Die Biotechnologie sei heutzutage der Innovationsmotor der Gesundheitsindustrie, sagt Lydia Bänziger, Fondsmanagerin der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech. Jedes zweite zugelassene Medikament komme heute aus den Labors von Biotech-Firmen.


Frau Bänziger, der Biotechnologie-Sektor scheint sich zunehmend von der generellen Börsenentwicklung abzukoppeln. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Bei der Biotech-Industrie handelt es sich grundsätzlich um einen Sektor, der einen nichtzyklischen Charakter aufweist. Der starke Aufwärtstrend in den vergangenen Jahren lässt sich dadurch erklären, dass sich der Sektor durch seine enorme Innovationskraft auszeichnet. Biotech stellt sozusagen den Innovationsmotor der Gesundheitsindustrie dar.

Jedes zweite zugelassene Medikament kommt heute aus den Labors der Biotech-Unternehmen. Viele arbeiten inzwischen profitabel. Die Mittelzuflüsse nehmen darüber hinaus angesichts des offenen Börsengang-Fensters und der beträchtlichen Kapitalerhöhungen mittelständischer Unternehmen weiter zu.

«Es kommt immer wieder zu Gewinnmitnahmen»

Die Stärkung des Eigenkapitals der Unternehmen hat den positiven Effekt, dass die Pipelines rascher entwickelt werden können und die Gewinne auch im Unternehmen bleiben, da sie die Eigentümerschaft an den Wirkstoffen nicht frühzeitig abgeben müssen. Gleichzeitig ist damit das Finanzierungsrisiko bei vielen Unternehmen wesentlich gesunken.

Allerdings war die Entwicklung an der Börse auch höchst volatil, was dazu führte, dass sich der Kurs der BB-Biotech-Aktie im abgelaufenen Quartal abschwächte. Bereitet Ihnen das Sorgen im zweiten Halbjahr 2015?

Nach starken Kursanstiegen, wie wir sie im ersten Quartal 2015 beobachten konnten, kommt es immer wieder zu Gewinnmitnahmen. Das wirkt sich natürlich auf den Aktienkurs aus. Unser Portfolio hat sich im zweiten Quartal erfreulich entwickelt und zwar dank der Kursgewinne unserer Beteiligungen, namentlich im Mid-Cap-Bereich – getrieben von Übernahme-Aktivitäten und erfolgreichen Produktinnovationen.

«Fusionen und Übernahmen spielen weiterhin eine ganz wichtige Rolle»

So stieg der Innere Wert um solide 9 Prozent und übertraf damit den Sektor-Benchmark Nasdaq Biotech Index. In der aktuellen Phase sehen viele Investoren auch eine gute Kaufgelegenheit.

Seit geraumer Zeit sorgen vor allem die Übernahme-Aktivitäten (M&A) im Sektor für Kursgewinne und auch Kursfantasien. Gilt diese Feststellung auch für die nächsten Monate bis Ende Jahr?

Fusionen und Übernahmen spielen weiterhin eine wichtige Rolle. Das Marktumfeld ist weiterhin geprägt durch niedrige Zinsen, gesunde Bilanzen und bahnbrechende Innovationen kleinerer Unternehmen. Deshalb stehen Übernahmen von Produkten und Produktpipelines weiterhin hoch im Kurs. Darin sehen wir darin mittel- und längerfristig erhebliches Bewertungspotenzial.

Im Portfolio von BB Biotech werden nach erfolgter Übernahme von Synageva durch Alexion im Mai weitere kleinere Unternehmen und Mid-Caps als mögliche Kandidaten gehandelt.

«Die Portoflio-Anpassungen waren diesmal umfangreicher»

So wurde vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass Celgene das Unternehmen Receptos für 7,2 Milliarden Dollar übernehmen will. Dass grössere Biotechfirmen Übernahmen tätigen, um sich strategisch zu positionieren, ist unterdessen nicht unüblich. Die Firma Celgene kann mit Receptos‘ Ozanimod für Multiple Sklerose und Colitis ulcerosa ihre Präsenz in den chronisch-entzündlichen Erkrankungen stärken.

Die vergangenen drei Monate waren für BB Biotech mit diversen Portfolio-Anpassungen verbunden. Was waren die Gründe dafür?

Die Portfolioanpassungen im zweiten Quartal fielen in der Tat umfangreicher als gewöhnlich aus. Grund dafür war die beachtliche Cash-Generierung infolge der Synageva-Übernahme durch Alexion im Mai. Der Kaufpreis von 8,4 Milliarden Dollar entspricht einer Prämie von 140 Prozent. Darüber hinaus haben wir die Beteiligung an Immunogen verkauft, nachdem die Aktie infolge positiver Daten einer frühklinischen Studie kräftig zugelegt hatte.

«Viele Firmen im Small- und Mid-Cap-Bereich erfüllen unsere Anlagekriterien nicht»

Im zweiten Quartal haben wir zudem in drei neue Beteiligungen investiert, namentlich Alder Biopharmaceutics, Juno Therapeutics und Kite Pharma. Während Alder ein vielversprechender Entwickler von Wirkstoffen zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems ist, handelt es sich bei Juno und Kate Pharma um tonangebende Onkologie-Unternehmen, die sich auf Zell-Immuntherapien spezialisiert haben.

Sind im zweiten Halbjahr eher Large- oder Mid-Caps zu favorisieren?

Die Bewertungen im Large-Cap-Bereich sind weiterhin attraktiv. Gilead wird mit einem KGV 2016 von 10x gehandelt. Celgene ist mit einem KGV 2016 im hohen Zehnerbereich und einer sehr attraktiven PEG-Ratio von unter 1 bewertet.

Da die aktuellen Kurse im Small- und Mid-Cap-Bereich gegenwärtig entweder höhere klinische Erfolgsraten oder tiefere Diskontierungssätze berücksichtigen, erfüllen viele Unternehmen, welche sich in einem vergleichsweise frühen Stadium der Medikamentenentwicklung befinden, nicht unsere Anlagekriterien.

«Wir warten einige Machbarkeits-Studien ab»

Wir bleiben daher weiterhin sehr selektiv, was Engagements in diesen Marktsegmenten anbelangt, und halten an unserer Anlagestrategie fest, zunächst Daten zu Machbarkeits-Studien abzuwarten, bevor wir erste Investitionen tätigen.

Im zweiten Semester 2015 rechnet man in der Biotech-Branche mit zahlreichen Produktezulassungen und neuen Daten für Wirkstoffe in der späten klinischen Entwicklung. Sind diese Aussichten in diesem Jahr aussergewöhnlich und daher beflügelnd für die weitere Kursentwicklung der BB-Biotech-Aktie?

Bezüglich des Nachrichtenflusses sind wir auf einem ähnlich hohen Level wie die letzten Jahre, wenn nicht sogar höher. Tatsächlich ist der Biotech-Sektor sehr durch solche Katalysten getrieben, da positive klinische Daten immer eine Verringerung des Investitionsrisikos bedeuten und zu entsprechenden Kurssprüngen führen.

In unserem Portfolio stehen nicht nur einige wichtige Zulassungen an, sondern auch verschiedene Daten aus Registrierungsstudien, sowie frühere Studien die grössere Visibilität auf das Potenzial von Pipelinekandidaten ermöglichen.

Auf welche Trends in der Branche werden Sie in den nächsten Monaten Ihr Augenmerk richten?

Krebsforschung mit Fokus auf Immuntherapien ist zentrales Thema in der Branche. Immer mehr sehen wir auch Biotechfirmen, die grössere Märkte angehen. Historisch fokussierten die Firmen eher auf seltene Erkrankungen, da bei diesen kleinere klinische Studien verlangt werden als bei Massenmärkten.

«Wir werden von den Trends profitieren können»

Dass Firmen nun in der Lage sind, grössere Studien mit mehr als 1'000 Patienten selber durchzuführen, ist nicht zuletzt den Kapitalzuflüssen im Sektor und den soliden Bilanzen der Unternehmen zu verdanken. Zwei Beispiele für Firmen, die grosse Märkte anstreben, sind Intercept mit ihrem Entwicklungskandidaten für die Behandlung der nicht-alkoholischen entzündlichen Fettleber und Alder, die ein Produkt für die Behandlung von Migräne studieren.

Was stimmt Sie zuversichtlich, auch das zweite Semester 2015 erfolgreich abzuschliessen?

Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem diversifizierten Portfolio bestehend aus profitablen Branchenführern und mittelgrossen Firmen mit Produktkandidaten vor Marktreife gut positioniert sind, um von den Trends zu profitieren. Wir erwarten einen starken Newsflow seitens unserer Beteiligungsunternehmen, so dürften mehrere Präparate zugelassen werden, unter anderem Uptravi von Actelion.


Lydia Bänziger ist seit 2011 als Analystin/Portfoliomanagerin im Managementteam der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech tätig. Sie hat an der ETH Zürich studiert und 2011 in der Fachrichtung Systembiologie mit Auszeichnung abgeschlossen.

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