Für den Basler Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser sind die Attacken gegen den Finanzplatz Schweiz ein reines Machtspiel.

  • Herr Ganser, worauf stützt sich Ihre These, dass die Attacken gegen den Finanzplatz Schweiz einen rein wirtschaftlichen Hintergrund haben?

GanserIn der Wirtschaftsgeschichte wurden schon oft ethische Argumente vorgeschoben, um finanzielle und strategische Interessen zu verschleiern. Gegenwärtig argumentiert die US-Steuerbehörde IRS gegenüber der UBS und der Schweiz, Steuerhinterziehung sei unethisch, weil dadurch der verschuldeten US-Regierung Geld entzogen werde, das diese gerade in der Finanzkrise zur Ankurbelung der Wirtschaft dringend benötige.

Natürlich ist es unethisch, Steuern zu hinterziehen. Aber darum geht es gar nicht. Denn es ist ethisch auch nicht richtig ein Land unter falschen Vorwänden zu bombardieren und zu besetzen, wie es die USA und Grossbritannien mit dem Irak gemacht haben, gemäss UNO Charta ist dies ein schweres Kriegsverbrechen. Trotzdem ist es der US-Regierung gelungen im Steuerstreit ein Gefälle zwischen «guten» und «bösen» Ländern und Firmen herzustellen.

«Bradley Birkenfeld machte den Sack zu»

  • Worum geht es denn wirklich?

Im Kern geht es meiner Meinung nach um den Kampf von Finanzplätzen und den Anteil an verwalteten Geldern. Die Wall Street oder auch London würden gerne einen Teil des Geldes verwalten, das in der Schweiz liegt, raffinierte technische Produkte, um das verwaltete Geld vor dem Fiskus zu verstecken, gibt es auch dort genügend, von einer globalen finanziellen Transparenz kann nicht die Rede sein.

Dieser Kampf wird mit juristischen und ethischen Argumenten geführt. Nachdem Bradley Birkenfeld im Juni 2008 in den USA vor Gericht gestanden hatte, er habe für die UBS gearbeitet und dem UBS-Kunden Igor Olenicoff geholfen Steuern zu hinterziehen, war der Sack zu: Die IRS und die US-Regierung übernahmen sofort die Rolle der Guten und erklärten, sie wollten ja nur die geschuldeten Steuern eintreiben und die Wirtschaft stärken, während der UBS und ihren Kunden und teilweise gar der ganzen Schweiz pauschal die Rolle der Steuersünder, also der Bösen zugeschoben wurde.

Die UBS stand mit dem Rücken zur Wand. Mit dem moralischen Hebel und dem Geständnis von Birkenfeld zerbrach die USA das Schweizer Bankkundengeheimnis und Kundendaten wurden verraten. Mit Ethik und Transparenz hat dies nicht viel zu tun, aber viel mit Macht.

  • Fehlt den USA denn das Steuergeld wirklich?

Ja und Nein. Ja, weil die US-Regierung natürlich wirklich stark verschuldet ist. Nein, weil die Notenbank FED Dollars gratis drucken kann, und zwar, wie Professor Walter Wittmann kürzlich richtig sagte, wie die Firma Hackle Klopapier. Dies wird viel zu wenig diskutiert in der gegenwärtigen Finanzkrise. Denn die Dollars müssen ja seit Beginn der 1970er Jahre nicht mehr mit Gold gedeckt werden, was viel dazu beigetragen hat, dass die totale Dollarmenge M3 seither unglaublich stark zugenommen hat – was zum Kursfeuerwerk an den Börsen viel beitrug.

Die Machtkonstellationen offen ansprechen!

  • Gibt es Parallelen aus der Wirtschaftsgeschichte?

Es gibt natürlich Beispiele, wo auch Transparenz gefordert wurde, aber überhaupt nichts geschah, und zwar nicht aus ethischen Gründen, sondern wegen der Machtkonstellation. Das bekannteste Beispiel sind die Insidergeschäfte vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Wenige wissen, dass in der Woche vor dem 11. September von unbekannter Seite eine grosse Menge Put Optionen auf American Airlines und United Airlines gekauft wurden, also eine Wette auf fallende Kurse genau jener Fluggesellschaften, deren Flugzeuge in die Türme rasten und deren Kurse danach tatsächlich stark einbrachen.

Die offizielle Untersuchung der Anschläge, der 9/11 Commission Report aus dem Jahre 2004, bestätigt den Handel mit Put Optionen mit Verweis auf Nachforschungen von FBI und SEC, sagt aber, es habe keine Verbindungen zu Al Qaida gegeben. Auf andere Gesellschaften der Branche wie Lufthansa oder Singapore Airlines wurden keine ähnlichen Wetten abgeschlossen, wie Professor Marc Chesney vom Swiss Banking Institut der Universität Zürich fand. Auch das Put Call Ratio war dahingehend signifikant, dass viel mehr Puts als Calls gekauft worden waren. 9/11 war also ein Millionengeschäft, nur wissen wir nicht für wen. Denn das FBI und die SEC haben bis heute die Personen nicht gekannt, welche die Put Optionen damals kauften. Natürlich wäre es interessant hier mehr Transparenz zu haben.

  • Welche Taktik empfiehlt der Friedensforscher, was der Staatsbürger dem Opfer? Taktisch und strategisch.

Bei der Taktik, also den eher kurzfristigen Abläufen und Reaktionen, empfehle ich die juristische Auseinandersetzung auf der Basis der Gesetze, wie sie ja auch abläuft. Für die strategische, also langfristige Perspektive, denke ich, dass wir uns in der Schweiz immer wieder auch an die Wirtschaftsgeschichte erinnern sollten. Hier können Historiker zeigen, dass oft Ethik vorgeschoben wird um Macht zu kaschieren. Indem man die Machtkonstellation offen anspricht verliert dieser Trick einen Teil seiner Wirkung.

Zur Person: Dr. Daniele Ganser, Jahrgang 1972, ist Historiker und Friedensforscher an der Universität Basel. Seine Forschungsschwerpunkte sind internationale Politik- und Wirtschaftsgeschichte seit 1945. Er ist gefragter Referent in der Privatindustrie. Dieses Interview führte finews.ch im Anschluss an einen Vortrag  an einem Anlass der kotierten Beteiligungsgesellschaft New Value im Hotel Widder in Zürich. www.danieleganser.ch

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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