Der Schweizerische Verband für Strukturierte Produkte wird zehn Jahre alt. «In dieser Zeit hat sich die Branche grundlegend verändert», sagt Präsident Georg von Wattenwyl im Interview finews.ch.


Herr von Wattenwyl, nach zehn Jahren SVSP: Wie präsentiert sich die Branche heute im Vergleich zu 2006?

Damals herrschte noch ein völlig anderes Regime: Der Markt ist kontinuierlich gewachsen, und die Anleger investierten sehr offensiv. Es herrschte ein typischer Verkäufermarkt.

Heute haben wir einen Käufermarkt, die Nachfrage bestimmt das Angebot. Es stehen andere Produkte im Fokus als noch vor zehn Jahren. Zudem spielt die Technologie heute in der ganzen Wertschöpfungskette eine grössere Rolle, und die Anforderungen an den Verkaufs- und Dokumentationsprozess sind deutlich höher. Die Vorbehalte gegenüber Strukturierten Produkten waren vor der Finanzkrise wohl kleiner.

Der Bruch geschah mit der Finanzkrise. Die Reputation der Branche hat stark gelitten. Was waren die grossen Veränderungen?

Das negative Ereignis war sicherlich der Kollaps von Lehman Brothers. Obschon davon grundsätzlich alle Finanzprodukte, also auch Aktien und Obligationen betroffen waren, wurde das Problem primär mit Strukturierten Produkten in Verbindung gebracht. Das Thema Emittenten-Risiko war plötzlich in aller Munde. Dies hat die Branche sicherlich verändert, und es fand eine Bereinigung statt.

«Der Verband mischt sich nicht in das Produktmanagement ein»

Vor der Finanzkrise waren Anleger teilweise in Produkte investiert, die sie vielleicht nicht ganz verstanden haben, und die entsprechend nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten waren.

Der Verband trat nach der Finanzkrise an, die Transparenz im Markt zu fördern. War dies eine Folge dieses Bruchs?

Transparenz und Aufklärung waren seit Beginn zentrale Anliegen des Verbandes. So ist es unser Ziel, die Produkte und die damit verbundenen Risiken verständlich zu machen. Der SVSP hat hier Verantwortung übernommen und beispielsweise die Swiss Derivative Map geschaffen, eine Art Landkarte, welche die Produkte kategorisiert und die wichtigsten Merkmale der Kategorien beschreibt. Diese Map ist heute europäischer Standard. Allgemein werden heute verstärkt einfachere und somit verständlichere Produkte nachgefragt.

Hat der Verband auf diese Vereinfachung hingewirkt?

Der Verband mischt sich nicht in das Produktmanagement der Emittenten ein. Er gibt jedoch Empfehlungen ab und erlässt Richtlinien in Sachen Transparenz oder Risiko- und Gebührendeklarierung.

Die Technologisierung hat die Branche stark verändert. Produkte können heute flexibler und günstiger gebaut werden. Wie sieht die Zukunft aus?

In der Tat sind Strukturierte Produkte dank der Technologie kostengünstiger geworden, zum Vorteil des Anlegers. So konnten die Stückkosten von einigen tausend Franken auf teilweise nur noch 100 Franken gesenkt werden. Die technologischen Fortschritte ermöglichen auch eine kürzere Produktionszeit, so dass Strukturierte Produkte extrem schnell und zielgerichtet eingesetzt werden können. Deshalb können sie auch eine wichtige Rolle im modernen Anlageprozess spielen.

Tun sie das noch nicht?

Sie werden mehrheitlich noch aus opportunistischen Gründen gekauft und spielen in einer traditionellen Portfolio-Allokation noch kaum eine Rolle, obwohl sie ein enormes Potenzial haben, das Risiko-Rendite-Profil eines Depots zu verbessern. Es ist allerdings schwierig, den Nutzen eines Strukturierten Produktes im Portfolio-Kontext darzustellen.

«Die Studie räumt mit dem Vorurteil auf, Strukturierte Produkte seien generell zu teuer»

Dazu braucht es eine standardisierte Anwendung. Wir entwickeln darum derzeit eine App, die Kundenberater und Interessierten ermöglicht, die Vorteile und Möglichkeiten von Strukturierten Produkten für ein Portfolio zu simulieren.

Was sind weitere Zukunftsszenarien?

Wir sind der Meinung, dass Strukturierte Produkte auch im Bereich Vorsorge neue Renditequellen erschliessen könnten. Im Vorsorgemarkt warten bekanntlich angesichts des Umfeldes mit tiefen und negativen Zinsen grosse Herausforderungen. Es wäre erstrebenswert, innovative Produkte für diesen Markt zu entwickeln. Das Potenzial ist dort wesentlich höher als es bis heute genutzt wird.

Sie haben letztes Jahr eine Studie zu Pricing und Gebühren von Strukturierten Produkten veröffentlicht. Die Aussage war: Die Produkte erzielen eine gute Performance bei angemessenen Kosten. Haben Sie mit der Studie ihre Zielsetzung bezüglich Transparenz erreicht?

Die Studie räumt mit dem Vorurteil auf, Strukturierte Produkte seien generell zu teuer. Die Gebühren liegen zwischen 0,3 und 1,7 Prozent. Die Studie hat sicher zur vorhandenen Akzeptanz dieser Produkte beigetragen. Zudem liefert sie einen guten Überblick über die Einsatzmöglichkeiten und Renditen. Natürlich gibt es noch immer Skeptiker. Mit diesen wollen wir einen offenen Dialog führen.

Ein weiteres Ziel des SVSP ist es, die Relevanz der Branche und dieser Anlageprodukte für den Schweizer Finanzplatz hervorzuheben und sichtbarer zu machen. Sie haben darum auch mit Lobbying in Bern begonnen. Was haben Sie bis jetzt erreicht?

Wir sind dank eines regelmässigen Meinungsaustausches mit Politikern einen grossen Schritt weiter gekommen. Es ist das Resultat einer guten und nachhaltig organisierten Verbandsarbeit, auch in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Bankiervereinigung, der Finma und weiteren Organisationen.

Die Glaubwürdigkeit der Branche ist sicherlich gestiegen. Sie wird ernst genommen. Der Verband wird heute beispielsweise zu einer Anhörung über Fidleg in die Ständeratskommission eingeladen. Das war vor ein paar Jahren noch undenkbar.

«Es sind Mathematiker, Physiker, IT-Spezialisten und Juristen hinzugekommen»

Dank der neuen Marktstatistik können wir auch aufzeigen, dass unsere Branche jedes Jahr einen Gesamtumsatz von deutlich über 200 Milliarden Franken generiert. Die Schweiz ist somit weltweit der grösste Markt für Strukturierte Produkte mit einem beachtlichen Absatzpotential im Ausland. Das sichert auch viele hochqualifizierte Arbeitsplätze.

Wie hat sich der Personalbestand in den letzten zehn Jahren entwickelt?

Wir schätzen, dass in der Schweiz rund 3'000 Leute für oder mit Strukturierten Produkten arbeiten. Diese Zahl dürfte stabil sein. Im Zuge der technologischen Entwicklung haben sich jedoch die Anforderungsprofile verändert. Neben Vertriebsfachleuten, Finanzingenieuren und Händlern, die es immer gab, sind heute viele Spezialisten mit quantitativem Berufshintergrund wie Mathematiker und Physiker, IT-Spezialisten und Juristen hinzugekommen.

Wächst der Verband?

Wir wachsen recht deutlich, seit wir uns verstärkt auf die gesamte Wertschöpfung der Branche ausgerichtet haben. Das heisst, neben den Emittenten und der Börse sind heute auch Distributionspartner, Technologieanbieter sowie andere Partner Verbandsmitglieder. Allein über die letzten zwölf Monate ist die Anzahl um 30 Prozent auf 25 Mitglieder gewachsen.

Was tut der Verband für die Mitglieder?

Die Mittel der Mitgliederbeiträge werden sehr gezielt eingesetzt. So übernimmt der Verband beispielsweise viele regulatorische Aufgaben, die auf Branchenebene für die Mitglieder gelöst werden können. Des Weiteren leistet der Verband viel Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit und investiert in Projekte, welche die Branche weiterbringen. Er finanziert auch die Entwicklung der erwähnten App.

Wieviele Personen arbeiten im Verband?

Im Vorstand sind fünf Branchenvertreter inklusive mir als Präsidenten tätig. In der Geschäftsstelle arbeiten drei Experten im Mandatsverhältnis, mit Jürg Stähelin als Geschäftsführer. Zudem bringen sich viele Experten in den verschiedenen Arbeitsgruppen ein. Dadurch ist die Nähe zur Branche bestmöglich gewährleistet und effiziente Verbandsarbeit sichergestellt.


Georg von Wattenwyl ist einer der profiliertesten Köpfe im Schweizer Derivate-Geschäft. Seit 2014 steht er dem Schweizerischen Verband für Strukturierte Produkte (SVSP) als Präsident vor. Bei der Bank Vontobel ist von Wattenwyl Head of Financial Products Advisory & Distribution. Für die Bank ist er seit 1998 tätig. Dabei war er von Anfang an mitverantwortlich für die Entwicklung von derivativen Produkten und deren Handel. Zuvor durchlief er als Fixed-Income-Spezialist mehrere Stationen bei der Grossbank Credit Suisse.

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