Olivia Bosshart war eine begeisterte Bankerin bis sie eines Tages genug hatte. Offenbar war sie zu wenig «geldgierig». Seither veranstaltet sie Podiumsdiskussionen, auch mit Leuten aus der Finanzbranche.


Frau Bosshart, was hat Sie dazu motiviert, nach Ihrem Wirtschaftsstudium in St. Gallen ausgerechnet bei einer Bank anzuheuern?

An der Finanzbranche reizte mich Ende der neunziger Jahre vor allem die Entwicklung im Internet-Bereich. Die New Economy war aus Bankensicht zunächst faszinierend mit all ihren neuen Ideen und Produkten, die es zu verstehen und bewerten galt.

Firmengründungen, -verkäufe und Börsengänge waren an der Tagesordnung. Dadurch gab es viele neue Anleger aber auch Investoren. Die Venture-Capital- und Private-Equity-Bereiche boomten. Es war allerdings beängstigend zu sehen, wie schnell der «irrational Überschwang» – um nicht zu sagen der Hochmut – um sich griff.

Sie haben sowohl für eine klassische US-Bank (Merrill Lynch) als auch bei einer Genfer Privatbank (Lombard Odier) gearbeitet. Wie unterschied sich die Kultur bei diesen beiden Häusern?

Merrill Lynch war seinerzeit in Zürich vor allem ein klassischer Broker. Die Entlöhnung erfolgte nach einem «Carry-Forward-System». Das heisst, der Monatslohn war eine Buchschuld beim Arbeitgeber, die man in Form von «Commissions» abverdiente – was natürlich zu Interessenkonflikten gegenüber den Kunden führte.


«Das gab Bauchschmerzen und schlaflose Nächte»


Das und die öffentlich ausgehängten «Weekly Rankings» waren eher Grundlage für Bauchschmerzen und schlaflose Nächte als für eine gesunde Motivation. Dafür bot Merrill Lynch mit einer Heerschaar von Finanzanalysten und dem Investmentbanking in den USA die Nähe zum spannenden Geschehen in der New Economy.

Die Arbeit danach bei einem Traditionshaus mit 200-jähriger Geschichte, seiner Ausstrahlung und Gediegenheit – ganz besonders in Genf – war dann eine Wohltat. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase war ich von dieser Schweizer Institution und der eindeutig weniger kurzfristig ausgerichteten Arbeitsweise der «Banquiers alter Schule» angetan – und wollte das auch für die Kunden.

Allerdings bleiben auch solche Häuser nicht vor Fusionen verschont – und von denen hatte ich bereits einige erlebt. Darum wollte ich nicht Teil einer weiteren werden.

Nach wie vor ist das Bankwesen eine von Männern dominierte Branche. War das ein Problem für Sie oder eher ein Vorteil?

Nach meiner Matura auf einem Gymnasium mit nur 10 Prozent Mädchen, dem Jobeinstieg in der Telekom-Branche und einem Hochschulstudium in St. Gallen war ich an die «Männerwelt» gewöhnt.


«Das geht beim Banken-Bashing oft vergessen»


Dass das bei Merrill Lynch und Lombard Odier ähnlich war, stellte daher kein Problem für mich dar – aber sicher auch keinen Vorteil. Ich frage mich allerdings, woran es liegt, dass sich bis heute wenig daran geändert hat.

Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Ihre Zeit im Bankwesen erinnert werden?

Zunächst, dass ich in beiden Häusern unglaublich viel gelernt habe. Im fachlichem Bereich, aber auch über kulturelle Unterschiede und Arbeitsweisen. Auf der menschlichen Seite fällt mir ein Ausspruch ein, von dem ich nicht mehr weiss, woher er stammt: «It's all about greed and fear!» – und zwar bei allen Beteiligten, nicht nur auf Bankenseite, was beim derzeiten Banken-Bashing oft vergessen geht.

Sie sind dann vollkommen aus diesem Business ausgestiegen. Was gab den Ausschlag dafür – schlaflose Nächte, Stress, berufliche Unzufriedenheit?

Ein bisschen von allem, wobei Stress am wenigsten der Grund war. Aus dem strategischen Marketing kommend fehlte mir die Vielfalt an Aufgabenstellungen und eine Abwechslung in den Fragestellungen. Ich empfand das Business als monothematisch und wollte ständig in Marketing- oder Strategie-Belange involviert werden, für die aber andere zuständig waren.


«Die Bankenwelt war mir zu hierarchisch»


Oder ich kam mit Ideen die ich unbedingt und sofort anpacken und umsetzten wollte. Doch die musste man erst beantragen, budgetieren und mit anderen Abteilungen abstimmen. Erst dann wurden sie allenfalls genehmigt. Und dabei zogen Wochen oder gar Monate ins Land. Aus heutiger Sicht war mir die Bankenwelt auch ein bisschen zu hierarchisch.

Seit fast zehn Jahren veranstalten Sie mit Ihrer Firma KION Podiumsdiskussionen, Vortrags- und Gesprächsrunden, Lesungen und Präsentationen – teilweise mehrere Anlässe in einer Woche. Was treibt Sie dazu an?

Es ist sicherlich die Freude daran, ständig neuen Fragestellungen nachzugehen und immer wieder andere Themen aufzugreifen – wobei ich versuche, zeitgeistrelevante Themen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu behandeln.

Es ist aber auch eine Art Wissensdurst, der nie aufhört. Mit jedem Anlass, Thema und Gesprächspartner lerne ich selber unglaublich viel – und erhalte dadurch laufenden neue Perspektiven. Es ist höchst motivierend, die Menschen über Themen und Inhalte anzusprechen und, wer weiss, vielleicht den einen oder anderen Denkanstoss zu geben.

Die Frage, die jedermann pardon jede Frau zu hören bekommt, wenn er respektive sie etwas «Mutiges» oder Unkonventionelles im Leben machen: Kann man davon leben?

Natürlich – die Frage ist eher: Wie man davon lebt, und was man glaubt, zu brauchen. Man lebt sicher anders und definiert manches neu. Für mich besteht heute der grösste Luxus darin, genau diese unkonventionelle Tätigkeit auszuüben. Und mir war damals (und ist manchmal immer noch) mulmig, ohne Auffangnetz und doppelten Boden die Stelle mit dem sicheren Monatslohn, dem Ferienanspruch und der Pensionskasse aufzugeben.


«Nächstes Thema: Die Zukunft des Geldes»


Aber es ist auch eine Frage der Prioritäten und zu wissen, was man will. Wenn mich heute Abend ein Thema begeistert, fange ich morgen früh damit an die Veranstaltung dazu zu planen. Zurzeit sind es «Die Zukunft des Geldes» am 28. Januar danach kommt «Freiheit und Verantwortung in der Wirtschaft». Im März steht auch das Thema «Oldtimer und klassische Automobile» auf dem Programm.

Sie haben bisher rund 300 eigene Anlässe organisiert und moderiert. Wo sehen Sie noch Perspektiven, Wachstum- und Ausbaumöglichkeiten – oder interessiert Sie das gar nicht?

Doch, klar interessiert mich das. Zum Beispiel würde ich gern mehr Formate ausprobieren, zu denen ich bislang wenig Gelegenheit hatte. Ganz- oder mehrtägige Formate wie Symposien und Konferenzen. Oder auch kleinere Formate wie Workshops als Fortsetzungen und thematische Vertiefung der Podiumsgespräche.

Reizvoll wäre es auch, Kooperationen mit Institutionen einzugehen, die komplementäre oder kontroverse Inhalte behandeln. Ich nehme auch immer wieder herausfordernde Moderationen zu Themen an, die ich nicht selbst organisieren kann.


«Ich war offenbar zu wenig geldgetrieben»


Auch eine räumliche Ausdehnung wäre interessant. Ein Grossteil meiner Adress-Datenbank ist auf den Grossraum Zürich ausgerichtet. Aber die ersten Anlässe in Luzern und Basel haben neue Perspektiven geöffnet.

Sie veranstalten auch Podiumsdiskussionen mit Bankmanagern. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie diese Leute – Ihre ehemaligen Berufskollegen – heute interviewen; bemitleiden Sie sie ein wenig?

Ein bisschen schon. Mit den scheinbar endlosen Markt-Turbulenzen und den immer weniger kalkulierbaren Geschehnissen zum Steuerthema ist der Beruf nicht einfacher geworden. Und in den vergangenen Jahren hat infolge immer neuer Vorschriften und Regulierungen der administrative, um nicht zu sagen bürokratische Teil der Tätigkeit Überhand genommen.

Die Bankbranche steht in der breiten Bevölkerung schlecht da. Woran hapert es? Was muss sich ändern?

Ich habe mal einen Job bei einer amerikanischen Bank nicht bekommen mit der Begründung: «The candidate is an idealist and not money-driven enough.» Ich hoffe, ich klinge jetzt weder weltfremd noch übertrieben idealistisch. Aber ich bin tatsächlich der Meinung, dass die Menschen, die in der Finanzbranche arbeiten, neben der Gewinnmaximierung, dem Profit und ihrem Bonus auch über Immaterielles nachdenken sollten.


«Es muss sich unbedingt etwas ändern»


Über den Sinn und die Inhalte, über persönliche Ethik und Integrität. Über «Value beyond Money». Ich habe zu diesem Thema schon zwei Anlässe gemacht – und ich darf sagen, es gibt ihn, diesen Wert jenseits des Geldes.

Es muss sich unbedingt etwas ändern, damit die Bevölkerung die Bankbranche nicht so oft im Zusammenhang mit Gesetzesüberschreitungen, Manipulationen, Skandalen und Rekord-Bussen wahrnimmt.

Neben wem würden Sie gerne an einem Abendessen sitzen, diskutieren und diese Person dann fragen, ob Sie bei einem Ihrer Anlässe mitmacht?

Nach allem, was ich vorher gesagt habe, mag das jetzt komisch klingen. Aber ich würde gerne einmal an einem Abendessen neben Warren Buffet sitzen und mit ihm über Investments und das Investieren als solches diskutieren, aber auch über seine Gedanken zur Besteuerung von sehr vermögenden Privatpersonen vor allem in den USA, über Erbschaftspolitik und seine Idee einer «Giving Pledge».

Und so würde ich ihn natürlich auch gerne fragen, ob er Lust habe, an einem KION-Anlass als Redner mitzumachen.


Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.36%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.86%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.33%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.65%
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