Hart ins Gericht mit der Finanzbranche geht Professor Beat Bernet. Er wirft ihr grobe Fehler vor – und sichtet eine letzte Chance.

Seit dem Kollaps der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers und der staatlichen Rettung der UBS im Herbst vor einem Jahr habe sich die Finanzwelt radikal verändert, sagt Beat Bernet. Ein Zurück vor diese Zeit gebe es nicht mehr.

Umso mehr sei es jetzt an der Zeit, endlich eine Strategie für den Finanzplatz Schweiz zu entwickeln. Dies sei die letzte Chance. Die Schweiz habe nur noch einen einzigen Wurf übrig.

Unsinnige Ziele

Beat Bernet ist Direktor am Bankeninstitut der Universität St. Gallen und unter anderem auch Bankratspräsident der Zuger Kantonalbank. Er sprach am Freitag an einem Kundenanlass der Neuen Privat Bank Zürich im Zürcher Nobelhotel Baur au Lac. Hart ins Gericht ging er dabei mit jenen Kräften, die noch im September 2007 gefordert hatten, dass die Schweiz bis 2015 zum drittgrössten Finanzplatz der Welt avanciere.

Solche Ziele seien unsinning und bloss das Werk von teuren, amerikanischen Unternehmensberatern, welche die Realität verkannten. Man könne den Schweizer Finanzplatz nicht dermassen isoliert betrachten. Vielmehr müsse er als integrativer Bestandteil der Schweizer Volkswirtschaft verstanden werden.

Was sind die Kernkompetenzen?

Dies setzte allerdings voraus, dass man sich Gedanken darüber mache, was die Kernkompetenzen der hiesigen Geldbranche seien. Experimente mit allerlei exotischen Produkten und Geschäftsmodellen würden nichts bringen, sagte Professor Bernet weiter. Die Kernkompetenz bleibe die Vermögensvermögensverwaltung für wohlhabende Privatpersonen sowie für grosse private Institutionelle.

Darum dürfe die Schweizer Bankbranche das Offshore-Geschäft auch nicht aufgeben, sondern es auch künftig als ihr wichtigstes Standbein definieren. Amerikanische Kunden rauszuwerfen, wie das manche Banken nun tun würden, sei mutwillig und gedankenlos, betonte Bernet. Damit setze man den guten Ruf der Schweiz aufs Spiel, und in zwei bis drei Jahren würden sich die Banken just um jene Kunden wieder bemühen, die sie nun loswerden wollten.

Mehr Pragmatismus, weniger Nobelpreisträger

Kritisch ging der Finanzprofessor auch auf das Swiss Finance Institute ein, das nach Bernets Bekunden eine viel zu tief gehende Forschung betreibe, anstatt eine breite Ausbildung zu forcieren, die dem Bankpersonal in der Praxis zugute komme. Es könne nicht das primäre Ziel der Schweizer Finanzausbildung sein, dass die Schweiz vielleicht einmal einen Nobelpreis in den Wirtschaftswissenschaften gewinne, sondern dass man gut ausgebildete Leute habe, die den Anforderungen des heutigen internationalen Vermögensverwaltungsgeschäfts gewachsen seien.

Vor diesem Hintergrund fordert Bernet, und das ist wiederum nicht neu, eine Strategie, die auf 4 Ks beruht: Kommunikation, Kooperation, Kompetenz und Kultur. Nur unter diesen Prämissen könne die Marke Swiss Banking mit neuem Inhalt gefüllt werden. Bisher sei der Inhalt vom Ausland, namentlich von den Amerikanern und den Deutschen vorgegeben worden – allerdings mit negativen Assoziationen.

Kein Diktat der Amerikaner und Deutschen

«Doch was wollen wir sein», fragte Beat Bernet mehr als nur rhetorisch. Es sei an der Zeit, dass der Finanzplatz Schweiz endlich kommuniziere, was er sein wolle. Vor diesem Hintergrund müssten auch die Anpassungen am Steuerstrafrecht erfolgen.

Die Schweiz sei zwar keine Erfüllungsgehilfin der ausländischen Steuerämter, doch es dürfe nicht länger der Fall sein, dass der hiesige Finanzplatz im Ausland als Steueroase gelte. Der Standort müsse in Zukunft als Kompetenzzentrum für das so genannte «Clean-Offshore-Geschäft» positioniert werden.

Bilateralismus am Ablaufen

Bernet fordert auch mehr Kooperation mit den umliegenden Staaten, weil die Zeit des Bilateralismus am Ablaufen sei. Der Kampf einer gegen alle, den die Schweiz bisher geführt habe, bringe in der heutigen Zeit nichts.

Vielversprechender sei eine Eingliederung in die europäische Finanzlandschaft, wo die Schweiz eine wichtige Rolle entfalten und gemeinsam mit anderen, gleichgesinnten Zentren für gute Rahmenbedingungen sorgen könnte. Dies ziele letztlich darauf ab, den «Gegner» in die Strategie der Schweiz einzubeziehen, erklärte der Finanzprofessor.

Geschichte der angekündigten Überraschungen

In Sachen Kompetenz hofft Bernet auf mehr kluge und kreative Köpfe in der Schweizer Finanzbranche. Dieses Ansinnen könnte mit der Bildung eines Think Tanks erreicht werden, wobei Bernet schon seit Jahren eine solche Institution fordert, aber tatsächlich noch nie etwas in diese Richtung geschehen ist. Offenbar waren die Bankleute in der jüngeren Vergangenheit mit anderen Dingen allzu sehr beschäftigt, als dass sie Zeit gefunden hätten, über einen Think Tank konkret zu sinnieren.

Dies habe sich aber gerächt. Denn letztlich seinen viele der Entwicklungen der letzten Jahre, wie der Steuerstreit mit den USA, das QI-Abkommen und dessen Konsequenzen, der Druck von der EU auf die Schweiz oder der Konkurrenzkampf unter den internationalen Finanzplätzen alles Ereignisse gewesen, die man voraussehen konnte. Im Prinzip, sagte Beat Bernet, habe es sich hier um eine «Geschichte angekündigter Überraschungen» gehandelt, der man entsprechend besser hätte Paroli bieten können.

Letzter Wurf, letzte Chance

Kulturell fordert Bernet eine bessere Vermarktung des so genannten Swiss Banking. Diese so wertvolle Marke müsse künftig mit einem Inhalt gefüllt werden, der nicht von anderen diktiert werde, sondern einzig und allein von der Schweiz. Dabei müssten Assoziationen wie «clean», kooperativ und eigenständig überwiegen. Noch sei nicht alles verloren, schloss Bernet seine Ausführung.

Bisher habe die Schweizer Finanzbranche die Krise gesamthaft gut gemeistert, und stehe im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut da. Hier böten sich denn auch gute Chancen, allerdings sei dies der letzte Wurf für eine erfolgreiche Zukunft der Schweizer Finanzbranche.

 

 

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