In einem Experiment wandert ein magischer Massstab in die falsche Richtung. Und in der Bankenregulierung klettert die Regulierungsdichte weiterhin nach oben, wie Markus Staub von der Schweizerischen Bankiervereinigung feststellt.

Markus Staub 192Markus Staub ist Leiter Bankenpolitik und Bankenregulierung bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Vor wenigen Tagen habe ich im Rahmen eines Seminars an einer Team-Building-Übung der besonderen Art teilgenommen: Eine Gruppe von zehn Personen hatte die trivial anmutende Aufgabe, mit vereinten Kräften den «Magic Stick» auf den Boden zu legen. Beim magischen Stab handelte es sich um einen aufgeklappten Zwei-Meter-Massstab. Die Teammitglieder standen in zwei Reihen auf beiden Seiten des horizontalen Stabes und stützten ihn von unten mit beiden Zeigefingern. Die entscheidende Erschwerung bestand in der Spielregel, dass alle Teilnehmer zu jedem Zeitpunkt mit dem Stick in Berührung bleiben mussten!

Unerwünschter Drang nach oben

Die Antizipation des Ergebnisses braucht nicht viel Phantasie: Weil niemand der Regelbrecher sein will, versuchen alle, den Kontakt zum Massstab nicht zu verlieren respektive drücken mit ihren Fingern tendenziell nach oben.

Insgesamt resultieren

  • (a) eine unkontrollierte Bewegung des Magic Sticks in Richtung Sterne
  • (b) eine peinliche Befremdung über das kollektive Versagen beim Lösen einer an sich einfachen Aufgabe und daraus resultierend
  • (c) eine gegenseitige Beschimpfung und Schuldzuweisung.

So far, so good. Was aber hat das mit der gegenwärtigen Entwicklung der Regulierung von Banken zu tun? Well, Sie brauchen nur die Höhe des Sticks über Boden als Metapher für die Regulierungsdichte des Bankensektors zu verstehen, dann werden die Gemeinsamkeiten offensichtlich.

In beiden Fällen entsteht aus dem Zusammenspiel gut gemeinter Kräfte insgesamt ein Vektor, der mindestens in der Beurteilung vieler Mitspieler, pardon, in die unerwünschte Richtung wirkt. Der ungebremste Impuls im Bereich der Eigenkapital- und Liquiditätsregulierung lässt nur als ein Beispiel unter vielen grüssen.

Drei kritische Erfolgsfaktoren

Um den Stab auf den Boden und die Bankenregulierung auf eine vernünftige Höhe (respektive auf den Boden der Realität) zu bekommen, sind mehrere Aspekte zentral. Erstens braucht es in beiden Fällen eine klare und gemeinsame Vorstellung aller Teilnehmer über die zu erreichenden Ziele.

Wenn einzelne Mitglieder des Teams den Stab absichtlich nach oben respektive die Bankenregulierung in die Höhe treiben wollen, wird es schwierig. Für die Regulierung enthält beispielsweise der Schlussbericht der Expertengruppe Brunetti wichtige Elemente eines möglichen gemeinsamen Zielkatalogs.

Es ist immer der andere

Wenn die Zielvorstellungen kongruent sind, ist zweitens eine präzise und wirkungsvolle Koordination nötig. Im Gruppenspiel erweist sich ein etappenweises Vorgehen mit klar kommunizierten Bewegungen als hilfreich. Analog wäre für eine Reduktion oder mindestens Begrenzung der Regulierungs-Intensität das fine-getunte «Ziehen aller am gleichen Strick» respektive das koordinierte «Loslassen des gleichen Sticks» nötig.

Dazu genügen traurigerweise einfache Mehrheitsverhältnisse nicht: Solange nur ein einziger Spieler nach oben drückt, gelingt die Operation nicht. Und vor allem ist es immer «der andere», der in die falsche Richtung wirkt. Für die Bankenregulierung heisst das deshalb drittens, dass breite Überzeugungsarbeit notwendig ist, die beim einzelnen Teamplayer auf den verschiedenen Seiten ansetzt.

Neue Ausgangslage

Der empirische Befund einer international wie national weiterhin stark steigenden Regulierungsdichte ist ernüchternd. Die aktuelle Ausgangslage nach den jüngsten Entscheiden der Nationalbank zur Wechselkurspolitik verleiht der Regulierungsflut allerdings eine dramatische Brisanz.

Insbesondere mit Negativzinsen ist das Umfeld für den Bankensektor wesentlich schwieriger geworden. Vor diesem Hintergrund kommt einer Begrenzung der regulatorischen Dynamik erst recht vorrangige Bedeutung zu.