Thomas Sutter, stellvertretender CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung, über die ewige Schlechtmacherei des Schweizer Finanzplatzes, das Potenzial der Fintech-Firmen und dreiste Banker. 


Herr Sutter, kennen Sie Ahmed Ali al-Sayegh?

Nein, nicht persönlich, aber seine jüngste Aussage durchaus.

Der Präsident des Finanzzentrums von Abu Dhabi hat unlängst behauptet, das Swiss Private Banking sei «tot». Hat er Recht?

Ich frage mich, in welcher Zeit jemand lebt, der sich auf eine solche Aussage versteigt. Schauen Sie sich doch einmal an, wie entschlossen die Schweizer Bankbranche in den vergangenen Jahren den Transformationsprozess umgesetzt hat. Unser neues Geschäftsmodell namens Swiss Banking lebt und ist sicherlich nicht dem Tod geweiht.


«Die Zukunft sieht besser aus»


Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich Herr al-Sayegh ausgerechnet auf Singapur als Vorbild für die Zukunft beruft, also auf jenen Finanzplatz, der sehr viel von der Schweiz übernommen hat.

Zugegeben, die Vergangenheitsbewältigung der Schweizer Banken absorbiert immer noch zu viele Ressourcen. Aber wir arbeiten bereits an der Zukunft, und die sieht besser aus, als es Abu Dhabi lieb ist.

Als Dachverband der Schweizer Banken bleibt Ihnen gar keine andere Wahl als auf Optimismus zu machen. Mit der aktuellen Konsolidierung in der Bankbranche scheint doch der Schweizer Finanzplatz definitiv in Auflösung zu sein.

Einspruch. Das steuerliche Bankgeheimnis ist gegenüber dem Ausland verschwunden. Das war nötig, ist aber alles andere als eine Auflösungserscheinung.


«Das haben wir bald hinter uns»


Mittel- bis längerfristig wird übrigens auch Singapur gewisse Vergangenheitsprobleme bekunden, denn bei vielen asiatischen Kunden dürfte die Steuersituation auch noch einiges zu reden geben. Das haben wir zum Glück schon bald hinter uns.

Andere Länder haben aufgeholt. Gibt es noch Gründe, warum jemand sein Geld in die Schweiz bringen sollte?

Absolut. Die jüngsten Statistiken belegen dies auch. Ausser den Beträgen, die ausländische Kunden zur Begleichung ihrer Steuerschulden bezahlt haben, gibt es keinen signifikanten Nettoabfluss von Vermögen aus der Schweiz.


«Wer macht in Asien das grosse Business?»


Zugegeben, in Europa wächst der Markt weniger stark als früher, und die Margen sind unter Druck. Aber Asien wächst. Und wer macht dort das grosse Business in der Vermögensverwaltung?

Verraten Sie es uns?

Es sind die Schweizer Banken – die UBS ist Nummer eins, die Credit Suisse Nummer drei.

Konkurrenz erhalten die Banken heute aber nicht nur von anderen Instituten, sondern auch von branchenfremden Firmen wie Google oder Apple, die unter dem Stichwort Fintech die Wertschöpfungskette aufbrechen. Daraus lässt sich folgern: Das Banking, wie wir es in den vergangenen fünfzig Jahren gekannt haben, ist am Ende. Wofür braucht es noch Private Banker, die eh nicht mehr wissen als ein gut informierter Kunde heute?

Das Geschäftsmodell von Swiss Banking ist nicht personenabhängig. Es ist eine Philosophie, die den Kunden in den Mittelpunkt stellt. Dieses Geschäftsmodell beruht auf Stabilität, Qualität und Sicherheit.


«Unsinn, wir sind nicht im Rückstand»


Klar, Fintech wird unsere Branche mehr verändern, als es sich viele heute vorstellen können. Und die Dynamik nimmt exponentiell zu. Es ist aber ein Unsinn, zu behaupten, alle Schweizer Banken seien im Rückstand.

Warum?

Es gibt sehr viele Startups, die entlang der aufbrechenden Wertschöpfungskette tätig sind. Einige Schweizer Banken machen dort auch mit. Nicht der Erste gewinnt, sondern der Beste. Ausserdem gibt es in der Vermögensverwaltung komplexe Herausforderungen, wo die persönliche Beratung wichtig bleibt – auch in Asien.

Tatsache ist doch, dass die Banken ihr Filialnetz drastisch verkleinern. Das Geschäft läuft heute über andere Kanäle. Es braucht weniger Niederlassungen und weniger Kundenberater.

Das ist mir zu absolut formuliert. Wenn der Kunde über andere Kanäle mit seiner Bank Geschäfte machen will, dann soll und muss er das tun können. Das heisst aber nicht, dass es andere Kanäle von heute auf morgen nicht mehr braucht.


«Das ist die digitalste Bank der Schweiz»


Vielmehr verfolgen die meisten Banken einen so genannten Multi-Channel-Approach. Natürlich wird die digitale Plattform zunehmend im Zentrum stehen. Aber auch damit wird kommuniziert: Chats können in gewisser Weise auch Beratung sein.

Ihre Beobachtung mag für grosse Banken zutreffen. Doch viele kleinere und mittelgrosse Häuser dünken angesichts der digitalen Revolution, die da auf sie zukommt, eher überfordert.

Ich persönlich sehe viele positive Beispiele. Nehmen Sie nur einmal die Glarner Kantonalbank, die mittlerweile als «digitalste Bank der Schweiz» gilt. An Veranstaltungen diskutieren Bankchefs wie Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz oder Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner über Fintech, und Finanzhäuser öffnen ihre Plattformen für andere Institute. Zu behaupten, es laufe nichts, ist falsch.


«Bei Prognosen bin ich vorsichtig»


Wir Schweizer sehen bei uns das Glas immer halbleer, während im Ausland immer alles halbvoll erscheint. Hören wir auf, uns immer schlecht zu reden

Was führt Sie zu dieser Feststellung?

Dank der Gnade der frühen Geburt bin ich schon einige Jahre im Geschäft und werde bei Prognosen immer vorsichtiger. Vieles, was mit grossen Schlagzeilen angekündigt wurde, ist nie eingetreten. Nur schon die Schauermeldungen, wonach mindestens 50'000 Arbeitsplätze im Swiss Banking verschwinden würden, hat sich trotz Finanzkrise und Steuerproblemen nie bewahrheitet.


«Es gibt schon fast 100 Fintech-Firmen»


Der Wandel lässt sich nicht aufhalten, das stimmt. Aber das Swiss Banking ist wandlungsfähiger als man gemeinhin annimmt. Die Banken und die offizielle Schweiz müssen einfach alles dafür tun, dass die Wertschöpfungskette und somit die Arbeitsplätze in der Schweiz bleiben.

Nur mit optimalen Rahmenbedingungen bleibt das Banking «Swiss», entwickelt sich das grenzüberschreitende Geschäft weiter und etablieren sich neue Player – auch Fintech-Firmen – in unserem Land.

Wenn die Musik aber in Asien spielt, hilft es uns herzlich wenig, dass sich ein paar Fintech-Firmen in der Schweiz ansiedeln.

Es gibt schon fast 100 Fintech-Firmen in der Schweiz. Das ist wichtig, weil unsere Banken nach wie vor ihren Hauptsitz hier haben und – sofern eben die Rahmenbedingungen stimmen – wichtige Entwicklung – von der Schweiz ausgehen und neue Arbeitsplätze hier entstehen.

Dieses Know-how müssen wir pflegen. Im Übrigen betrachte ich On- und Offshore-Banking als komplementär. Mit anderen Worten, das eine darf das andere nicht ausschliessen.


Thomas Sutter 192Thomas Sutter ist seit März 2011 Leiter Kommunikation der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und Mitglied der Geschäftsleitung. Anfang 2015 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Geschäftsleitung ernannt. Er schloss 1986 sein Wirtschaftsstudium in Basel ab. Zwischen 1996 und 1998 bildete er sich in Public Relations weiter und erlangte den Titel eines diplomierten PR Beraters. Im Jahre 2000 stiess er als Leiter Kommunikation Schweiz und Deutschland zur SBVg. Zuvor war Sutter für Danzas und die Zurich-Gruppe tätig.

Lesen Sie in Kürze den zweiten Teil des Interviews mit Thomas Sutter.

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