Prinz Michael von Liechtenstein über die Chancen, die das Bankgeheimnis noch hat, über die anstehende Segmentierung in der Bankbranche und die Fehler der Manager-Wirtschaft.

Wie positioniert sich der Finanzplatz Liechtenstein nach der Affäre um die entwendeten Kundendaten und der Finanzkrise?

Als privater Unternehmer kann ich kein gültiges Statement für das offizielle Liechtenstein abgeben. Aber ich glaube, dass Liechtenstein publizistisch klar machen muss, was wir hier machen. Es ist ja nichts Obskures. Wir sind sicher einer der saubersten Finanzplätze auf der Welt. Es ist kein kriminelles Geld da. Wir müssen auch vermehrt über die Funktion des Vertrauensschutzes und des Persönlichkeitsschutzes reden. Auch das ist nichts Obskures oder Kriminelles, sondern ein berechtigter Anspruch.

Kein kriminelles Geld? Das sieht etwa die deutsche Regierung anders.

Sicher, es wird so vorgegeben. Aber konkret sind wir – wie die Schweiz – in den Geldwäscherei-Bekämpfungsrichtlinien der FATF weltweit führend. Ja, ich weiss, es wird immer wieder das Gegenteil behauptet. Aber das ist ganz einfach gezielte Propaganda.

Wie erklären Sie sich diese Haltung?

Es geht hier eigentlich um das Bankgeheimnis.

Und warum braucht es ein Bankgeheimnis?

Eigentlich sollten sich die Bürger der  USA, von Frankreich oder Deutschland diese Frage stellen und sich gleichzeitig um ihre Freiheit sorgen. Den Regierungen dieser Länder geht es letztlich ja um die Kontrolle der eigenen Bürger. Dabei zeigt sich ein tiefes Misstrauen zwischen Regierenden und Regierten. Wollen Sie, dass ein Dritter Ihren Kontostand kennt? Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch ein Recht auf Privatsphäre hat. Und dazu gehört auch seine finanzielle Situation. Daher sollte das Bankgeheimnis eine Selbstverständlichkeit sein.

Deutschland fordert allerdings, dass man möglichst alles offen legt, den «gläsernen Bürger» schafft.

Diese Forderung ist absolut bedenklich. Wieviel Freiheit bleibt den Bürgern dort?

Trotzdem dürfte es zunehmend schwierig werden, das Bankgeheimnis zu bewahren, wenn der Druck aus den USA und der EU weiter zunimmt.

Der politische Druck auf das Bankgeheimnis ist bereits enorm.

Geht der Druck nicht so lange weiter, bis das Bankgeheimnis vollständig aufgehoben wird?

Das ist nicht auszuschliessen. Ich hoffe zwar, dass doch irgendwann eine gewisse Liberalität und Vernunft bei der G-20-Gruppe eintritt, und sie dann sagt: «Jetzt haben wir das und das erreicht, und das sollte reichen». Aber ich kann nicht ausschliessen, dass der Druck weiter geht.

Welchen langfristigen Folgen wird die Finanzkrise auf die Bankenwelt haben?

Die Geldmenge im Umlauf geht zurück. Dadurch wird die Finanzbranche schrumpfen. Langfristig wird es besser sein, kleinere und spezialisiertere Banken zu haben. So wird es auch weniger Institutionen geben, von denen man früher sagte «too big to fail» und nun «too big to save», weil sie gerade bei kleineren Staaten den Rahmen der Volkswirtschaft sprengen. Deswegen könnte es durchaus zu einer stärkeren Segmentierung kommen.

Ist die Finanzkrise nicht das Resultat einer allzu liberalen Wirtschaftsordnung?

Die Ordnung war bislang weit davon entfernt, liberal zu sein. Der Staat hatte eine starke Hand in der Finanzbranche, über direkte Beteiligungen, Ausgabe von Staatsanleihen, als Regulierer und auch über die Steuergesetze. Man sieht auch in vielen Ländern, dass es nicht einfach ist, ein Unternehmen zu gründen. Wir hatten nirgends eine allzu liberale Gesellschaftsordnung. Bei der Frage, ob der Kapitalismus nun tot ist, behaupte ich, dass wir eher einen manager- und finanzgesteuerten Kapitalismus hatten, als eine unternehmergesteuerte Marktwirtschaft, was besser gewesen wäre.

Was war das Problem dieser Manager-Wirtschaft?

Im Zentrum standen Käufe und Verkäufe, also die schiere Spekulation, die durch die immer höheren Bewertungen begünstigt wurde. Das unternehmerische Wirtschaften geriet dadurch immer mehr in eine Nebenrolle. Allgemein hat ein Unternehmer – es gibt auch Ausnahmen – eine längere Perspektive als ein Manager, und er ist auch weniger an kurzfristiger Gewinnoptimierung als an den langfristigen Erfolg gebunden. Für einen Unternehmer ist auch die Frage, bin ich nun der Grösste, nicht so wichtig wie für einen Manager.

Welche Wege es aus dieser Finanzkrise sehen Sie?

Das Finanzsystem ist heute so wichtig, dass es ohne Zweifel Regulierungen braucht. Effiziente Regulierungen. Nun ist es aber so, dass das Finanzsystem verglichen mit anderen Industrien bereits am stärksten reguliert war und noch immer ist. Durch noch mehr Regulierung löst sich kein Problem eher. Man kann auch den Staatseinfluss als ein Sicherheitsnetz wie bei einem Seiltänzer sehen, und wenn wir jetzt das Sicherheitsnetz weiter ausbauen, obschon der Kerl schon runter gefallen ist, macht das keinen Sinn. Wir verhindern dann eher, dass er mit entsprechender Vorsicht wieder auf das Seil steigt. Ich möchte mich nicht gegen Regulierungen aussprechen, aber ich glaube nicht, dass wenn man jetzt stärker reguliert, daraus etwas wird. Anstatt zuviel Regulierung sollte man darauf achten, dass im Finanzsystem wieder mehr unternehmergesteuerte und kleinere Einheiten aktiv sind und dadurch auch Interessenskonflikte vermieden werden.

Sind Sie zuversichtlich, dass die Akteure etwas lernen aus dieser Krise?

Ich glaube schon. Die Krise ändert vieles. Ich sehe eher Gefahr, dass durch die erfolgte Verstaatlichung des Finanzsystem in manchen Ländern das freie Unternehmertum behindert wird. Denn ein verstaatlichtes Finanzsystem ist viel schwerfälliger. Dadurch dauert es länger, bis der Aufschwung  kommt.


 

Prinz Michael von Liechtenstein wurde 1951 geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität in Wien und promovierte zum Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft. Er arbeitete danach in den USA, Kanada und Belgien in verschiedenen Branchen. Unter anderem war er auch in leitender Stellung für den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé tätig, und zwar von 1978 bis 1987, wo er mit Finanzaufgaben betraut war.

1987 kehrte er ins Fürstentum Liechtenstein zurück, wo er das Präsidium des «Industrie- und Finanzkontor» übernahm. Dabei handelt es sich um Finanzinstitut mit rund 60 Beschäftigten, das auf Stiftungen und Trusts für vermögende Privatkunden und Familien spezialisiert ist.

Prinz Michael engagiert sich darüber hinaus auch für den klassisch liberalen Think-Tank European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF), den er selber präsidiert. Prinz Michael lebt heute in Vaduz, er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Er ist ein Cousin des amtierenden Fürsten Hans-Adam von und zu Liechtenstein. Die Grossväter der beiden waren Brüder.



 

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