Kapital, Grösse und Risikofreude werden heute zu Unrecht als grösste Probleme im Bankensektor ausgemacht. Der kritischste Punkt für die Stabilität sei die ungenügende Profitabilität, sagt Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Martin Hess 134x192Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Würde man auf der Strasse oder im Bundeshaus eine Umfrage machen, in welchen Bereichen heute die Bankrisiken liegen, dürften schnell die Begriffe Kapital und Grösse fallen – und risikoreiches Wirtschaften. Nun, das war vor ein paar Jahren absolut zutreffend.

Die Finanzkrise hat viele Risiken an die Oberfläche gespült, die dringend behoben werden mussten und auch behoben wurden.

Im Bereich der Steuern beispielsweise wird nun selbst von ehemals scharfen Kritikern anerkannt, dass die Schweiz ihre Hausaufgaben gemacht hat. Bisweilen wird sogar befürchtet, dass wir uns als Musterschülerin in der Standortpolitik selbst ein Bein stellen. Gleiches Ungemach lässt sich auch bei der Regulierung der Banken feststellen.

Profitabilität ist das Problem

Aber dieses Bewusstsein ist noch nicht überall durchgedrungen. Von den Ewiggestrigen werden die Banken nach wie vor als gierige Geldmaschinen abgestempelt. Noch im Dezember warnte der Bundesrat vor der «Gefahr, dass Finanzinstitute auf Grund einer hohen Gewinnmarge vermehrt riskante Kredite vergeben». Hätten Sie es gewusst? Die grössten Risiken bei Banken liegen heute in deren mangelnder Profitabilität.

Der neuste Global Financial Stability Report des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt, dass ein grosser Teil der Banken wenig profitabel wirtschaftet. Sehr häufig liegt die Rendite unter der Zielgrösse, die für die Sicherstellung von Stabilität und Wirtschaftswachstum nötig wäre (siehe Grafik).

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In vielen Weltregionen ist die mangelnde Profitabilität, das heisst, eine Eigenkapitalrendite von unter 10 Prozent, sogar das Problem Nummer eins. Bei nahezu allen anderen stabilitätsrelevanten Kapital- und Liquiditätskennzahlen ist der Anteil der Banken, welche die von den internationalen Mindeststandards vorgegebene Zielgrösse verfehlen, wesentlich kleiner.

Banken aus ihrem Urgeschäft gedrängt

Erstaunlich: Durch die internationalen Anstrengungen zur Krisenbewältigung und -prävention, namentlich das Tiefzinsumfeld und die übermässige regulatorische Belastung von Risiken in der Bankbilanz, tun sich neue Gräben auf. Einerseits sinkt die Profitabilität auf Grund des Anlagenotstandes, andererseits sinkt die erwartete Rendite wegen gemiedener Risiken.

Eine übermässige Regulierung gibt den Finanzinstituten den Anreiz zu einer grösseren Zurückhaltung bei der Risikotransformation, zum Beispiel zur Unterstützung von kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) durch Kredite, obwohl dies die ureigene Funktion der Banken ist.

Bereits letztes Jahr hat Stephen Cecchetti, ehemaliger Chefökonom der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), davor in einem Interview gewarnt.

Finanzierungsprobleme auch in der Schweiz

Seine Befürchtungen werden in Europa manifest: Zu viel Eigenkapital erhöht die Kosten für das Bankgeschäft dramatisch und schränkt die Kreditvergabe namentlich für risikoreichere Kunden drastisch ein. Zudem wandert das Geschäft in den leicht regulierten Finanzbereich und schafft so neue Risiken.

In der Schweiz gibt es zwar keine Kreditklemme, aber gerade die riskanten innovativen Jungunternehmen klagen über Finanzierungsprobleme. Das gegenwärtige Tiefzinsumfeld hilft, diese Probleme notdürftig zu übertünchen.

Regulatoren können nicht länger kneifen

Es ist nicht umsonst, dass die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Wettbewerbsfähigkeit zum Auftrag hat. Hier geht es zwar auch um Arbeitsplätze, für deren Erhalt sich die Finma nicht mandatiert erklärt. Es geht bei Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität – und das zeigen nun die neuen Analysen des IWF – vor allem aber auch um Stabilitätsfragen. Und hier können die Regulatoren inskünftig nicht mehr kneifen.

Ich habe nichts einzuwenden gegen Politiker, die den Bankensektor weiterhin kritisch beäugen. Sie müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass eine profitable und damit sichere Bank vor allem auch dem Kleinsparer und den KMU zu Gute kommt.

Profitabilität ist nichts Schlechtes

Überborden die Politiker und Regulatoren in ihrem Regulierungsdrang, schaden sie nicht nur kurzfristig der Wirtschaft durch eine Minderung der Standortattraktivität, sondern sie unterminieren ihr beabsichtigtes Stabilitätsziel.

Es ist deshalb von der Idee abzurücken, dass die Profitabilität der Banken etwas Schlechtes ist. Andernfalls drohen der Schweizer Wirtschaft die Felle davon zu schwimmen.