Börsenfuchs Peter Schuppli, Chefredaktor der «Finanz und Wirtschaft», skizziert für finews.ch die Perspektiven der Schweizer Börse für 2010.

Wie wird das Börsenjahr 2010 für die Schweizer Aktien?

2010 wird steigende Kurse bringen und die Schweizer Aktien werden vergleichsweise besser abschneiden. Das kommende Jahr wird von einem Dilemma geprägt sein: Wenn die Konjunktur spürbar anzieht, müssen die Zentralbanken die Zinsen erhöhen, was die Aktienkurse generell belasten wird – ausser jene der wirklich zyklischen Titel.

Läuft die Wirtschaft nicht, dann dürften viele Aktien zu hoch bewertet sein – was ebenfalls Korrekturbedarf bedeutet. Deshalb dürften per Saldo die konservativen Standardwerte wie Roche, Nestlé, Novartis und Swisscom – auch wegen der ansehnlichen Dividendenrenditen – am besten laufen. Und weil diese Art von Titeln im Schweizer Index übergewichtet sind, wird der SMI wohl besser laufen als die meisten anderen Indizes.


«Money, Markt und Management entscheiden»


Wer sind Ihre Favoriten?

Grundsätzlich sind Aktien von Gesellschaften zu favorisieren, welche in den drei Kategorien Money, Markt und Management überdurchschnittlich abschneiden. Money bedeutet starke Bilanz mit hohem Eigenfinanzierungsgrad, Markt heisst in den relevanten Märkten mit konkurrenzfähigen Erzeugnissen bedeutende Marktanteile besitzen, und Management ist gleichzusetzen mit Kontinuität, Erfahrung, fortschrittlichem Denken auch in Bezug auf die Pflege der Aktionärsbeziehungen – Investor relations, Aktionärsentschädigung, Informationspolitik. Konkret: Nestlé, Roche, Novartis, Geberit, Sika, Givaudan, Galenica, Sonova.

Wie bewerten Sie die Chancen der Finanztitel, von denen einige 2009 sehr gute Figur machten?

Im Versicherungsbereich würde ich eher auf die Grossen wie Zurich oder Swiss Re setzen, die 2009 nicht vom Fleck gekommen sind. Überflieger wie Partners Group – mit einer Avance von 65 Prozent seit Anfang Jahr –  werden dagegen die Performance kaum wiederholen können. Gegenüber Vermögensverwalter-Aktien bleibe ich wegen des Margendrucks der Zurückhaltung der Anleger und den Diskussionen über den Finanzplatz skeptisch eingestellt.


«Credit Suisse vor UBS»


Welche Aktie zeigt 2010 die bessere Performance, UBS oder Credit Suisse?

Obschon CSGN 2009 um Längen besser abschnitten, tippe ich trotzdem eher auf diese Titel. Während der Finanzkrise hat die Credit Suisse im Vergleich zu UBS Marktanteile im Investment Banking gewonnen, und im Private Banking erhält sie weiterhin viel Neugeld. Die UBS wird eine längere Durststrecke vor sich haben, wie vor einigen Jahren die CS. Wegen mehrmaliger Kapitalerhöhung werden sich Gewinnsteigerungen der UBS nur beschränkt positiv auf den Aktienkurs auswirken.

Wie wird die Währungsentwicklung die Schweizer Börse tangieren?

Die Währungsentwicklung wird kaum eine dominante Rolle spielen. Ich erwarte quasi aus dem Bauch heraus eher eine Dollarerholung, was für den hiesigen Aktienmarkt immer besser ist als ein Dollarrückgang. Doch viele Unternehmen produzieren vor Ort, was den Währungseinfluss minimiert. Und die Relation Franken/Euro, die ungemein viel wichtiger ist als jene zum Dollar, dürfte stabil bleiben.

Was könnte 2010 zum Spielverderber werden, also, welche Faktoren gilt es gut im Auge zu behalten?

Die Geldpolitik, das Verhalten der Zentralbanken muss genau im Auge behalten werden. Gefährlich würde es dann, wenn die Zentralbanken trotz besserer Konjunktur – und steigender Inflation – die Zinsen nicht erhöhen würden. Dann droht Inflationsangst und ein noch stärkerer Run in Rohstoffe und Gold. Ein Spielverderber könnte ferner die Konjunktur werden.

Wenn das Wachstum nicht anzieht, bestehen kaum mehr Möglichkeiten zur Stimulierung. Die Zinsen sind schon tief, die Konjunkturprogramme der Staaten können kaum mehr weiter ausgedehnt werden, weil die Staatsverschuldung schon hoch ist. Stagnation und «ausgeschossene» Zentralbanken und Staaten – das wäre kein schönes Szenario.

Wie beurteilen Sie den Risikoappetit der Anleger?

Der Risikoappetit ist dank der stetig gestiegenen Aktienkurse wieder höher. Aber er wirkt etwas erzwungen. Weil die Kurse steigen, müssen viele Anleger, vor allem die Profis, wieder auf den Börsenzug aufspringen, auch wenn es ihnen dabei nicht wohl ist. Sie werden an ihrer Performance gemessen, weshalb sie sich ein Abseitsstehen nicht leisten können.


«2010 werden strukturierte Produkte noch breiter eingesetzt»


Wie bewerten Sie die Chance, dass strukturierte Produkte 2010 ein Comeback feiern?

Das Geschäft mit strukturierten Produkte hat sich bereits im zweiten Halbjahr 2009 deutlich belebt. Das ist nicht selbstverständlich, ist doch im September 2008 mit dem Konkurs von Lehman der GAU eingetreten, der Ausfall eines renommierten Emittenten. Dass sich der Markt so rasch erholt hat, ist erstaunlich.

Interessant ist auch, dass die Investoren mit Multi Barriere Reverse Convertibles viel Geld verloren haben – und nun dennoch just diese Produktkategorie wieder besonders gefragt ist. Der Markt für Struki hat 2009 seine Widerstandskraft bewiesen. Wenn die Zinsen tief bleiben und in den Aktienmärkten gewisse Unsicherheiten aufkommen – Volatilität, kein klarer Trend – werden Derivate 2010 noch breiter eingesetzt, zumal sie Auszahlungsprofile und Engagements in Anlageklassen ermöglichen, die mit anderen Instrumenten nicht zu haben sind.

Zudem können Struki sehr rasch und flexibel produziert sowie lanciert werden. Ihnen stehen keine grosse regulatorischen Hürden im Weg. Und mit dem besicherten Cosi-Segment können heute Anleger schon heute das Gegenparteirisiko minimieren.


Peter Schuppli ist seit Anfang Juli 2007 Chefredaktor der «Finanz und Wirtschaft», die zur Tamedia-Gruppe gehört. Er ist seit über 30 Jahren für die Zeitung tätig.


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