Finanzexpertin Sandra Navidi beschreibt in ihrem Buch «Super-hubs» das Netzwerk der Mächtigsten der Finanzwelt. Im Interview mit finews.ch sagt die in New York lebende Deutsche, wie diese «Super-hubs» ticken.

Frau Navidi, diese Woche findet wieder das WEF in Davos statt. Einer der ganz wichtigen Treffpunkte der «Super-hubs», der globalen Finanzelite, die sie in ihrem neuen Buch beschreiben. Haben diese Meetings unter den «Super-hubs» spürbare Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft?

Mittelbar ja. Das WEF hat ja kein öffentliches Mandat, kann also keine unmittelbar verpflichtenden Entscheidungen treffen und umsetzen. Aber es werden dort neue Beziehungen geknüpft, Geschäfte angebahnt und manchmal abgeschlossen. Man kann das WEF als riesigen «Think Tank» sehen. Und durch die Teilnahme zahlloser Vordenker und auch «Super-hubs» hat es Auswirkungen auf den Zeitgeist und kanalisiert Trends.

Ein solche Machtkonzentration von Finanzleuten an einem Ort – kein Wunder, dass immer wieder Verschwörungstheorien gesponnen werden. Völlig zu unrecht?

Es gibt keine zentrale Schaltstelle, die das Weltgeschehen kontrolliert. Das WEF ist äusserst transparent und die Leute, die dort vertrauliche Gespräche führen, könnten dies auch jederzeit woanders tun. Ein Zusammenwirken, das nachteilige Auswirkungen auf die Allgemeinheit hat, spielt sich in der Regel in aller Öffentlichkeit ab.

Dennoch: Sie beschreiben eine extreme Machtkonzentration – einige Wenige im gleichen Netzwerk können alles entscheiden. Birgt dies Gefahren?

Dadurch, dass Entscheider sich mit ähnlichen Menschen umgeben, homogenisiert sich das Umfeld. Sie denken ähnlich, haben Zugang zu ähnlichen Informationen und fällen ähnliche Entscheidungen. Sie perpetuieren das System zu ihren Gunsten.

«In ihrem Netzwerk sind sie unschlagbar»

Die Homogenität hat auch eine erhöhte Ansteckungsgefahr zur Folge. Darüber hinaus neigen diese Entscheider dazu, regulierende Kontroll- und Korrekturmechanismen auszuschalten, die normalerweise dafür sorgen, dass ein System gar nicht erst in Schieflage gerät oder sich wieder ausgleicht. Die Finanzkrise und die wachsende Wohlstandsschere sind gute Beispiele für destabilisierte Systeme, deren Rückkopplungsmechanismen nicht mehr einwandfrei funktionieren.

Nach ihren Recherchen und ihren persönlichen Erfahrungen: Wer ist der «Super-super-hub» in diesem Netzwerk, der derzeitig wichtigste und mächtigste Mensch in der Finanzwelt?

Es gibt keine einzige Person. Jeder der «Super-hubs» – sei es ein Finanzminister, Zentralbanken-, Bankenchef oder Milliarden-Fonds-Manager – hat auf seine Weise extrem starken Einfluss auf das System. Wirken sie in ihrem Netzwerk zusammen, sind sie unschlagbar.

Würden Sie auch Schweizer Banker zu diesem Netzwerk der «Super-hubs» zählen?

Ja, die CEO der Grossbanken UBS und Credit Suisse, Sergio Ermotti und Tidjane Thiam. Aber zum Beispiel auch Thomas Jordan, den Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank.

Sie kennen zahlreiche der im Buch beschriebenen Figuren persönlich. Wie ist es als Frau in dieser testosteron-gesteuerten Welt?

Es hat Vor- und Nachteile. Man bekommt mehr Aufmerksamkeit und vielleicht auch leichter einen Fuss in die Tür. Auf der anderen Seite muss man doppelt und dreifach kämpfen, um ernst genommen zu werden.

«Sie haben ein grosses Ego und streben nach Macht»

Viele Männer filtern ihre Wahrnehmung – meist unabsichtlich und selbst wenn sie die Qualifikation des weiblichen Gegenübers rational anerkennen – immer noch durch die Brille ihres Rollenverständnisses.

Wer hat Sie bisher am meisten beeindruckt?

Christine Lagarde (Red: Direktorin des Internationalen Währungsfonds) ist ein sehr starke Persönlichkeit. George Soros (Hedgefonds-Manager) ist enorm vielseitig. Aber auch hier ist es weniger eine einzelne Person, die mich uneingeschränkt beeindruckt, sondern mehr einzelne Eigenschaften, die diese Personen besitzen.

Welche denn?

Christine Lagarde ist stets und unter allen Umständen freundlich und zuvorkommend, egal wie gross der Stress oder das Jetlag ist. Jamie Dimon (Chairman und CEO J.P. Morgan) beeindruckt durch seine Authentizität. Er ist das Gegenteil von «glatt». Steve Schwarzman (Chairman und CEO Blackstone) hat eine enorme  Sozialkompetenz. Er stellt sich wunderbar auf sein Gegenüber ein und demonstriert wie man mit Humor, auch kulturübergreifend, Brücken bauen kann. Ganz grundsätzlich beeindrucken mich die meisten Super-hubs mit ihrer Disziplin, Lernbegierde und Bodenständigkeit.

Reichtum und Kontakte sind offensichtlich die herausragenden Merkmale der «Super-hubs». Was kennzeichnet sie noch?

«Super-hubs» haben ein grosses Ego und streben nach Macht. Stark ausgeprägt ist ihre emotionale Intelligenz und ihre Fähigkeit, Niederlagen zu überwinden. Häufig weicht ihre Persönlichkeit etwas von der Norm ab, zum Beispiel indem sie ihre Ziele geradezu besessen verfolgen.

Super-Erfolg zu haben bedingt immer auch, einen Preis zu zahlen. Wie hoch ist der Preis, den «Super-hubs» zahlen?

Der Normalbürger würden den Preis vermutlich als sehr hoch empfinden. Bei «Super-hubs» liegt die Schmerzgrenze deutlich höher. Sie trennen nicht zwischen Berufs- und Privatleben.

«Das Prestige beruht vor allem auf Substanz»

Sie müssen ständig erreichbar sein, leben unter einem Vergrösserungsglas und stehen pausenlos unter Druck. Schwäche zeigen ist nicht erlaubt und das Familienleben steht meist hinter dem Beruf zurück und leidet.

Viele der von ihnen beschriebenen Personen stammen aus einfachen Verhältnissen und haben sich hoch gearbeitet. Geben Sie mal eine Anleitung: Wie werde ich zum «Super-hub»?

Intelligent, hervorragend ausgebildet, fleissig und erfolgreich zu sein, sind schon einmal Grundvoraussetzungen. Man benötigt auch eine holistische Netzwerkmentalität, die auf einem Interesse an anderen Menschen und einem positiven Menschenbild beruht. «Super-hubs» investieren Zeit ihres Lebens in die Netzwerk-Währung Sozialkapital. Häufig gehen sie in Vorleistung, aber wenn sie Hilfe benötigen, können sie auf ihre Beziehungen zurückgreifen. «Super-hubs» tun sich auch gerne intellektuell hervor. Viel Geld zu haben, verschafft als Symbol für Erfolg vielleicht ein gewisses Ansehen, aber «Super-hub»-Prestige beruht vor allem auch auf Inhalten und Substanz.


Super HubsSandra Navidi ist Gründerin und CEO des Beratungsunternehmens Beyond Global. Die Juristin arbeitete zuvor unter Nouriel Roubini als Research-Direktorin. Diesen Montag erscheint ihr im Buch «Super-hubs – Wie die Finanzelite und ihre Netzwerke die Welt regieren». Sandra Navidi lebt in New York.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.33%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
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  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
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  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.62%
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