Banken gehören zu den grössten Exporteuren der Schweizer Wirtschaft. Dafür ist der grenzüberschreitende Marktzugang unerlässlich. Doch dieser sei bedroht, vor allem jener in die EU, sagt Stefan Hoffmann von der Bankiervereinigung.

Stefan Hoffmann 200Stefan Hoffmann ist Leiter für Europa bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Um den Marktzugang zu sichern, verfolgen die Behörden und die Bankiervereinigung parallel unterschiedliche Strategien. Ein solche Strategie ist notwendig, um die durch die Politik im In- und Ausland verursachte Unsicherheit sowie die Kosten bei den Banken zu verringern und die Chancen auf einen Marktzutritt zu maximieren. Die Schweiz belegt mit 1,5 Prozent Anteil am Weltexport Platz 20 in der Rangliste der Exporteure. Bei einem Anteil von einem Promille an der Weltbevölkerung und einem Prozent am Weltsozialprodukt ist dies beachtlich.

Banken sind eine Exportindustrie

Noch immer ist unser Bild geprägt von der Vorstellung, wir würden vor allem Maschinen, Schokolade, Uhren und pharmazeutische Produkte exportieren.

Dass die Ausfuhr von Dienstleistungen ebenso wichtig ist, wissen nur wenige. Gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) haben sich die gesamten Dienstleistungsexporte seit 1990 sogar verdoppelt. Und die Banken gehören zu den wichtigsten Exporteuren von Dienstleistungen. Sie exportieren jährlich solche im Wert von 22 MIlliarden Franken.

Vermögensberatung bleibt weltweit gefragt

Banken verwalten insbesondere Vermögen privater ausländischer Kunden im Wert von 2'400 Milliarden Dollar. Mit einem Marktanteil von 25 Prozent sind sie Weltmarktführer in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung.

Und der Markt für umfassende Vermögensberatung bleibt lukrativ: Viele private Anleger sind auch nach der Ankündigung des Übergangs zum AIA und der Steuerregularisierung an einer Beziehung mit einer Schweizer Bank interessiert, um von der Qualität und der Breite des Produkte- und Dienstleistungsangebots zu profitieren, weil sie die Beratungskompetenz der Banken schätzen und weil sie von der politischen und rechtlichen Stabilität des Standorts Schweiz profitieren wollen.

EU-Marktzugang wird schwieriger

Auf Grund der engen geographischen und kulturellen Verbundenheit bedienen viele Banken Kunden in der EU. Die Sicherung dieses Marktzutritts bleibt daher für sie vordinglich. Dem grossen Potential stehen praktische Hindernisse im Weg: Banken in der Schweiz haben keinen rechtlich und vertraglich geregelten Anspruch auf die aktive Erbringung von Bankdienstleistungen für EU-Kunden von der Schweiz aus.

Gesetzliche und aufsichtsrechtliche Vorgaben in den einzelnen EU-Ländern weichen stark voneinander ab; die EU kennt keine einheitliche Finanzmarktregulierung. EU-Richtlinien werden unterschiedlich in nationales Recht umgesetzt und durch zahlreiche, national divergierende Bestimmungen überlagert. Und politisch wird es für Drittstaaten immer schwieriger, den EU-Markzugang zu erhalten respektive zu behaupten, wo er heute schon verwehrt ist.

Ein Ziel, drei Wege

  • Bilaterale Abkommen mit wichtigen EU-Partnerstaaten sind möglich, aber schwierig: Dies zeigen das gelungene Beispiel Deutschland und die Verhandlungen mit Frankreich und Italien. Allerdings, 28 bilaterale Lösungen wären aus praktischen Gründen nicht handhabbar; ferner liefen sie Gefahr, durch künftiges EU-Recht eingeschränkt oder ganz aufgehoben zu werden.
  • Gleichwertigkeit mit EU-Normen herzustellen in Bereichen, wo EU-Rechtsakten dies vorsehen, um von Erleichterungen im grenzüberschreitenden Verkehr profitieren zu können, ist eine andere Strategie. Diese beliesse auch Raum für eigenständige, schweizerische Lösungen.
  • Über ein Integrationsabkommen liesse sich der EU-Marktzugang am sichersten und nachhaltigsten sichern. Hierzu müsste die Schweiz allerdings jene Teile des EU-Acquis übernehmen respektive in nationales Recht umsetzen, welche das EU-Finanzmarktrecht betreffen. Ferner wären diese in Zukunft dynamisch nach EU-Vorgaben weiterzuentwickeln. Voraussetzungen für ein Integrationsabkommen wären allerdings eine EU-kompatible Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative sowie eine Einigung mit der EU bezüglich der künftigen institutionellen Rahmenbedingungen.

Mit effizientem Verhandlungsportfolio zum Ziel

Bilaterale Vereinbarungen lassen sich rascher erreichen, bleiben in ihrer Wirkung und möglicherweise auch in ihrer Dauer beschränkt. EU-Äquivalenz zielt auf alle EU-Staaten, belässt der Schweiz auch einige Autonomie, ermöglicht es gegebenenfalls aber lediglich, professionelle Kunden grenzüberschreitend zu bedienen.

Ein Integrationsabkommen würde das Ziel des Marktzugangs weitestgehend sichern, ist aber an viele Voraussetzungen gebunden und hätte einen hohen politischen Preis durch den Verlust an Autonomie. Die Banken benötigen auch in Zukunft einen gesicherten EU-Marktzugang.

So viel ist sicher. Die Wege dorthin sind unterschiedlich risiko- und ertragsreich. Deshalb gehören alle drei Strategien in ein gut diversifiziertes Verhandlungsportfolio: Bilaterale Lösungen als vorübergehende Minimallösung, EU-Äquivalenz als fokussierte Mittellösung, ein Integrationsabkommen als anspruchsvolles, aber unsicheres Fernziel.

Alle Optionen nötig

Um über ein optimales Risiko-Ertragsprofil in den Verhandlungen mit der EU zu haben, benötigen wir alle drei Optionen. Die Politik wird darüber entscheiden, welche zum Zug kommt. Nur Marktabschottung ist keine Option. Für niemanden. Denn sie produzierte nur Verlierer. Auf allen Seiten.