Der IWF rät der Schweiz zu geld- und finanzpolitischem Aktionismus. Dies sei bedenklich, findet Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Martin Hess 134x192Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Man staunt nicht schlecht. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostizierte in seinem mittelfristigen Ausblick von dieser Woche für die Schweiz 2 Prozent Wachstum und 1 Prozent Inflation. Er fordert die Schweiz aber zu geldpolitischem Aktionismus für die kurze Frist auf. Weil der zinspolitische Spielraum nach unten fehlt, soll nun die Inflation erhöht werden, um über tiefe Realzinsen die Wirtschaft anzukurbeln. In der am vergangenen Montag veröffentlichten Abschlusserklärung der alljährlichen wirtschaftspolitischen Mission rät der IWF zu einem «Quantitative Easing» durch ein Aufkaufprogramm von Vermögenswerten in Fremdwährungen.

Geldschwemme...

Die Negativzinsen sollen beibehalten werden. Die entsprechende Passage ist jedoch voll von Formulierungen wie «could», «should» und «perhaps». Ob dies auf Unsicherheit oder taktisches Kalkül hinweist, ist unklar.

...Aussetzung der Schuldenbremse und...

Klar ist einzig, dass der IWF auch die gesündesten Volkswirtschaften auf den expansionistischen Schnellzug setzen will. Denn auch im Fiskalbereich setzt er Dampf auf. Für die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums wird die Anrufung der temporären Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse als fiskalisches Doping empfohlen. «Boost growth» scheint das Mantra des IWF zu sein.

....höhere Leverage Ratio

Nur an einem Ort tritt der IWF auf die Bremse – natürlich bei den Banken. Zwar wird löblicherweise der Brunetti-Bericht erwähnt, aber nur um damit ausschliesslich auf die Verantwortung der Schweiz für die globale Finanzstabilität hinzuweisen. Boost growth? Fehlanzeige. Höhere Leverage Ratio? Ja, bitte.

Kurzsichtiger IWF

Aus meiner Sicht ist die wirtschaftliche Weiterentwicklung zentral für den Wohlstand in der Schweiz. Für die gegenwärtig grassierende Wachstumsmüdigkeit habe ich deshalb wenig Verständnis. Ebenso wenig Verständnis habe ich aber dafür, dass der IWF die langfristige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch den Abbau von administrativen Lasten, die Stabilisierung der Rahmenbedingungen und die nachhaltige Sicherstellung der steuerlichen Attraktivität nicht mit einem einzigen Wort erwähnt.

Der ehemalige Architekt der Weltwirtschaft beschränkt sich nun sogar in der Schweiz auf die Rolle des Nothelfers.

Auf die Finger klopfen

Erst recht mulmig wird es aber, wenn man weiss, dass im Gegensatz zum Ausland die IWF-Empfehlungen nicht der Regierung auf die Finger klopfen, sondern hierzulande die politischen Entscheidungsträger in ihren Massnahmen bestärken.

Dies mag für die Durchsetzung von unangenehmen Reformen gehen. Kurzfristiger Aktionismus sollte aber nicht auch noch mit dem Plazet aus Washington belohnt werden.