Prinz Michael von Liechtenstein ist als Unternehmer in der Finanzbranche tätig. finews.ch sprach mit ihm über den Steuerstreit und über die Vorzüge kleiner Staaten.

michaelvonliechtensteinEntschuldigen Sie zunächst, aber wie redet man Sie korrekt an?


Es gibt verschiedene Möglichkeiten. In der Schweiz sagen viele Menschen Herr von Liechtenstein, manche sprechen mich mit Durchlaucht an, andere mit Prinz Michael. Mir spielt das keine so grosse Rolle.

Einigen wir uns auf Prinz Michael. Hat Sie das Ausmass der Finanzkrise überrascht?

Im Grunde genommen sind wir ja alle Teil dieses Systems. Wir wussten also einiges. Doch wir haben uns anders als im Christentum verhalten. Da sagt man: «Wir müssen glauben, weil wir es nicht wissen.» In der Finanzwelt war es eher so, dass wir es «gewusst haben, aber nicht glauben wollten».

Beruht die Finanzkrise auf einer Fehleinschätzung des «homo oeconomicus»?

Diese Krise sprengt den Rahmen eines Fehlers. Dabei müssen wir erkennen, dass gerade im Finanzsystem Blasen immer wieder möglich sind. In der Güterwirtschaft weniger. Wenn Sie Schuhe herstellen und zuviele davon produzieren, haben Sie schnell einmal ein Problem.

Was bedeutet das auf die Finanzwelt bezogen?

Da war zuviel Geld vorhanden. Warum? Dafür gibt es mehrere Ursachen: Zuerst einmal die Schuldenpolitik der USA und anderer Industriestaaten, welche durch die sehr populistische Ausgabenpolitik der Staaten noch beschleunigt wurde. Dann war da die Notenbank-Politik des billigen Geldes, das von Banken und Finanzinstitutionen aufgegriffen und damit ein absolut übertriebener Leverage betrieben wurde.

Sind Sie betroffen von der Finanzkrise?

Ich persönlich weniger. Aber ich sehe, wie die Wirtschaft leidet. Es gibt viele Menschen, die direkt betroffen sind, durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit oder sogar durch den Untergang des eigenen Betriebs. Die Arbeitslosigkeit erreicht neue Höchstmarken, was wiederum ziemliche Konsequenzen haben wird. Wenn die Arbeitslosigkeit in Europa weiter steigt, kann dies zu sozialen Unruhen und politischer Radikalisierung führen.

Wie ist der Finanzplatz Liechtenstein betroffen?

Mittlerweile spricht man nicht mehr nur von einer Finanz-, sondern von einer Wirtschaftskrise, der sich auch unsere Industrieunternehmen nicht entziehen können. Der Finanzplatz ist allerdings noch verstärkt durch die Angriffe aus dem Ausland unter Druck.

Wie ist die Situation?

Der Druck aus Deutschland und auch aus anderen Ländern ist enorm. Die absolut verleumderische Antipropaganda liefert natürlich ein gefälschtes Pauschalbild und schadet insofern, als dass viele Personen und Institutionen, die mit uns im Geschäft sind, mit Repressalien bedroht werden.

Was meinen Sie damit konkret?

Es heisst etwa, wenn Liechtenstein nicht dies oder jenes macht, dann kommen Sanktionen zum Zug. Plötzlich könnte es dann heissen, nun wird der Zahlungsverkehr mit Liechtenstein eingeschränkt. Solche Wahrnehmungen sind natürlich nicht gut.

Haben kleine Finanzplätze in einer globalisierten und vernetzten Welt überhaupt noch eine Überlebenschance?

Finanzplätze sind auf die Dauer nur erfolgreich, wenn sie im Wettbewerb zueinander stehen, insbesondere Nischen-Finanzplätze. Eine offene und globalisierte Wirtschaft wird durch einen solchen Wettbewerb nur gefördert, und so ist es sicher ein Vorteil, dass es eine Reihe kleinerer Finanzplätze gibt, nicht nur die Handvoll Mega-Plätze.

Was können kleine Finanzplätze gegenüber grossen Zentren an Mehrwert bieten?

Sie sind allgemein flexibler und können sich schneller auf Änderungen von wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen. Sie werden auch nicht durch den Protektionismus grosser Staaten verwöhnt.

Welche Rolle spielt die Politik?

Kleine Finanzplätze sind in der Regel stabiler, weil Volk und Regierung in einer kleineren Einheit naturgemäss näher beisammen sind als in einer grösseren. Staaten, die kleine Finanzplätze haben, sind oftmals auch jene, die stark direkt-demokratische Elemente haben. Dadurch sind sie auch weniger den Sprüngen und Populismen der politischen Parteien ausgesetzt. Die Meinungsbildung ist breiter gestreut. Das ist auch ein Teil der Erfolgsgeschichte der Schweiz – wenn nicht sogar der essenzielle Teil.

Inwiefern hat der Finanzplatz Liechtenstein durch den Druck und die Angriffe aus Deutschland gelitten?

Es ist alles schwieriger, wenn man einem so grossen Druck von aussen ausgesetzt ist. Nicht weil nun viel Geld abgeflossen wäre, sondern weil ein Finanzplatz von seiner Reputation lebt. Es ist schon so, dass durch diese verleumderische Antipropaganda ein gefälschtes Pauschalbild vermittelt wurde. Das schadet enorm.

  • Zum zweiten Teil: Prinz Michael von Liechtenstein über die Chancen, die das Bankgeheimnis noch hat, über die anstehende Segmentierung in der Bankbranche und die Fehler der Manager-Wirtschaft.

     


     

    Prinz Michael von Liechtenstein wurde 1951 geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität in Wien und promovierte zum Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft. Er arbeitete danach in den USA, Kanada und Belgien in verschiedenen Branchen. Unter anderem war er auch in leitender Stellung für den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé tätig, und zwar von 1978 bis 1987, wo er mit Finanzaufgaben betraut war.

    1987 kehrte er ins Fürstentum Liechtenstein zurück, wo er das Präsidium des «Industrie- und Finanzkontor» übernahm. Dabei handelt es sich um Finanzinstitut mit rund 60 Beschäftigten, das auf Stiftungen und Trusts für vermögende Privatkunden und Familien spezialisiert ist.

    Prinz Michael engagiert sich darüber hinaus auch für den klassisch liberalen Think-Tank European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF), den er selber präsidiert. Prinz Michael lebt heute in Vaduz, er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Er ist ein Cousin des amtierenden Fürsten Hans-Adam von und zu Liechtenstein. Die Grossväter der beiden waren Brüder.

  • War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
    War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
    • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
      26.14%
    • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
      18.69%
    • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
      28.35%
    • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
      9.46%
    • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
      17.37%
    pixel