Es ist für jeden Banker einfach zu sagen, dass man als über 50-Jähriger zu alt und zu teuer ist. Doch Kaderstellen-Vermittler Oliver Berger sagt jedem: «Das Alter ist das Einzige, was Sie nicht ändern können – den ganzen Rest schon.» Ein Gespräch.


Herr Berger, die Finanzbranche erlebt einen Paradigmenwechsel – sei das mit der Digitalisierung, der Regulierung oder der Konsolidierung unter den Privatbanken. Wie wirkt sich das alles bei der Suche nach Kaderleuten aus?

Die Situation verlangt ein hohes Mass an Expertise und Marktkenntnis. Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass die Finanzinstitute komplett neue Profile suchen, die bei einer Bank teilweise noch nie auftraten. Diese Profile finden Sie also nicht beim Mitbewerber, sondern eher bei einer Tech-Company. Da alle Banken von der Digitalisierung betroffen sind, herrscht automatisch eine Knappheit an Talenten in diesem Bereich.

Und bei der Regulierung?

Sie führt dazu, dass der Compliance Manager einen ungeahnten Aufstieg erfährt. Vor zehn Jahren fristete er ein Dasein auf unteren Levels. Heute zieht er in die Geschäftsleitung ein und führt multinationale Teams. Entsprechend anspruchsvoll ist die Suche nach solchen Personen.

Was hat sich bei den Privatbanken verändert?

Die Konsolidierung hat zur Folge, dass auch wir uns überlegen, mit welchem Institut wir noch zusammenarbeiten. Denn wir haben nicht nur eine Verpflichtung gegenüber unserem Kunden, sondern auch gegenüber den Kandidaten.

«Wir wollen nicht, dass der Kandidat um seinen Ruf fürchten muss»

Was bedeutet das?

Wir wollen niemanden in ein Umfeld rekrutieren, von dem wir ausgehen müssen, dass es das Institut in Kürze nicht mehr gibt oder der Kandidat um seinen Ruf fürchten muss.

Ein weiteres Thema in der Finanzbranche sind die steigenden Kosten. Welchen Einfluss hat dieses verstärkte Kostenbewusstsein bei der Suche von Führungskräften?

Das Honorar von allen Beratungsunternehmen ist seit Jahren ein Diskussionspunkt – nicht nur im Executive Search. Die Unternehmen haben mittlerweile externe Berater zu internen gemacht, die genau wissen, wie die Externen arbeiten, und welche Kosten wofür anfallen. Dies bedeutet für alle Beratungen eine erhöhte Transparenz.

«Ich habe immer gesagt, diese Initiative ist zum Scheitern verurteilt»

Zudem ist das Geschäftsmodell, wonach ein Senior Partner den Auftrag an Land zieht und dann ein Junior Berater abarbeitet, in meinen Augen nicht mehr zukunftsfähig. Heute möchte der Kunde, dass der Berater, der am Tisch sitzt, auch den Auftrag bearbeitet.

Wie und wohin entwickeln sich die Kompensationspakete der Top-Manager in der Bankbranche?

Krasse Auswüchse, wie wir sie in der Vergangenheit gesehen haben, gibt es nicht mehr. Dafür sind die Banken zu sehr sensibilisiert. Die Saläre bewegen sich aber nach internationalem Angebot und Nachfrage.

Es war eine noble Idee von Thomas Minder mit seiner Initiative darauf Einfluss nehmen zu wollen. Ich habe immer gesagt, dass diese Initiative in der Praxis zum Scheitern verurteilt ist.

Warum?

Sie ist ein Papiertiger für börsenkotierte Unternehmen. Im Top-Management wird es weiterhin sehr hohe Löhne geben, die von den Eigentümern auch abgesegnet werden. Warten wir, bis die Finanzinstitute wieder volle Fahrt aufgenommen haben.

«Die Banken haben die Fixsaläre angehoben»

Wohin geht der Trend?

Wir stellen fest, dass viele Banken die Fixsaläre angehoben haben und die Boni kleiner wurden. Zudem sehen wir eine zunehmende Komplexität bei variablen Vergütungen. Boni sind heute an kurz- und langfristige Ziele gebunden, teilweise aufgeschoben, mit Aktien und Aktienoptionen gekoppelt und mit Pensionssparplänen ergänzt. Hier hat sich in den letzten fünf Jahren viel getan.

Wie sieht es in den rückwärtigen Bereichen aus?

Problematisch für die Banken und insbesondere für die Cost/Income-Ratio ist die Entwicklung bei den Backoffice-Funktionen. Es ist illusorisch zu glauben, die Gehälter der Risk-, Compliance oder IT-Experten würden in den nächsten Jahren sinken. Sie werden weiter markant steigen. Dies ist nur verständlich – wenn der Markt mehr von diesen Experten braucht, werden sie knapp und entsprechend teuer.

Auf welche fünf Kriterien legen Sie bei Ihrer Suche nach guten Kandidaten für Top-Jobs am meisten Wert?

Grundsätzlich habe ich kein Schema X, wonach ich Kandidaten beurteile. Jeder Auftrag ist individuell, da der Linienvorgesetzte und die Kultur des Auftraggebers von Auftrag zu Auftrag verschieden sind. Daher gibt es auch nicht den Super-Kandidaten. Dennoch habe ich einige Kriterien, die bei den Top-Jobs ihre Anwendung finden:

  • 1. Authentische Führungsqualitäten erworben in internationaler Matrixstruktur
  • 2. Reputation im Markt
  • 3. Theoretisches Wissen auf dem aktuellsten Stand
  • 4. Mehrjähriger Erfolgsausweis
  • 5. Unternehmerisches Denken
  • 6. Erfolgreiches Stakeholder-Management, etwa zur Finma

Was sollte ein Top-Manager vorkehren, der seinen Job wechseln möchte?

Er sollte sich den Kontakt zu ein bis zwei Executive Search Consultants aufbauen, die seine Branche verstehen. Zusätzlich sollte er sich ein Netzwerk zu Entscheidungsträgern auf einem Level über ihm erarbeiten. Wer bereits Mitglied der Geschäftsleitung ist, sollte entsprechend Verwaltungsräte als Zielpersonen definieren. Fachlich sollte er Projekte erfolgreich abgeschlossen haben, auf die er in einer künftigen Position aufbauen kann.

«Auf beiden Seiten nimmt die Loyalität kontinuierlich ab»

Es scheint, dass die Loyalität in der Bankbranche immer weniger zählt. Teilen Sie diesen Eindruck?

Absolut. Auf beiden Seiten nimmt die Loyalität kontinuierlich ab. Sie können heute jederzeit gekündigt werden, aber auch jede Person ist ständig auf dem Arbeitsmarkt verfügbar, wie Xing und Linkedin zeigen. Dies ist aber nicht nur in der Bankenbranche so.

Gibt es auch Top-Manager, die unvermittelbar sind?

Tatsächlich bleiben einige auf der Strecke. Abgesehen von Fällen, die nicht vermittelbar sind, da sie zum Beispiel in einem Finma-Verfahren involviert sind, gibt es Profile, die schlicht nicht mehr auf die Anforderungen der Arbeitswelt passen.

Was ist in solchen Fällen zu tun?

Leider unternehmen die wenigsten Arbeitnehmer proaktiv etwas dagegen und reagieren erst, wenn sie die Kündigung erhalten haben. Ich sehe vor allem vier Gründe, weshalb jemand nicht mehr den Anforderungen in der Arbeitswelt gewachsen ist.

  • 1. Die Person ist nicht fit.
  • 2. Die Person hat sich nicht kontinuierlich weitergebildet. Dies bedeutet ihr Profil passt nicht auf heutige Anforderungen.
  • 3. Die Person hat sich kein Netzwerk aufgebaut, insbesondere nicht bei Personen, die sie direkt einstellen könnte. Das Netzwerk ist stets der vielversprechendste Weg, um eine neue Stelle zu erhalten.
  • 4. Und dieser Punkt würde die ersten drei erübrigen: Die Person hat sich nie auf eine Stelle beworben. Hätte sie dies getan, hätte sie womöglich gemerkt, dass sie nicht in ein Bewerbungsgespräch eingeladen wird. Daraus ergäbe sich die Schlussfolgerung, dass ihr Profil nicht passt und gewisse Anpassungen nötig sind.

Es ist einfach zu sagen, dass man als über 50-Jähriger zu alt und zu teuer ist. Aber ich sage jedem: Das Alter ist das Einzige, was Sie nicht ändern können – den ganzen Rest schon.


Oliver Berger ist Executive Search Consultant in Zürich. Er deckt die Aktivitäten des weltweit tätigen Kaderstellen-Vermittlers Leathwaite in der Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) ab. Berger studierte Rechtswissenschaften und verfügt über gut zehn Jahre an Erfahrung in der Beratung von Führungskräften und Spezialisten zu allen Themen rund um die Karriere.

 

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