Der Finanzwissenschafter Paolo Tasca sieht mit der Blockchain-Technologie eine Revolution aufs Finanzwesen zurollen. Gegenüber finews.ch erklärt er, wie sich die Banken und die Schweiz wappnen sollten.

Herr Tasca, im Rahmen des Kapitalmarkt-Forums Schweiz referieren Sie darüber, ob die Blockchain-Technologie eine Revolution des Finanzwesen auslösen wird. Kommt es tatsächlich zu einem Umsturz?

Ich erwarte, dass die Blockchain teils zu einer Evolution, teils zu einer Revolution der Finanzbranche führen wird.

Wie das?

Eine Evolution werden wir überall dort erleben, wo die Geschäftsmodelle nicht angetastet, sondern nur mit Hilfe der Blockchain-Technologie auf eine neue Basis gestellt werden. Die aufkommenden digitalen Brieftaschen sind da ein gutes Beispiel.

Weshalb?

Universell anwendbare E-Wallets kombiniert mit Multi-Währungssystemen werden es uns erlauben, digitale und harte Devisen völlig kostenfrei und ohne Bankkonto einzusetzen.

«Apple Pay ist ein Schritt hin zur universellen Brieftasche»

Eben kündigte die Firma Apple an, mit ihrer Bezahl-App Apple Pay im Sommer in der Schweiz zu starten. Ist das schon die universelle Brieftasche, von der Sie sprechen?

Die Einführung von Google Wallet und Apple Pay wird zu einer Verbreitung von E-Wallets führen und so die Verwendung digitaler Währungen fördern. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu universellen Brieftaschen, die dann digitale Zahlungen via Social-Media-Plattformen wie Twitter und Facebook schicken. Der Empfänger kann die Sendung dann auch ohne E-Wallet über einen Link beziehen. Das alles sind evolutionäre Entwicklungen, weil zumindest das Konzept von Geld dasselbe bleibt.

Und woher kommt die Revolution?

Wir bauen derzeit an den Grundlagen für Blockchain-Infrastrukturen, die etwa den Aufbau von so genannten Decentralised Autonomous Organisations ermöglichen. Das sind dann Firmen, die selbstständig nach einem in der Blockchain gespeicherten Programm agieren – dezentral und unabhängig von Mittlern.

Was wäre die Folge?

Da die Organisationen virtuell in Kontakt mit ihren Kunden treten und dank künstlicher Intelligenz auch in neue Märkte und Industrien vordringen können, werden sie die geltenden Regeln von Ökonomie und Betriebswirtschaft grundlegend verändern. Und damit auch unsere Gesellschaft.

«Das Banking wird sich dramatisch verändern»

Und was heisst das für etablierte Player wie die Grossbanken – besiegelt die Blockchain das Ende einer UBS?

Die Banken werden nicht verschwinden. Aber das Banking an sich und der Zahlungsverkehr werden sich dramatisch verändern.

So?

Schwergewichte wie die UBS sind hellwach und sich der Möglichkeiten der Blockchain sehr wohl bewusst. Nicht von ungefähr investieren sie Millionen von Dollar in die neue Technologie. Dies im Wissen, dass die meisten ihrer Geschäftsbereiche von der Blockchain profitieren können – in erster Linie erstmal durch Einsparung von Kosten.

Und wie sehen Sie die Chancen des Schweizer Finanzplatzes? Kann er auch zum Blockchain-Hub werden?

Die Schweiz verfügt über eine offene, multikulturelle Gesellschaft, die gescheite Fintech-Köpfe aus aller Welt anzieht. Ebenfalls sind Plattformen für die Förderung von Jungfirmen und ausgezeichnete Universitäten vorhanden. Doch das reicht nicht.

«China gibt Hunderte Millionen Dollar für Fintech aus»

Wieso nicht?

Was fehlt, ist die Vision und Führung seitens des Staates, um die vorhandenen Faktoren zielgerichtet zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einzusetzen.

Das passt schlecht zum förderalen und basisdemokratischen Verständnis des Landes, oder?

Staaten wie die USA, Grossbritannien und China jedenfalls haben verstanden, dass die Unterstützung von Themen wie Blockchain, Big Data und lernfähigen Maschinen am Ende eine höhere Wirtschaftsleistung verspricht. Dazu haben sie teils massive Förderungsprogramme in Gang gesetzt.

Die hiesige Regierung hat versprochen, den Fintech-Firmen regulatorische Hürden aus dem Weg zu räumen...

Sehen Sie, vor wenigen Wochen sprach ich an der Big Data Expo in Guiyang in China. Patron des Anlasses, an dem rund 50'000 Zuschauer teilnahmen, war kein geringer als der Premierminister Li Keqiang. Die chinesische Führung gibt bereits Hunderte Millionen Dollar für Fintech-Themen aus. Etwa für das Projekt «Digital Silk Road», das die Handelsfinanzierung und den Zahlungsverkehr mit dem Ausland auf digitale Basis stellen soll.

Nochmals: Ohne staatliche Vision und Führung sind die Chancen der Schweiz sehr klein, sich als internationaler Blockchain-Hub zu etablieren.


Paolo Tasca ist als Ökonom spezialisiert auf Fintech-Themen und fokussiert auf die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie sowie auf Finanzsysteme, in denen Individuen direkt interagieren (P2P). Im Solde der Deutschen Bundesbank forschte der Italiener, der an der Zürcher ETH seine Doktorarbeit verfasste, zu digitalen Währungen. Derzeit leitet Tasca Centre for Blockchain Technologies am University College London. Am Donnerstag, dem 16. Juni, referiert Tasca anlässlich eines Seminar-Workshops des Kapitalmarkt-Forums Schweiz in Zürich.

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