An der Swisscom führt kaum mehr ein Weg vorbei, wenn eine Bank ihre Dienstleistungen digitalisieren will. Der Telekomanbieter avanciert zum heimlichen Riesen auf dem Schweizer Finanzplatz.

Ihre eigentliche Fintech-Premiere misslang der Swisscom völlig: Mit Tapit wollte der Telekomanbieter ein Schweizer Bezahlsystem aufbauen.

Doch die vor rund einem Jahr lancierte App, die kontaktloses Bezahlen mit dem Smartphone durch NFC-Technologie ermöglicht, hob nicht ab. Ausgerechnet das iPhone unterstützte die Technologie vorerst nicht.

Flop statt fulminantem Start

Das war ein PR-Flop für die Swisscom, die mit Tapit einen Führungsanspruch in der Schweizer Fintech-Entwicklung demonstrieren wollte. Vielleicht hat sich der Konzern in den vergangenen zwölf Monaten auch deshalb eher zurückhaltend in der Kommunikation neuer Fortschritte in seiner digitalen Banking-Strategie gegeben.

Bis am (heutigen) Mittwoch: Der Telekomkonzern kündigte an, die von der SIX Group entwickelte Paymit-App, die bargeldlose Geldtransfers ermöglicht, als Schweizer Standardlösung zu unterstützen. Damit will die Swisscom sicherstellen, dass auch kleinere Banken rasch an Paymit angebunden werden können.

Eine (unscheinbare) Premiere

Die Paymit-App stammt zwar nicht aus der Küche der Swisscom, aber der Telekomkonzern verfolgt zielstrebig seine eigene Digitalisierungs- und Fintech-Agenda. So bezieht seit vergangenem Monat die Aargauische Kantonalbank (AKB) ihre Valorendaten direkt aus dem Swisscom-Verarbeitungscenter. Die Meldung war dermassen unspektakulär, dass sie die meisten Medien kaum wahrgenommen haben.

Dabei ist der Swisscom damit eine Premiere gelungen: Sie hat das Avaloq-Softwaresystem der AKB mit dem Finnova-System ihres Verarbeitungscenters via Adapter verbunden. Mit anderen Worten: Die AKB-Daten mussten nicht migriert werden, was eine erhebliche Kostenersparnis bedeutete.

Bislang konnte die Swisscom ihre Outsourcing-Dienstleistungen nur jenen Banken anbieten, die auf Finnova-Software setzen, zum Beispiel die Clientis-Regionalbanken-Gruppe oder die Zuger Kantonalbank. Doch nun kann die Swisscom auch Avaloq-Banken bedienen – 50 Banken sollen es gemäss Firmenangaben bis Ende 2016 sein.

Eine doppelte Rolle

Die Swisscom bietet sich Banken zurzeit vor allem als Outsourcing-Partner an. Institute, wie die junge Berner Zähringer Privatbank, können bei der Swisscom massgeschneiderte IT-Backoffice-Lösungen einkaufen. Sie übernimmt dabei das Informations-und Kommunikationsmanagement, den Zahlungsverkehr, die Wertschriftenabwicklung oder eben das Valorendaten-Management.

Damit ist die Swisscom eine eigentliche «Industrialisiererin» der Schweizer Banken, die ihrerseits so teure Prozesse auslagern können. Gleichzeitig übernimmt die Swisscom mit ihrer IT-Plattform und Cloud-Infrastruktur die Rolle einer «Digitalisiererin» für Schweizer Geldhäuser, welche nicht genügend eigene Ressourcen haben, um den überfälligen Schritt ins neue Zeitalter zu schaffen.

Gigant auf dem Finanzplatz

Jahr für Jahr investiert der Konzern Hunderte von Millionen Franken in den Ausbau seiner IT-Plattform. Parallel dazu steigert die Swisscom ihre Bedeutung auf dem Schweizer Finanzplatz fortlaufend.

Den Grundstein legte bereits CEO Jens Alder, als er 2005 die Comit übernahm und den neuen Geschäftsbereich Financial Services gründete. Sein Nachfolger Carsten Schloter trieb den Ausbau voran: Er sah voraus, dass auf Grund der rasanten Entwicklung im Internet die Erträge aus dem eigentlichen Kerngeschäft der Swisscom, der Telekommunikation über die eigenen Netze, nicht auf Ewigkeit gesichert sind.

Zielgruppe Banken

Die Strategie des Konzerns richtete Schloter zudem stärker auf Zukunftstrends aus: Digitalisierung von Geschäftsprozessen, Datenmanagement aus der Cloud, Datensicherheit, Outsourcing-Dienstleistungen. Eine Hauptzielgruppe sind seither die Banken.

Urs Schaeppi beschleunigte diese Strategie: 2013 übernahm die Swisscom die Firma Entris Operations, das von den RBA-Banken und der Berner Kantonalbank gemeinsam geführten Verarbeitungsgeschäft. Vergangenes Jahr gewann der Konzern dann die Zürcher Kantonalbank als Kundin für die Auslagerung ihres gesamten Zahlungsverkehrs – ein Riesenprojekt, das 2016 abgeschlossen werden soll.

Und im vergangenen April kaufte sich die Swisscom mit 9 Prozent bei der Bank-Softwareschmiede Finnova ein. Inzwischen pflegt der Konzern Kundenbeziehungen zu mehr als 200 der insgesamt 290 in der Schweiz ansässigen Banken. Das Ziel der Swisscom ist, von diesen Banken laufend mehr Services zu übernehmen.

Grösster Cloud-Anbieter

Ab 2014 trug die Swisscom auch in ihrer Konzernstruktur der IT-Strategie Rechnung: Sie integrierte den Bereich Swisscom IT Services und Geschäftskunden in die neue Sparte Enterprise Customers, um zur führenden Schweizer Cloud-Anbieterin zu avancieren.

Rund 4'500 Angestellte erzielen in dem Bereich mittlerweile über eine Milliarde Franken Umsatz. Das Solution Center Banking ist eine Einheit darin.

Zugpferd der Digitalisierung

Mit der Lancierung von Tapit, auch mit der Entwicklung von Crowdfunding-Plattformen, hat die Swisscom signalisiert, dass sie mehr sein will als eine reine Outsourcing-Partnerin für Banken. Ihr Ziel ist vielmehr, das Schweizer Zugpferd in der Digitalisierung des Banking zu sein und die Entwicklung entsprechend voranzutreiben.

Dafür hat sie den Think Tank E-Foresight gegründet. In Schweizer Fintech-Kreisen gilt E-Foresight unter der Leitung von Falk Kohlmann als führend in der Erforschung und Analyse von neuen Markttrends in der Finanzwelt.

Blockchain-Seminare für Top-Manager

Das Research können Banken bei E-Foresight einkaufen, inklusive Zugriff auf die entsprechende Datenbank. Der Think Tank bietet auch Know-how und Workshops für das Top-Management von Banken an. So hat E-Foresight kürzlich in einem exklusiven Kreis von Bank-Managern und -Verwaltungsräten ein Seminar über Blockchain-Technologie abgehalten.

Fazit: Die Swisscom hat den Schritt ins digitale Finanzzeitalter vor den meisten Schweizer Banken vollzogen. Sie verfügt über heute alle technischen Voraussetzungen, um eine digitale Retailbank zu eröffnen.

Selber eine Banklizenz?

Solche Pläne verfolgt die Swisscom offiziell nicht. Sie wolle ein Partner der Banken auf dem Weg in die vernetzte Zukunft sein, nicht ein Konkurrent, heisst es offiziell.

Es wird jedoch interessant sein zu sehen, ob sich die Swisscom mit ihrer Rolle als reine Dienstleisterin anderer Banken tatsächlich begnügt. Kein Unternehmen in der Schweiz verfügt über vergleichbare IT- und Rechenkapazitäten vor Ort.

Dank der Mittel aus dem traditionellen Telekom-Geschäft hat sie eine Investitionskraft, an die nur die Grossbanken herankommen. Insider berichten, dass durchaus eine Pipeline für eigene Produkte und Anwendungen existierten – Tapit wäre somit nur ein Vorbote gewesen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.8%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.46%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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