Die ersten sechs Monate im laufenden Jahr sind praktisch um. Der Schweizer Finanzplatz steckt im Totalumbau. Das waren die zehn entscheidenden Ereignisse.

(Bild: Bank Concepts © Shutterstock)

1. Die Schweiz ist resistenter als gedacht

So hart die Schuldanerkennung der Credit Suisse (CS) und die Busse von 2,5 Milliarden Franken wegen ihrer Steuervergehen in den USA auch scheint. Der Fall hat auch seine positive Seite: Die Schweiz ist auf Druck von aussen nicht mehr eingeknickt. Die CS händigte gerade mal 238 Kundendossiers an die USA aus, mit denen die Steuerbehörde aber nicht viel anfangen kann, da die meisten dieser Kunden offenbar verstorben sind.

Bei der UBS hatte die Schweiz noch klein beigegeben und via Notrecht 4'450 Kundendossiers ausgeliefert. Die Verhandlungsposition der Schweizer Banken in der Kategorie 1, die ihre Deals mit den US-Behörden noch aushandeln müssen, ist durch den Fall Credit Suisse eher besser geworden.

2. Vontobel macht's alleine

Acht Jahre verlief die Partnerschaft mit der Raiffeisen-Gruppe reibungslos, im neunten Jahr gab es Streit, und im zehnten Jahr wurde die Trennung angekündigt. Raiffeisen baut seine eigene Abwicklungsplattform – und viel mehr als dies: Eine neue Universalbankengrösse soll in der Schweiz entstehen mit der Privatbank Notenstein, der Asset-Management-Gruppe TCMG und dem Derivate-Spezialisten Leonteq.

Und die kleine Vontobel? Bleibt auf sich allein gestellt. Akquisitionen sind offenbar kein Thema mehr, sonst hätte die Zürcher Bank vielleicht auch bei Morgan Stanley oder HSBC zugelangt. Sie wagt offenbar den Alleingang als Privatbank, als Asset Manager, als Investmentbank und nicht zuletzt als Derivate-Spezialistin (vgl. auch Punkt 9).

3. Und die UBS ist wieder die Grösste

Und diese Aussage bezieht sich nicht auf ihre Bilanzsumme, die seit 2008 massiv geschrumpft ist. Nein, ihren Rückzug aus dem riskanten Investmentbanking hat sie mit dem Wachstum im Wealth Management mehr als gut kompensiert. Die UBS ist mittlerweile wieder der grösste Wealth Manager geworden – dank resoluterem Wachstum als die Bank of America und Morgan Stanley, die 2012 bezüglich verwalteter Vermögen noch vor der UBS lagen.

Der Spitzenplatz ist eine Bestätigung für den Imagewandel, den die UBS unter CEO Sergio Ermotti vollzogen hat. Die grösste Schweizer Bank wird global wieder als das wahrgenommen, was sie seit ihrem Entstehen (1998) immer sein wollte: eine Top-Vermögensverwalterin.

4. Die Konsolidierung findet statt

Hunderte von Milliarden Franken in der Schweiz suchen eine neue Heimat. Seit das Offshore-Banking so viel restriktiver geworden ist, müssen sich Banken und Vermögensverwalter in der Schweiz auf das Wenige konzentrieren, was sie wirklich können. Die Folge: Banken stossen ganze Markt- und Kundensegmente ab, Vermögensverwalter suchen Partner oder stehen zum Verkauf.

Prominentestes Beispiel: Valartis, die von der Genfer Banque Cramer & Cie aufgekauft wird. Hinter den Kulissen werden mit Hilfe spezialisierter Plattformen wie «Catch» von Millenium Associates Kundenassets angeboten und transferiert. Und Notenstein leistet Vermittlungshilfe für unabhängige Vermögensverwalter, welche auf Partnersuche oder an Zukäufen interessiert sind (vgl. auch Punkt 7).

5. Banken werden wirklich retrozessionsfrei

Nach dem Bundesgerichtsentscheid gab es Bekenntnisse – doch 2014 haben manche Banken auch Taten folgen lassen. Sie nehmen keine Provisionen mehr für den Verkauf von Produkten von Drittanbietern, zahlen diese dem Kunden aus oder verzichten ganz auf solche Produkte. Die Aargauische Kantonalbank ging mit Anfang 2014 mit guten Beispiel voran, inzwischen tun es die Schwyzer Kantonalbank, Bank Coop und Bank Linth nach. Sie führen per 1. Juli neue Gebührenstrukturen ein.

Und was bringt's? Der Trend ist tatsächlich ein Dienst am Kunden, der mehr Transparenz erhält. Und der Trend wird sich durchsetzen. Dafür sorgen Kunden selber, die ihr Recht auf die Rückzahlung vermehrt auch rechtlich einfordern.

6. Auslandsbanken Adieu:

Ende April kam es zu einer vielsagenden Transaktion: Der US-Finanzgigant Morgan Stanley veräusserte sein Schweizer Vermögensverwaltungsgeschäft der J.-Safra-Sarasin-Gruppe. Damit verabschiedete sich ein renommiertes Unternehmen vom Schweizer Finanzplatz, das bis vor kurzem noch ehrgeizige Wachstumspläne gehegt hatte.

Doch die Zeiten haben sich geändert, und plötzlich lohnt sich selbst im Private Banking ein Standort in der Schweiz für manche Global Players nicht mehr. Das muss zu denken geben. Stattdessen baut Morgan Stanley seine Wealth-Management-Kapazitäten in Singapur auf. Es wird spannend zu sehen, wie die Schweiz auf diese «tektonische Verschiebung» reagiert – falls überhaupt.

7. Win-Win-Konsolidierung?

Ein Paradebeispiel für den neuen Pragmatismus im Swiss Private Banking ist der Asset-Deal zwischen der HSBC Private Bank und der LGT-Gruppe. Die Fürstenbank (LGT) übernimmt HSBC-Kunden-Portfolios im Wert von 10 Milliarden Franken mitsamt 70 Beratern. Das Geld soll offenbar akribisch geprüft worden sein, damit sich die Bank keine «neuen» Altlasten aufbürdet.

Umgekehrt kann sich die HSBC Private Bank angeblich von Assets trennen, die aus Ländern stammen, die nicht länger eine Priorität in den Wachstumsplänen der Bank haben. Mit anderen Worten: Eine Win-Win-Situation für beide Akteure auf dem hiesigen Finanzplatz?

8. Back to the roots

Es gab Zeiten, da schienen die Kantonalbanken ihre Herkunftsbezeichnung schlicht vergessen zu haben. Sie finanzierten Hochseeschiffe, expandierten in Fernost, liessen sich auf hoch spekulative Anlagesellschaften ein und gingen in Konkurrenz zu den Global Players im Wealth Management. Eigentlich peinlich.

Das alles ist nun passé, wie es allen voran die einst so ambitiöse Basler Kantonalbank in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres offenbart hat: Nach ihren fatalen Kapriolen mit unversteuerten US-Kunden und anderen unrentablen Gehversuchen im Private Banking besinnt sie sich nun auf ihren lokalen Markt, gibt sich geläutert und will im Kleinen nun alles besser machen. Eine Blaupause für andere Staatsinstitute?

9. Plattformen der Zukunft

Wenn sich der Schweizer Finanzplatz nicht länger bloss als Private-Banking-Zentrum profilieren kann, müssen andere Kompetenzen her. Bislang unter dem Radar durch ging das ganze Geschäft mit Strukturierten Produkten. Dabei verfügt die Schweiz über einige Akteure mit grösster Expertise auf diesem Gebiet: Allen voran die Bank Vontobel, die in diesem Frühjahr einen Quantensprung vollziehen konnte.

Nach Morgan Stanley, Société Générale und Deutsche Bank vertreibt nun auch die UBS ihre Strukturierten Produkte über die so genannte Multi-Issuer-Platform von Vontobel. Damit baut das Unternehmen so etwas wie einen Know-how-Pool auf, mit dem sich künftig auch in aufstrebenden Märkten wie Singapur und Hongkong einiges verdienen lässt. Auch die Firma Lenoteq ist in diesem Geschäft aktiv und hat seine Fühler in Richtung Fernost ausgestreckt.

10. People's Business bei Julius Bär

Kaum eine andere Bank hat im ersten Halbjahr 2014 vermutlich so viele hochkarätige Personen an Bord geholt wie Julius Bär. Unter dem enigmatischen CEO Boris F.C. Collardi dient nun beispielsweise der Investment-Star Burkhard Varnholt, der, von Sarasin kommend, gleich noch seinen Think-Tank W.I.R.E. mit-integrieren konnte.

Für Aufsehen sorgte auch das Engagement von Pascal Gentinetta, zuvor Geschäftsführer bei der Economiesuisse, wo er nach der Abstimmungsschlappe mit der «Abzocker-Initiative» von seinem Posten als Direktor der Schweizer Wirtschaftslobby zurückgetreten war.

Und wie diese Woche nun bekannt wurde, verstärkt ab Anfang Juli der frühere Credit-Suisse-Top-Manager Paul Arni die Bank Julius Bär. Für ihn hat man eigens den Posten eines Market Head Zurich geschaffen, wo er die Schlüsselkunden im Epizentrum der wichtigsten Schweizer Finanzmetropole betreuen wird.

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