Auf Grund der «Panama Papers» fordern manche Fachleute eine Verschärfung der Sorgfaltsregeln. Namentlich beratende Anwälte gerieten so ins Visier der Aufsicht und der Politik, stellt der Geldwäscherei-Experte David Zollinger fest.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei den Herausgebern von finews.ch Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Dieter Ruloff, Samuel Gerber, Werner Vogt, Claude Baumann, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Peter Hody, Robert Holzach. und Thorsten Polleit und Craig Murray.


In den vergangenen zehn Jahren hat eine Umwertung der öffentlichen Wahrnehmung stattgefunden. Während früher die Legalität des Handelns (Wurden die Gesetze eingehalten?) der einzige Massstab war, ist heute stärker auch die Legitimität (Ist das Verhalten unabhängig von einer fehlenden Gesetzesverletzung auch akzeptabel?) in den Vordergrund gerückt.

Besonders auf politischer Ebene scheint die Legitimität die Legalität zu verdrängen – der britische Premierminister David Cameron sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, obwohl ihm bis heute niemand illegales Handeln vorwerfen kann.

Die Folge dieser Verschiebung ist, dass nicht mehr allein der Gesetzesrahmen die Vorgaben macht, sondern eine übergeordnete Ethik. Das ist nicht a priori falsch, zeigt aber die relative Bedeutung der gesetzlichen Regulierung.

«Die Mitarbeiter der Finanzintermediäre wissen, welche Kreuzchen sie wo anbringen müssen»

Die «Panama Papers» haben ebenfalls gezeigt, dass die Frage der Umsetzung einer Vorschrift mindestens so zentral ist wie die Regulierung selbst. Was nützen klare Vorgaben bezüglich «politisch exponierter Personen» (PEP), wenn letztlich alles auf der Selbstdeklaration der Betroffenen beruht und einzelne Finanzintermediäre grosszügig akzeptieren, was ihnen auf dem Papier angekreuzt wird?

Um es zu betonen: Das Problem bei den PEP ist mitnichten deren Erkennbarkeit, sondern die Frage nach der Herkunft ihrer Vermögenswerte. Wenn es denn einen Vollzugsnotstand gäbe, dann wäre er wohl hier zu suchen. Die Erfahrung (sowohl als Staatsanwalt, als Bankkader wie als Berater) zeigt, dass die Mitarbeiter der Finanzintermediäre in der Regel sehr wohl wissen, welche Kreuzchen sie wo auf dem Formular anbringen müssen.

Ebenso wissen sie, was im Hinblick auf ein Kundenprofil von ihnen erwartet wird. Was aber weder sie noch oft auch ihre Vorgesetzten wissen: Wie stelle ich nun dem Kunden die Fragen, die letztlich relevant sind, und wie reagiere ich, wenn ich nicht die Antworten erhalte, welche ich eigentlich bräuchte?

«Wer möglichst unauffällig bleiben will, der meldet eben gar nichts»

Das scheint mir das grundlegendere Problem zu sein, als dass man noch drei Formulare zusätzliche ins Kundendossier legen müsste. Und ganz nebenbei bemerkt: Wer absichtlich weghört und wegschaut, den erreicht auch die strengste Regulierung nicht.

Daran ändert auch nichts, dass die Aufsicht mehr Geldwäschereimeldungen der Finanzintermediäre verlangt. Wer die Verantwortung abschieben will, meldet einen Sachverhalt zumeist schon dann, wenn eigentlich zuerst interne Abklärungen nötig gewesen wären. Und wer möglichst unauffällig bleiben will, der meldet eben gar nichts.

Nun kommen die beratenden Anwälte ins Visier der Politik. Dabei steht die Forderung im Raum, es solle bereits als Finanzintermediär erfasst werden, wer im Bereich der Vermögensverwaltung nur schon beim Errichten einer Struktur behilflich ist, selbst wenn er nicht über die verwalteten Vermögenswerte verfügen könne.

Man kann das diskutieren, und gänzlich unbekannt sind solche Normen nicht. In Grossbritannien beispielsweise sind Rechtsanwälte und Steuerberater unter gewissen Bedingungen zur Geldwäschereimeldung verpflichtet, wenn die Vermögenswerte ihrer Klienten unversteuert oder gar deliktischen Ursprungs scheinen.

«Im Grunde wissen alle Beteiligten bereits heute, was sie tun oder tun sollten»

Hier ist aber besonnenes Handeln gefragt. Denn erstens würde eine solche Regelung in der Schweiz eine tiefgreifendere Umwälzung bewirken, als dies auf den ersten Blick aussieht. Namentlich das Anwaltsgeheimnis und möglicherweise auch das Revisorengeheimnis müssten neu definiert werden. Und die Auswirkungen auf das Klientenverhältnis wären aus heutiger Sicht kaum vollständig absehbar.

Im Grunde wissen alle Beteiligten bereits heute, was sie tun oder tun sollten. Wenn sie die in ihren Berufsstand gesetzte Verantwortung nicht wahrnehmen, dann nützt selbst die schärfste Regelung nichts.

Oft heisst es auch, es sollten die Strafnormen verschärft werden. Das wirft in zweierlei Hinsicht Fragen auf: Erstens ist aus der Kriminologie längstens bekannt, dass primär nicht die Höhe einer zu erwartenden Strafe vom Delinquieren abhält, sondern die erwartete Wahrscheinlichkeit des Erwischtwerdens!

Tatsache ist, dass immer wieder Finanzintermediäre (zumeist Bankmitarbeiter) wegen Geldwäschereihandlungen oder Verletzung von Sorgfaltspflichten bestraft werden und damit in der Regel beruflich erledigt sind. Kann es eine härtere Strafe geben?

Damit wäre zweitens zu fragen, wie denn die Wahrscheinlichkeit des Erwischtwerdens erhöht werden kann. Und darauf gibt es leider keine einfache Antwort. Wer nicht einen totalitären Überwachungsstaat will, der muss letztlich immer auch auf den guten Willen der Rechtsunterworfenen zählen.

«Wenn etwas zu betonen wäre, dann in erster Linie die Verantwortung der Akteure»

Untersuchungen im Grossbanken-Bereich zeigen überdies, dass letztlich der klassische Know-Your-Customer-Ansatz (KYC), also die Frage, wer denn eigentlich der Kunde ist und woher sein Geld kommt) am meisten aufdeckt – nicht die Transaktionsüberwachung und es sind auch nicht die Datenbanken, mit denen Namen überprüft werden.

Das aber wirft das Problem auf die die Leute an der Front und deren Vorgesetzte zurück. Denn wenn die Personen im Kundenkontakt ihre Aufgaben nicht oder ungenügend wahrnehmen, dann nützt selbst die beste und konsequenteste Regulierung nichts.

Die Antwort also, in welche Richtung die Regulierung gehen soll, ist jedenfalls für Fachleute nicht einfach. Mehr Normen werden nicht automatisch zu mehr erwünschtem Handeln führen. Wenn etwas zu betonen wäre, dann wohl in erster Linie die Verantwortung der handelnden Akteure.

Eine Vorverlagerung der treuhänderischen Anwaltstätigkeit in den Bereich der Strukturberatung der Finanzintermediäre ist denkbar, müsste aber sehr präzis erfolgen, wenn man das Kind nicht mit dem Bad ausschütten will. Und eine Verschiebung der Zuständigkeiten wieder mehr zu den Strafbehörden wäre sinnvoll, wenn man möglichst schnell greifbare Resultate will.


David Zollinger ist spezialisiert auf Wirtschaftsstrafrecht, Geldwäscherei und Korruption, internationale Rechtshilfe in Strafsachen sowie Sorgfaltspflichten der Finanzintermediäre. Er leitete bis 2007 den Bereich Rechtshilfe und Geldwäschereiverfahren bei der Zürcher Staatsanwaltschaft. Danach war er Geschäftsleitungsmitglied bei der Privatbank Wegelin.

Im Jahr 2013 gründete er die Beratungsfirma Phos4house, die auf Unternehmenssicherheit, Krisenmanagement und Ermittlungen spezialisiert ist. Seit 2011 ist Zollinger auch Mitglied der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft und seit 2015 Konsulent bei Tethong Blattner.

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