Plattform statt Schalter: In fünf Jahren werde es keine regional tätigen Banken mehr geben, sagt Felix Niederer, Mitgründer und CEO des ersten Online-Vermögensverwalters der Schweiz. Der Wandel im Banking werde auch dazu führen, dass die Vermögensverwaltungs-Gebühren gegen Null tendieren, erklärt er im Interview mit finews.ch.


Herr Niederer, Ihre Firma heisst True Wealth. Was bedeutet wahrer Reichtum für Sie persönlich?

Reichtum hat für mich nicht nur mit Geld zu tun, sondern drückt sich auch im Beziehungsnetz, in der Lebensfreude und in der Familie aus. Aber auch die Fülle einzelner Erlebnisse oder die Tiefe der eigenen Vorstellungswelt bestimmen die Lebensqualität.

Mit 14 Millionen Franken an verwalteten Kundenvermögen ist man zumindest als Unternehmen (noch) nicht reich.

Richtig. Damit verdienen wir kaum etwas, angesichts unserer tiefen Gebühren. Um kostendeckend zu arbeiten, müssen wir die Kundengelder noch deutlich erhöhen. Wir sind in einem Massengeschäft tätig. Ab zirka einer Milliarde Franken sind unsere Kosten gedeckt.

Und in welcher Zeitspanne wollen Sie diesen Wert erreichen?

Ich denke in weniger als zwei Jahren sollten wir die Milliarde zusammenhaben.

Das ist sportlich...

Einverstanden, aber bis vor kurzem haben wir noch kein Marketing betrieben. Nun sind wir mit einem Blog online gegangen, was Teil unserer Social-Media-Strategie ist.

«Wir haben ein deutlich kleineres Budget»

Wir werden künftig auch unsere Beiträge über Kanäle wie Twitter verbreiten; sehr hilfreich sind überdies Kunden-Testimonials, zumal sich die Mehrheit unserer Klientel auf sozialen Plattformen bewegt. Wir haben einige Kunden deswegen angefragt und waren überrascht, wie viele von ihnen bereit waren, uns zu unterstützen. 

Was kostet die Akquise eines Kunden?

Wer die Absicht hat, einen Kunden über Jahre hinaus wie eine Gans auszunehmen, ist durchaus bereit, bis zu 1'000 Franken für einen Neukunden zu bezahlen. Manche Banken zahlen tatsächlich viel für Neukunden. Ein transparent arbeitender Online-Vermögensberater hat demgegenüber ein deutlich kleineres Budget. 

Konkret?

Da die Online-Vermögensverwaltung in der Schweiz noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es noch keine Durchschnittswerte. In Deutschland geben die effizientesten Online-Vermögensberater schätzungsweise 300 Euro für einen Neukunden aus.

Suchen Sie Kooperationspartner um ihre Ziele zu erreichen?

Ja, wir wollen mit dem richtigen Partner möglichst schnell wachsen. Kooperationspartner können eine Bank oder ein Vermögensverwalter sein. Wir sind da offen.

«Bankmitarbeiter sind unsere stärkste Kundschaft»

Wir führen bereits auch Gespräche mit diversen Firmen. Doch mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen.

Haben Sie auch Ausbaupläne an der Personalfront?

Operativ tätig sind wir derzeit drei. Wir suchen nun noch eine vierte Person im Bereich Kundenservice. Potenzielle Kunden, die Testkonten bei uns eröffnen, haben oftmals Fragen, die wir gerne telefonisch oder per E-mail beantworten möchten. Und im Gegensatz zu Deutschland kann man hierzulande den Kunden nicht elektronisch «onboarden», was für uns ein Mehraufwand ist.

Wie sieht der typische True-Wealth-Kunde aus?

Die Bankmitarbeiter sind nach wie vor unsere stärkste Kundschaft, obwohl sie bei ihrem Arbeitgeber einen Rabatt kriegen. Ich vermute, sie kommen zu uns, weil sie die verdeckten Kosten ihres Arbeitgebers durchschauen. In diesem Zusammenhang gab es auch ein paar Abflüsse, weil manche Banken ihren Mitarbeiter verboten haben, Anlagen bei der Konkurrenz zu halten.

«Manche Banken haben die Gebühren tendenziell noch weiter angehoben»

Wir haben aber auch viele Unternehmer, Berater, IT-Fachleute und Ärzte. Bei der Altersstruktur sehen wir alles, von unter 30 bis über 70. Mittlerweile sind es ja nicht mehr nur junge Leute, die online ein gutes Kundenerlebnis zu schätzen wissen. Auch das durchschnittliche Anlagevermögen ist mit gut 40'000 Franken überaus erfreulich.

Wohin entwickeln sich die Gebühren für die Vermögensverwaltung?

Interessant ist, dass die Banken in den vergangenen Monaten die bereits hohen Gebühren tendenziell noch weiter angehoben haben, um den Wegfall der Retrozessionen zu kompensieren. Doch das Produkt Vermögensverwaltung ist ein spezielles Gut. Es verhält sich anders als ein Konsumgut.

Inwiefern...

Je tiefer die Gebühren, desto besser ist langfristig das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite für den Kunden. Bei einem Konsumgut wie einem Auto hingegen steigt die Qualität, je höher der Preis ist.

Bei einem klassischen Vermögensverwalter hat der Kunde allerdings eine grössere Produktauswahl als etwa bei True Wealth.

Das stimmt. Aber zu unserer Zielgruppe gehören eben nicht Kunden, die aktiv verwaltete Produkte wünschen. Kunden, die sich davon eine Überrendite versprechen, sollen diese (aktiven) Produkte kaufen.

«In illiquiden Märkten braucht es aktive Manager»

Wir selber glauben nicht daran. Dafür gibt es schlicht keine Evidenz, wie selbst Studien von Nobelpreisträgern beweisen.

Es gibt Portfolio-Manager, die ihren Referenzwert schlagen.

Ja, aber es sind wenige. Tatsache ist, dass es keine Persistenz gibt. Wenn ein Portfolio-Manager in der Vergangenheit besser war als der Benchmark, dann heisst das nicht, dass er dies in Zukunft ebenso schaffen wird. Zwischen vergangener und zukünftiger Outperformance gibt es keinen Zusammenhang.

...weil die Märkte effizient sind.

Genau, wobei dies nur für liquide Märkte gilt. In illiquiden Märkten braucht es natürlich aktive Manager. Bei Wertpapieren, die an einer Börse gelistet und liquide sind, bringt Ihnen ein aktiver Manager hingegen nichts.

Sie haben unlängst erklärt, die Vermögensverwaltungs-Gebühren würden gegen Null tendieren.

Ja, das glaube ich, zumindest langfristig. Will ein Investor sein Geld global diversifiziert investieren, dann ist dies mit den heutigen digitalen Möglichkeiten vollumfänglich automatisierbar. Die Grenzkosten gehen folglich gegen Null. Und dadurch wird auch das Produkt besser, wie ich zuvor schon betont habe, denn der Kunden interessiert sich ja für die Rendite nach Kosten.

Gar keine Gebühr mehr, wäre aber auch für Ihr Geschäftsmodell fatal.

Das sehe ich nicht so. Denn unser Pricing ist deutlich tiefer als jenes der Konkurrenz und beinhaltet auch keine versteckten Kosten. Wenn man pro Kunde nur noch die Hälfte verdient, dafür aber viermal mehr Kunden hat, macht das ökonomisch auch Sinn.

Wie wird der Finanzplatz Schweiz in fünf Jahren aussehen?

Ich glaube, es wird keine regional tätigen Banken mehr geben. Die Schweiz ist zu klein, um einem solchen Bankennetz langfristig eine Heimat zu geben. Der Kunde von heute und definitiv von morgen geht doch nicht mehr an einen Schalter. Er will stattdessen eine gute Plattform. Doch die nötigen Investitionen in eine solche Plattform sind hoch.

«Wir sind zwar klein, aber unsere Plattform bietet ein einmaliges Kundenerlebnis»

Eine Kantonalbank oder eine Regionalbank können eine Plattform wie wir sie haben kaum bauen, dazu fehlt ihnen schlicht das Geld. Folglich müssen sie sich zusammenschliessen oder sich unter die Fittiche eines grossen Players begeben. Hinzu kommt: Technologie-Firmen wie Google, Facebook oder Amazon stossen ebenfalls in den Banking-Markt vor. Sie werden digitalisierte Anlageplattformen lancieren, die in allen Ländern mit derselben Software funktionieren. Einzig für die lokale Regulierung braucht es Anpassungen.

Nimmt man True Wealth in der Branche eigentlich ernst?

Wir sind zwar klein, aber unsere Plattform bietet ein einmaliges Kundenerlebnis, gerade für den versierten Anleger aus der Branche.

Ist True Wealth möglicherweise gar eine Bedrohung in der Branche?

Ich würde nicht so weit gehen und behaupten, die Entscheidungsträger in den Banken würden uns fürchten, aber zumindest sind sie besorgt, dass sie den Anschluss ans digitale Investieren verlieren. Insofern nimmt man uns eher als eine Chance wahr.


Vor der Gründung von True Wealth 2013 verwaltete Felix Niederer während vier Jahren Portfolios und Anlagefonds bei LGT Capital und mperical Asset Management. Davor arbeitete er vier Jahre im Portfolio-Management und in der Risikomodellierung bei der Swiss Re, nachdem er während mehrerer Jahre bei Schweizer Industriefirmen tätig gewesen war. Niederer hat einen ETH-Abschluss in Physik und ist Chartered Financial Analyst (CFA).

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.22%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.92%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.41%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.69%
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