Vorerst ist das aber unmöglich. Allein die erwarteten Anforderungen im Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) setzen bereits die Messlatte: Die minimale Grösse im Bereich Personal wird bei vier bis fünf Personen liegen. Mit weniger als 100 Millionen Franken an Kundengeldern sehe ich für einzelne unabhängige Vermögensverwalter kaum Zukunftschancen.


«Es tut gut, umworben zu werden»


Welche weiteren Voraussetzungen sollten erfüllt sein, damit ein unabhängiger Vermögensverwalter in der «neuen Bankenwelt» erfolgreich ist?

Eine ganzheitliche Vermögensbetreuung, verbunden mit Unabhängigkeit und Neutralität, gerade in der Produkteauswahl und im Anlageprozess. Das sind die entscheidenden Faktoren. Eine wichtige Voraussetzung ist auch die Rückbesinnung auf die ursprüngliche Aufgabe des unabhängigen Vermögensverwalters, nämlich ein fachlich kompetenter Mittler mit ethischen Grundsätzen zu sein, der zwischen den Polen «Kunde mit Vermögen» und den eher auf Eigeninteressen ausgerichteten Banken agiert.

Zahlreiche Banken unternehmen nun beträchtliche Anstrengungen, um unabhängige Vermögensverwalter an sich zu binden. Was halten Sie davon?

Wir geniessen es. Es tut doch gut, umworben zu werden. Im Ernst: Mit rund 600 Milliarden Franken an betreutem Vermögen in der Schweiz sind wir zweifelsohne interessant.


«Soziale Medien ersetzen das Networking nicht»


Wir wissen von einer Bank, die momentan ernsthaft prüft, ob sie mit allen ihren noch angestellten Kundenberatern künftig nur noch auf der Basis «externe Vermögensverwalter» zusammenarbeiten will. Ihren «Noch-Mitarbeitern» bietet die Bank sogar Unterstützung für den Schritt in die Selbständigkeit. Möglicherweise dürfen wir bei diesem revolutionären Konzept Hilfestellungen leisten und unser Know-how einbringen.

Sie machen uns neugierig.

Leider dürfen wir vorläufig noch keinen Banknamen bekannt geben.

Mittlerweile offerieren verschiedene Banken auch Online-Plattformen für unabhängige Vermögensverwalter. Was halten Sie davon?

Die sozialen Medien werden den persönlichen Kontakt und das Networking unter den unabhängigen Vermögensverwaltern und den Banken nie komplett ersetzen können.


«Mir sind keine innovativen Konzepte bekannt»


Für den Abruf und Austausch von Informationen, Produkt-Updates und Forums-Diskussionen sind solche Plattformen aber durchaus nützlich und für die Zukunft sicher auch wegweisend. Sie sind ein Schritt in die richtige Richtung, und je mehr Kollegen an solchen Online-Netzwerken teilnehmen, umso interessanter werden diese Plattformen.

Gibt es innovative Konzepte unter den unabhängigen Vermögensverwaltern?

Im Moment sind mir solche nicht bekannt. Dringend voranzutreiben wäre eine starke Interessenvertretung für die Vermögensverwalter. Diese fehlt heute. Die Bedürfnisse und «Sorgen» unseres Berufsstandes werden kaum nach aussen und auch nicht gegenüber den Behörden vertreten.


«Höchste Eisenbahn, dass sich etwas bewegt»


In Sachen Marktzutritt in der EU beispielsweise werden die unabhängigen Vermögensverwalter gar nicht in die Diskussion eingebunden. Den Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV) spürt man etwas, ansonsten gibt es aber weder ein Verbandskonzept noch irgendwelche Unterstützung seitens der SROs, der Branchenorganisationen oder anderer Institutionen. Es ist höchste Eisenbahn, dass sich in dieser Sache etwas bewegt.

Wie sind Sie aufgestellt?

Invest-Partners ist eine Plattform, die seit 2002 ihren aktuell mehr als 20 angeschlossenen Partnern ein Gesamtpaket anbietet. Dieses umfasst Dienstleistungen wie Administration, Compliance, Risiko-Monitoring, Dossierführung (etwa beim Geldwäscherei-Gesetz), Bankenbeziehungen, Stellvertretung, aber auch Coaching sowie ein Gedanken- und Meinungsaustausch im weitesten Sinn.


«Wir sind auf Wachstum ausgerichtet»


Als zweites Standbein offerieren wir externen Vermögensverwaltern auch Outsourcing-Lösungen, weitere Möglichkeiten des Zusammenschlusses und zusätzliche Services.

Wir haben ausserdem eine in der Schweiz richtungsweisende Software für Vermögensverwalter entwickelt (mehrmandantenfähiges und internetbasiertes CRM-Tool, Kundendatenbank, Gebührenabrechnung, Risikoüberwachung für Einhaltung Anlagerichtlinien der Kunden – auch Fremdwährung, Klumpen-Risiken, Überwachungsfunktion für GwG-relevante Zahlungen, Cross-Border Monitoring) und in Zürich in der Nähe des Paradeplatzes zusätzliche Büroräume von 450 Quadratmeter dazu gemietet. Wir sind voll auf Wachstum ausgerichtet.


«Wir spüren eine grosse Frustration»


Wo sehen Sie das Potenzial für weiteres Wachstum?

Wir gehen davon aus, dass weitere Kundenberater sich selbständig machen werden oder mangels Alternativen diesen Schritt zwangsläufig in Betracht ziehen müssen. Hier können wir, wie erwähnt, einiges anbieten. In Gesprächen mit Bankern spüren wir eine grosse Frustration im Arbeitsalltag, insbesondere auf Grund des rasant zunehmenden Zeitaufwands für administrative Belange, während die Beratung auf der Strecke bleibt.

Hinzu kommt das unsägliche «Product-Pushing», das viele Banken von ihren Mitarbeitern nach wie vor erwarten, verbunden mit ständigen Reorganisationen und neuen Kundensegmentierungen zu Ungunsten der einzelnen Mitarbeiter.

Viele unabhängige Vermögensverwalter gelten als Einzelkämpfer. Sind sie überhaupt bereit, sich in eine Struktur einzufügen?

Noch nicht. Der Druck von aussen ist in vielen Fällen noch nicht stark genug. Deshalb bieten wir den «Einzelkämpfern» schon jetzt als Besonderheit an, dass sie mit ihrer Firma bei uns prinzipiell selbständig bleiben und unter ihrem Logo weitersegeln können.


«Manche Veränderungen sind schmerzlich»


Dafür bieten wir einen Outsourcing-Service an, bis hin zu einer umfassenden integrierten Domizillösung. Wichtig für den Vermögensverwalter ist natürlich der Schutz seines Kundenstammes. Das wird von uns selbstverständlich gewährleistet.

Wie hat sich Ihr Geschäftsgang in den vergangenen zwei Jahren entwickelt – nach Steuerstreit mit Deutschland, den USA und dem faktischen Ende des Bankgeheimnisses?

Einige Partner mussten eine Reduktion ihrer Kundengelder hinnehmen, allein schon auf Grund der Kosten für die Selbstanzeigen ihrer Klienten.

Invest-Partners ist jedoch durch die Aufnahme neuer Partner gewachsen. Auf Grund des erhöhten Arbeitsanfalls haben wir unsere rückwärtigen Bereiche (Back Office) personell sogar ausgebaut und durch Skaleneffekte die Profitabilität gesteigert. Die Veränderungen, die unsere Branche nun erlebt, sind insgesamt sehr schmerzlich. Sie haben uns aber auch rechtzeitig dazu angeregt, das bisher wunderbar einträgliche Geschäftsmodell mit steuerneutralen Vermögen, Retrozessionen, Intransparenz und Bank-Konventionen der neuen Realität anzupassen.

Was tun Sie bei der Kontaktaufnahme eines interessierten Kundenberaters als Erstes?

Es ist wichtig, dass man die Vor- und Nachteile der Selbständigkeit transparent aufzeigt und speziell auch die Angst oder Hemmschwelle vor diesem Schritt abbaut. Für den finalen Entscheid ist jedoch nach wie vor eine genaue Planung bezüglich der potenziellen Kundenvolumen massgebend, und natürlich ist ein weit verzweigtes Beziehungs- und Kontaktnetz erforderlich. Nochmals: Eine eigene Firma lohnt sich nur – wenn überhaupt – bei sehr grossen Kundenvermögen. Sonst ist der administrative und regulatorische Aufwand heutzutage einfach zu gross und damit zu teuer.


«20 Prozent weniger Beschäftigte»


Wir sind sogar von einer Bank in Zürich angefragt worden, ob wir deren Kundenbetreuer oder Regionen-Teams aus Kosten- und Effizienzüberlegungen übernehmen wollen. Das kann für eine kleinere bis mittlere Bank durchaus Sinn machen, zumal ein grosser Posten an direkten und indirekten Personal- und Verwaltungskosten dadurch wegfällt, während eine ansehnliche Ertragskomponente erhalten bleibt.

Wie sehen Sie den Finanzplatz Schweiz in fünf Jahren?

Grundsätzlich gestärkt, allerdings mit weniger Banken und massiv weniger Vermögensverwaltern. Die Bereinigung wird die ganze Branche treffen. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten fünf Jahren 20 Prozent weniger Beschäftigte im Schweizer Finanzsektor geben wird.


«Das würde der Branche gut anstehen»


Der Konzentrationsprozess frisst seine Kinder. Dafür wird der Finanzplatz wettbewerbsfähiger, qualitativ hochstehender und solider sein. Auch werden neue Dienstleister und professionelle Serviceanbieter entstehen.

Wie viele unabhängige Vermögensverwalter wird es dannzumal noch geben?

Zwischen 800 und höchstens 1'200, je nach Ausgestaltung der auf uns zukommenden Gesetzeswerke, wie Fidleg, Fatca, MiFID2 oder VSB14. Eine Rolle wird auch spielen, wie der unvermeidliche «Swiss Finish» ausfällt.

Ihnen scheint noch etwas auf der Zunge zu liegen...

Ja, und zwar eine persönliche Bemerkung: Wenn sich die Akteure auf dem Finanzplatz Schweiz ein ganz klein wenig auf Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Fairness und Berufsethik rückbesinnen würden – stünde dies dem Ansehen unserer Branche sicher gut an.


Thomas Stricker ist CEO und Gründer der Invest-Partners Wealth Management.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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