Der Enthüller der Mossack-Fonseka-Dokumente beging einen kapitalen Fehler. Dass er nämlich diese Papiere ausgerechnet den westlichen Medien zuspielte, findet der britische Autor und frühere britische Botschafter Craig Murray.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei den Herausgebern von finews.ch Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Dieter Ruloff, Samuel Gerber, Werner Vogt, Claude Baumann, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Peter Hody, Robert Holzach. und Thorsten Polleit.


Die Person, welche die vertraulichen Dokumente von Mossack Fonseca weitergegeben hat, wollte vermutlich ein System entlarven, das es den Reichen erlaubt, ihr Vermögen zu verstecken. Geld, das sie möglicherweise durch Korruption erlangten und das sie den Steuerbehörden vorenthalten haben. Die panamesischen Anwälte verbargen tatsächlich das Geld einer Elite, und der enorme Umfang der veröffentlichten Dokumente hätte eigentlich eine wunderbare Sache sein können.

Doch leider beging der Enthüller den kapitalen Fehler, sich mit seinen Dokumenten an westlichen Medien zu wenden, was wiederum dazu führte, dass der erste Artikel zum Thema, der in der britischen Zeitung «The Guardian» erschien, ausschliesslich von Wladimir Putin und «seinem» Cellisten handelte. Natürlich ist die Geschichte wahr, und ich zweifle keinen Augenblick daran, dass Putin korrupt ist.

Trotzdem stellt sich die Frage, warum der Fokus dermassen auf Russland lag und noch immer liegt. Russische Vermögen machen nur einen verschwindend kleinen Teil jenes Geldes aus, das über Mossack Fonseca versteckt wurde. Damit wird sehr schnell klar, dass die selektive Berichterstattung im Zusammenhang mit den so genannten «Panama Papers» zum Himmel stinkt.

«Die Daten hat das lächerliche International Consortium of Investigative Journalists aufbereitet»

Die «Süddeutsche Zeitung», die die Dokumente ebenfalls erhielt, erläutert in einem Artikel detalliert, welche Vorgehensweise sie anwandte, um die Unterlagen zu sichten. In ihrer primären Suche forschte sie nach Namen, die im Zusammenhang mit der Missachtung von Uno-Sanktionen stehen. Ähnliches tat auch der «Guardian» und listete in der Folge die entsprechenden Länder auf: Simbabwe, Nordkorea, Russland und Syrien.

Die Medienkonzerne durchforschten die Mossack-Fonseca-Dokumente mit Hilfe eines Filters, der den Interessen westlicher Regierungen dient. Denn in den Dokumenten finden sich kaum Namen von westlichen Konzernen oder Milliardären, die recht eigentlich die Hauptkunden von Mossack Fonseca waren. Paradoxerweise beeilt sich der «Guardian» noch zu versichern, dass viele der durchgesickerten Dokumente nie publik werden sollen.

Aber hätte man etwas anderes erwarten können? Die Daten hat das grossspurig wie lächerlich bezeichnete «International Consortium of Investigative Journalists» aufbereitet. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die zu 100 Prozent durch das Center for Public Integrity in den USA finanziert wird. Dabei gehören folgende Institutionen zu den Gründungsmitgliedern:

  • Ford Foundation
  • Carnegie Endowment
  • Rockefeller Family Fund
  • W.K. Kellogg Foundation
  • Open Society Foundation (George Soros).

Angesichts dieser Namen darf niemand erwarten, dass so die kapitalistische Gesellschaft blossgestellt werden könnte. Vielmehr bleiben die «schmutzigen Geheimnisse» westlicher Konzerne schön geheim.

Im Gegensatz dazu fallen die Angriffe auf Russland, Iran und Syrien und auf ein paar kleine, ausgleichende westliche Länder wie Island umso heftiger aus – ein oder zwei pensionierte britische Adlige wurden ebenfalls geopfert – einer davon ist bereits dement.

«So gelangen keine sensiblen Informationen ungefiltert nach aussen»

Erwähnenswert ist auch, dass die Medienhäuser wie der «Guardian» und die «BBC» in Grossbritannien, Exklusivrechte an den Daten besitzen, so dass wir viele Informationen nie selber werden einsehen können. So garantieren die Medien, dass keine sensible Informationen über westliche Konzerne ungefildert nach aussen gelangen. Stattdessen erhalten wir nur «ausgesuchte»  Dokumente, etwa über Länder, welche die Uno-Sanktionen unterlaufen haben. Man darf nie vergessen, dass der «Guardian» seine Kopien der Snowden-Dokumente auf Anweisung des britischen Geheimdienstes MI6 zerstört hat.

Was würde wohl herauskommen, wenn man die Mossack-Fonseca-Dokumente nach den Besitzern von Medienhäusern und deren Firmen durchforschen würde? Oder nach Redaktoren und Namen renommierter Journalisten? Was würde geschehen, wenn man die Dokumente nach den Namen der Top-Kaderleute bei der «BBC» durchforsten würde? Und was, wenn die Unterlagen nach den Mäzenen des Center for Public Integrity und deren Firmen untersuchen würden?

«Das wäre die Aufgabe der hiesigen Medien»

Was würde geschehen, wenn man die Suche auf sämtliche Firmen ausdehnen würde, die an westlichen Börsen kotiert sind, und auf alle Millionäre?

Das wäre sicherlich viel interessanter als die nun öffentlich vorliegenden Informationen. Natürlich ist mir bewusst, dass Russland und China korrupt sind. Das muss man mir nicht speziell sagen. Aber was wäre, wenn wir die Daten jener Organisationen hier im Westen erhalten würden, gegen die wir uns möglicherweise erheben möchten? Das wäre die eigentliche Aufgabe der hiesigen Medien. 


Craig Murray ist Autor, Rundfunk-Sprecher und Menschenrechts-Aktivist. Er war britischer Botschafter in Usbekistan von August 2002 bis Oktober 2004 sowie Rektor der Universität von Dundee von 2007 bis 2010.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.67%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.26%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.44%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.39%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.24%
pixel