Der Rohstoffexperte Markus W. Amstutz schätzt den Goldpreis per Ende 2014 auf 50 Cent genau. Im Interview verrät er zudem, was es für eine neue Gold-Hausse braucht. 


Herr Amstutz, die Krise zwischen dem Westen und Russland spitzt sich weiter zu. Ist Gold der Krisenprofiteur?

Nur bedingt. Meistens funktionieren die Märkte nach dem Motto: «Buy the rumor – sell the fact», was die Preisbewegungen in den letzten Monaten zeigten. Somit hat der Goldpreis schon etwas zugelegt, doch der grosse Run blieb aus.

Erstaunlich, nicht?

Früher, als noch die «alte Garde» der Gold-Trader am Markt aktiv war, da bewegte sich der Preis von Gold in Zeiten von Krisen schon etwas anders als heute. Da war das gelbe Edelmetall, nebst dem Schweizer Franken, der «Safe Haven».

Gold hat sowohl im laufenden Jahr als auch in den vergangenen Wochen nachhaltig an Wert gewonnen. Ist dieser Trend fundamental begründet, oder sind das bloss letzte Zuckungen in einer grösseren Talfahrt?

Seit Dezember 2012 befindet sich das Gold in einem noch anhaltenden Abwärts-Trend, was der langfristige, über 50 Wochen gleitende Durchschnitt eindrücklich aufzeigt. Doch es zeichnen sich erste Erholungen ab, was sich in der technischen Analyse und den jüngsten Preisbewegungen widerspiegelt.


«Es kommt auf die Realzinsen an»


Seit dem Tief von 1'180 Dollar je Unze im Dezember 2013 hat sich der Preis bereits um gut 11 Prozent verbessert. Somit sprechen wir von einer technischen Erholung. Ich glaube nicht, dass wir vor einer grösseren Talfahrt stehen, weil auch die Produzenten (Goldminen) an einem hohen Goldpreis interessiert sind.

Warum?

Weil sich die Produktionskosten von einer Unze Gold weltweit bei durchschnittlich 1'200 Dollar pro Unze befinden, wobei Barrick Gold relativ tiefe Produktionskosten zwischen 900 und 975 Dollar je Unze ausweist. Aber viele Minen – vor allem kleinere und neu erschlossene – haben deutlich höhere Produktionskosten und stehen deshalb unter einem enormen Kostendruck.

In welchem Verhältnis steht Gold zur Zinsentwicklung?

Nicht die Zinsen an sich sind von Bedeutung, sondern die Realzinsen, also die Differenz zwischen Zins und der jährlichen Teuerung, gemessen an den Konsumentenpreisen. Solange die Realzinsen nicht steigen, besteht die Nachfrage nach Gold.

Die Börsianer gehen davon aus, dass die Zinsen im nächsten Jahr erstmals seit langem wieder steigen werden. Würde dies definitiv das Ende einer Gold-Hausse bedeuten?

Nicht unbedingt. Ich beobachte diese Zusammenhänge seit langem und habe festgestellt, dass sich «tief im Markt» etwas verändert hat, was sich an den Preisbewegungen von Gold, Silber, Zinsen, Währungen und Aktienindices feststellen lässt.

Nämlich?

Nach meiner Interpretation koppeln sich gewisse Rohwarenmärkte von den bekannten Abhängigkeiten zu den «Financials» ab, was in Zukunft ein verstärktes «Eigenleben» von Gold und anderen Rohwaren bedeuten würde.


«Die grossen physischen Käufe bleiben aus»


Kommt dazu, dass nebst den Zinsen und der physischen Nachfrage noch andere Faktoren einen Einfluss haben, wie politische sowie geldpolitische Entscheide, konjunkturelle Schwankungen, industrielle Veränderungen, um nur einige zu nennen.

Was könnte die Nachfrage nach Gold wieder ankurbeln?

Ich glaube, von einer verstärkten Nachfrage kann man noch nicht sprechen, weil aktuell die grossen physischen Käufe aus Asien ausbleiben und das Interesse an physisch hinterlegten Gold-Zertifikaten stark nachgelassen hat. China zum Beispiel hat in den vergangenen Monaten nur etwa 40 Tonnen Gold gekauft. Verglichen mit dem Vorjahr ist das eine Abnahme um mehr als 60 Prozent.

Auch die Zinsfrage lässt sich noch nicht beantworten, da beim zu erwartenden Tapering der US-Notenbank noch mit einigen, unerwarteten Marktbewegungen gerechnet werden muss.

Am Aktienmarkt sind mittlerweile viele Unternehmen hoch bewertet. Könnte nicht die Angst vor einem Crash die Anleger zum Gold zurückführen?

Um eine neue, verstärkte Gold-Nachfrage auszulösen, müssten zunächst die Anleger ihre Gewinne an den Märkten realisieren. Pessimistische US-Analysten erwarten, dass aus diesem Grund die Kurse in diesem Jahr noch um 18 Prozent bis 23 Prozent einbrechen werden.


«Von Goldminen-Aktien rate ich ab»


Würde dann noch die physische Nachfrage zunehmen, und gleichzeitig die ganz grossen Marktteilnehmer (Institutionelle, Hedge Funds) neue Long-Positionen eingehen, dann könnte man von einer neuen Gold-Nachfrage sprechen. Aber davon sind wir weit entfernt.

Ist Gold eine ernstzunehmende Anlageklasse, oder war es in den vergangenen 15 Jahren bloss eine Modeerscheinung?

Gold ist und bleibt eine der besten und beliebtesten Anlageklassen bei institutionellen wie auch bei privaten Investoren – Modeerscheinung hin oder her. Aus meiner Sicht ist wichtig, welche Absicht ein Anleger hat. Für den einen ist Gold mehr eine Zugabe im Portfolio zur Diversifikation, und für den anderen stehen die Mechanismen der Absicherung gegen einen Preiszerfall im Vordergrund.

Wie soll man in Gold investieren – physisch, über ETF oder via Goldminenaktien?

Nur physisch oder mittels Gold-Futures. Strukturierte Produkte auf Gold, wie zum Beispiel Long-Only-Zertifikate unterliegen dem Risiko der Rollverluste und sind nur bei steigenden Märkten profitabel. Von einem Direktengagement in Goldminen-Aktien rate ich ab.

Warum?

Zur Erklärung gebe ich Ihnen dazu ein Beispiel: Kann eine Minengesellschaft wegen Stromausfall kein Gold mehr abbauen, fällt der Wert ihrer Aktien an der Börse. Gleichzeitig steigt aber wegen der einbrechenden Angebotsmenge der Preis von Gold an den Rohstoffmärkten. Deshalb sind Direktanlagen (physisch oder Futures) den Goldminenaktien in allen Punkten deutlich überlegen.

Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2014?

Bei 1'484.50 Dollar pro Unze.

Ihre Schätzung kommt erstaunlich präzis daher...

Lassen Sie mich das erklären. Aus Sicht der technischen Analyse ist Gold seit Juni 2013 in einer Seitwärtsbewegung gefangen, was sich in einer Handelsspanne von 1'240 Dollar bis 1'346 Dollar manifestiert. Die Unterstützungsmarke liegt bei 1'180 Dollar pro Unze, die bereits zweimal eine weitere Preiserosion verhindert hat.


«Wir haben die Benchmark massiv übertroffen»


Die aktuelle Seitwärtsbewegung, die sich in ein «Bullisches Dreieck» entwickelt, befindet sich vor einem Ausbruch nach oben. Obwohl die physische Nachfrage vorhanden ist (Schmuckindustrie, Zentralbanken), und die fundamentalen Daten eher auf einen ansteigenden Goldpreis hinweisen, müssen aber zuerst einige starke Widerstände bei 1'350 Dollar und 1'390 sowie bei 1'430 geknackt werden.

Dann wird alles gut?

Sagen wir es so: Eine Strategie sollte momentan sowohl positive wie negative Marktentwicklungen ausnützen. Denn sollte die Preisbewegung nach oben früher zu Ende gehen als erwartet, wären diejenigen Anleger gut bedient, die sich auch auf der Short-Seite engagiert haben. Deshalb wählen erfolgreiche Investoren ein Anlageprodukt, das bei steigenden und fallenden Goldpreisen reüssieren und auch deren Portfolio absichern kann.

Ihre Firma Future Trade wurde unlängst vom «Wealth & Finance Magazine» mit dem Alternative Investment Award 2014 sowie und von «Acquisition International» mit dem 2014 Offshore Excellence Award ausgezeichnet. Warum haben Sie diese Preise gewonnen?

In Anerkennung unserer hervorragenden Leistungen als Commodity Trading Advisor im Sektor Rohstoffe. Dank unserer umsichtigen Arbeitsweise erreichten wir seit Januar 2010 eine positive Performance von 40,98 Prozent und konnten somit unsere Benchmark (Thomson Reuters/CoreCommodity CRB Index), die gerade mal 3,9 Prozent erzielte, massiv übertreffen.

Was bringt eine solche Auszeichnung im Daily Business?

Generell sind solche Auszeichnungen keine Garantie, dass uns die Investoren jetzt die Bude einrennen. Vielmehr bestätigen sie eine nachhaltige Arbeitsweise. Auf der anderen Seite beweisen solche Auszeichnungen, dass wir als Schweizer Unternehmen im internationalen Vergleich absolut konkurrenzfähig sind. Somit können solche Awards auch Türöffner zu neuen Kunden sein.


Markus Amstutz 200Markus W. Amstutz ist Mitgründer und Geschäftsführer der in Zürich ansässigen Firma Future Trade. Das im April 2006 gegründete Unternehmen ist auf den Handel mit Rohstoff-Derivaten spezialisiert. Future Trade ist in den USA als CTA Commodity Trading Advisor und als CPO Commodity Pool Operator bei der Commodity Futures and Trading Commission (CFTC) registriert.

Das Unternehmen berät institutionelle und private Anleger in sämtlichen Fragen rund um ein Engagement in den Märkten für Rohstoffderivate und investiert selber in Terminkontrakte und in Financial Futures.