Die Kasachstan-Lobby-Affäre verändere die politische Arbeit in der Schweiz – mit einem für die Wirtschaft noch offenem Ausgang, sagt Kuno Hämisegger.

Kuno Haemisegger 192Kuno Hämisegger ist Delegierter Public Affairs Schweiz und Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung

Im Verlauf der vergangenen 15 bis 20 Jahre hat das Parlament seine Macht gegenüber dem Bundesrat ausgeweitet. Gleichzeitig hat die Verwaltung – wegen der rasch steigenden Komplexität von Gesetzen und Verordnungen – noch mehr an Einfluss gewonnen. Kurzum: Parlament und Verwaltung legten zu, der Bundesrat büsste an Reichweite ein. Die grössere Wichtigkeit des Parlamentes im schweizerischen politischen Prozess hat dazu geführt, dass kleine und grosse Lobby-Firmen wie Pilze aus dem Boden schossen.

Medien-Krach um Badges

Auch etliche Unternehmen, darunter Banken, suchen seither ihr Glück direkt in der Wandelhalle. So haben neben der Bankiervereinigung auch andere Bankenvertreter einen Zugangs-Badge ins Parlament.

Um diese Badges tobt nun ein Medien-Krach. Heute kann jedes Parlamentsmitglied zwei Personen dauernden Zutritt zum Parlament gewähren. Die Vereinigung der Public Affairs-Spezialisten SPAG verlangt schon seit vielen Jahren eine Neuregelung dieses Zutritts in die Wandelhalle, was National- und Ständerat immer wieder ablehnten.

Das bisherige Regime wird nun wohl im Zuge der Kasachstan-Affäre fallen. Und das ist gut. Wir wollen ein offenes, kriterienbasiertes Akkreditierungssystem, damit alle Lobbyisten klar ausweisen müssen, für wen sie arbeiten.

Wie macht man ein gutes Gesetz?

Die Frage greift natürlich viel weiter als die Regelung des Zutritts von Lobbyisten zum Parlament: Nämlich, wie stellen wir uns ein gutes Gesetzgebungsverfahren vor?

Kaum jemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass beispielsweise amerikanische oder deutsche Gesetze besser sind als schweizerische. Der US-Senat, das US-Repräsentantenhaus und der Deutsche Bundestag sind Berufsparlamente mit Hunderten, ja Tausenden von Mitarbeitern. Dennoch halten schweizerische Gesetze einem Vergleich jederzeit stand. Wie kommt das?

Diener des Staates?

Die Schweiz ist von unten nach oben aufgebaut. Wir Bürger, die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft sind nicht die Diener des Staates. Vielmehr dient der Staat uns dazu, gemeinsame Probleme gemeinsam zu lösen. Alle, die von einer neuen staatlichen Regelung betroffen sind, tragen zu einer praxisgerechten Lösung bei.

Genau das sehen die Bundesverfassung und das Vernehmlassungs- gesetz vor: Verbände und andere Betroffene sind darin aufgefordert, konkret und konstruktiv an der Gesetzgebung mitzuarbeiten. Sei das nun in der Landwirtschaft, im Heimwesen, beim Outdoorsport oder bei der Finanzmarkt-Infrastruktur.

Sinnigerweise finden Medien und andere Inhaber höherer Weisheit nur das Wirtschaftslobbying problematisch. Das Lobbying von Gewerkschaften und Nichtgergierungs-Organisationen (NGO) hingegen wird als positiv betrachtet. Geld verdienen ist schlecht, Geld ausgeben gut...

Wie leistet ein Verband gute Arbeit?

Diese enge Einbindung in den Gesetzgebungsprozess ist für Verbände, die langfristig ernst genommen werden wollen, eine Verpflichtung, nämlich dauerhaft auf hohem Qualitäts-Niveau mitmachen zu können.

Dazu müssen sie zielgerichtet aufgestellt sein: Verbände müssen von der «Business-Front» bis an die parlamentarische «Front» eine durchgehende «Wertschöpfungskette» betreiben. Sie müssen die zu lösenden Probleme vorne an der «Business-Front» in den Unternehmen lokalisieren und identifizieren, zweckmässige Lösungen entwickeln, in den gesetzgeberischen Gestaltungsprozess einbringen und bis in die Wandelhalle vertreten.

Die vornehmste Aufgabe

Dabei geht es selbstverständlich um Interessen. Diese klar herauszuschälen und zu definieren, ist die vornehmste Aufgabe von Verbänden. Je klarer, desto effizienter wird der Gesetzgebungsprozess. Das Parlament ist der Marktplatz für den Interessenausgleich.

Der durch die Kasachstan-Affäre ausgelöste Medienhype soll die Wirtschaft und ihre Verbände dazu bewegen, sich noch zielgerichteter aufzustellen, transparent und offensiv ihre Interessen zu vertreten. Dazu sind sie da, im Dienste einer auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreichen Schweiz.

Einen Zutritts-Badge zum Parlament werden langfristig jene erhalten, die den Parlamentarierinnen und Parlamentariern bei ihrer Arbeit effektiv dienen.