Die Freude am Bestrafen sei in der Schweizer Politik nicht nur eine alte Tradition, sondern habe geradezu Hochkonjunktur, findet Christoph Winzeler von der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Christoph Winzeler 119x178Christoph Winzeler ist Leiter Finanzmarktrecht bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Fällt einer Politikerin oder einem Politiker für ein Problem keine Lösung ein, ist schnell das Verbot zur Hand. Vom Absinth und den Jesuiten bis zu den Spielkasinos und Minaretten wurde in der Schweizer Geschichte schon allerhand verboten, teilweise mit begrenztem Erfolg und jüngst auch im Wirtschaftsrecht. Solche Verbote haben oft durchaus ein Problem als Ursprung, können es aber meist nicht lösen.

Wer statt Rechtsnormen Slogans der Empörung in die Verfassung schreibt, darf sich nicht wundern, wenn diese ihr Ziel nicht erreichen. Also setzt man noch eins drauf mit Strafdrohungen und schreibt sie statt ins Strafgesetzbuch, wo sie eigentlich hingehörten, in die Verfassung.

Beispiel 1 (Initiative Minder): Eine verbotene Abgangsentschädigung ist nicht nur zurückzufordern – nach Zivilrecht ohne weiteres möglich –, nein, es muss noch jemand ins Gefängnis, wobei die Verfassung allerdings nicht sagt, wer: der entlassene Chef oder der zustimmende Verwaltungsrat. So musste der Bundesrat die nötige Präzisierung auf Verordnungsstufe nachliefern: Strafbar sind beide.

Sorgfalt ist, nebenbei, nicht ein hervorstechendes Merkmal dieser Art von Gesetzgebung.

Das Strafrecht wäre – habe ich als Student gelernt – dazu da, die gröbsten Verfehlungen der Menschheit zu sanktionieren (zum Beispiel Mord, Gewalttätigkeit, Betrug oder Diebstahl). Heute füge ich bei: Es darf nicht missbraucht werden, um schlecht gemachte, wirkungslose Gesetze aufzumöbeln, ohne sie dadurch zu verbessern.

Zurück zu einer Gesetzgebung mit Augenmass

Weniger wäre manchmal mehr, wie ich am Beispiel des Finanzmarktrechts aufzeigen möchte. Wird in einer Bank Misswirtschaft getrieben, sorgt die Finma gestützt auf den Gewährsartikel für Ordnung und kann fehlbare Manager mit einem Berufsverbot bestrafen.

Der persönliche Reputationsverlust wirkt dann schmerzhafter als jedes Strafurteil. Zusätzlich steht – auf entsprechende Klage – der Zivilrichter bereit, finanziell das Nötige anzuordnen. Den Strafrichter braucht es für solche Fälle nicht.

Beispiel 2 (BVG-Strukturreform): Seit einem Bundesgerichtsurteil von 2012 weiss man spätestens in jeder Bank, dass gewisse Vergütungen Dritter (Retrozessionen) offenzulegen und, wenn nichts Gegenteiliges vereinbart wurde, dem Kunden abzuliefern sind.

Wo entsprechende Klarheit besteht und sich eine Bank trotzdem nicht danach richtet, steht der Zivilrichter bereit. Weshalb der Gesetzgeber dafür noch zusätzlich einen Straftatbestand einführen musste – gegenüber den Pensionskassen, die als institutionelle Anleger diesen Beistand kaum nötig hätten –, bleibt mir ein Rätsel.

Die Banken und ihre Geschäftsmodelle sind im Wandel; der Beitrag des Strafrichters zu diesem Wandel steht vorerst in den Sternen.

Bitte durchsetzbare Verhaltensregeln

Strafdrohungen rechtfertigen sich nur, wo es sich um schwere Verfehlungen handelt und nicht schon die Finma über die nötigen Mittel zum Eingreifen verfügt. So ist es zum Beispiel übertrieben, im geplanten Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) die Verletzung einfacher Meldepflichten unter Strafe zu stellen, erst recht bei blosser Fahrlässigkeit.

Für das ebenfalls geplante Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) wünschte ich mir schlanke, durchsetzbare Verhaltensregeln und ein Auge der Fimna auf sämtliche Finanzdienstleister, auch die bisher unregulierten Vermögensverwalter.

Den Strafrichter braucht es hier nicht; auch er sollte sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren dürfen.