Die Einkommens-Ungleichheit in einem Land trübt langfristig dessen Wachstumschancen, da sowohl die Nachfrage als auch das Produktivitätspotential sinken. Lucy O'Carroll, Chefökonomin von Aberdeen Asset Management, warnt vor dieser Entwicklung.

Von Lucy O'Carroll, Chefökonomin für Investments Solutions bei Aberdeen Asset Management

In den Industrieländern, vor allem in den USA, hat die Ungleichheit in den vergangenen Jahrzehnten so stark wie nie mehr seit dem 19. Jahrhundert zugenommen, wie eine Erhebung der amerikanischen Zentralbank festhält.

Laut dieser Studie haben jene 5 Prozent der US-Haushalte mit dem höchsten Einkommen zwischen 1989 und 2013 inflationsbereinigt Einkommenszuwächse von durchschnittlich 38% erzielt, während das Realeinkommen der übrigen 95 Prozent um weniger als 10 Prozent wuchsen.

Bei der Verteilung des Wohlstands ist die Ungleichheit sogar noch grösser als bei den Einkommen und hat noch rascher zugenommen: 1989 besassen die reichsten 5 Prozent der US-Haushalte 54 Prozent des Gesamtvermögens. Bis 2013 stieg dieser Anteil sogar auf 63 Prozent, während die ärmste Hälfte der Haushalte 1989 respektive 2013 lediglich 3 Prozent beziehungsweise nur noch 1 Prozent des Gesamtvermögens besass.

Wie konnte das geschehen?

Arbeitsmarktspezialisten haben die zunehmende Diskrepanz der Lohnsätze zwischen Gut- und Geringverdienern schon lange festgestellt, wobei die Mitte zunehmend ausgedünnt wird. Dies wird einer Reihe von Einflussfaktoren zugeschrieben; etwa dem technologischen Wandel, der sich für gut entlöhnte Arbeitskräfte auszahlt, während er im mittleren Segment Arbeitsplätze kostet und die Lohnaussichten der schlechter qualifizierten Arbeitnehmer weiter eintrübt.

Einfluss haben wohl auch die Globalisierung sowie die sinkenden Mitgliederzahlen bei den Gewerkschaften und die Steuerpolitik. Die quantitative Lockerung (QE), also der Ankauf von Staatsobligationen durch Zentralbanken, ist vor allem in jüngster Zeit ein weiterer, gewichtiger Einflussfaktor.

Engagement, Talent und Glück

Die Zentralbanken rund um den Globus haben die Notenpressen angeworfen und Milliarden von Dollar, Yen und Pfund für den Kauf von Vermögenswerten gedruckt. Durch den Anstieg der Preise und damit des Vermögens der Haushalte, die derartige Vermögenswerte besitzen, hat sich die Ungleichheit weiter verstärkt.

Vielleicht spielt all dies keine Rolle. Schliesslich wäre selbst bei völliger Chancengleichheit ein gewisses Mass an Ungleichheit gegeben, denn die Einkommen sind auch von Engagement, Talent und vom Glück eines jeden Einzelnen abhängig. So schaffen Unterschiede bei Einkommen und Vermögen auch Anreize zu Leistung, Bildung, Sparen, Investieren sowie zum Eingehen von Risiken und tragen somit zum Wachstum der Wirtschaft bei.

Ungleichheit in der Bevölkerung

Die Zentralbanken wiederum argumentieren, dass es den meisten Menschen ohne QE weniger gut ginge, da eine tiefe und lang andauernde Rezession das Wachstum belasten und zu hoher Langzeitarbeitslosigkeit führen würde.

Trotzdem ist es eine Tatsache, dass die wirtschaftliche Ungleichheit in der Bevölkerung die längerfristigen Wachstumsperspektiven eintrübt, da sowohl Nachfrage als auch Produktivitätspotential sinken.

Schwache Erholungsphase

Was die Nachfrage betrifft, so konnten vor der Finanzkrise auch Haushalte mit relativ bescheidenen Einkommen ihren Konsum dank steigender Wohnimmobilienpreise durch Hypotheken auf ihre Häuser finanzieren. Jedoch bewirkten der Rückgang der Häuserpreise und der Anstieg der Verschuldung, dass der Finanzkrise eine ungewöhnlich schwache und lang anhaltende Erholungsphase folgte.

So könnte bei Ausbleiben einer neuen Kreditblase die Nachfragebasis der US-Wirtschaft auf Dauer schwächer sein, zumal die Haushalte mit höherem Einkommen und Wohlstand weniger zum Konsum neigen als einkommensschwache Haushalte.

Erschwerter Zugang zu Bildung

Das Produktivitätspotential der Volkswirtschaften wiederum könnte durch eine zunehmende Ungleichheit belastet werden. Denn wenn der Zugang zu Bildung für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen erschwert würde, wären die Arbeitskräfte langfristig immer weniger qualifiziert.

Angesichts der zuletzt verzeichneten Zunahme der Ungleichheit rückt die Wahrscheinlichkeit immer näher, dass das Wirtschaftswachstum gebremst werden könnte. Doch wie lässt sich dieser Trend stoppen?

Vier Bausteine

Janet Yellen, Präsidentin der amerikanischen Notenbank, hat in diesem Zusammenhang vier «Bausteine» identifiziert:

• Gezielte Förderung von Kindern in ihren besonders wichtigen Entwicklungsjahren
• Verbesserter Zugang zu bezahlbarer Bildung
• Förderung von Unternehmensgründungen
• Die Erkenntnis, dass Erbschaften, die überwiegend vermögenden Haushalten zufallen, auch weniger wohlhabenden Haushalten von Nutzen sein können.

Die ersten beiden Module sind bekannt und werden dementsprechend gefördert – die beiden letzten weniger.

Somit könnten Massnahmen zur Förderung von Firmengründungen und zur Übertragung von Vermögen auf nachkommende Generationen einen höheren wirtschaftlichen Nutzen haben als bisher angenommen wurde.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
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  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.92%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.45%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.66%
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