Die Banken haben sich einen höchst unzimperlichen Umgang mit ihren Kunden angewöhnt. «Wir müssen uns fragen, ob wir so nicht unsere Standortqualitäten verspielen», schreibt der Vermögensverwalter Thomas Fedier exklusiv für finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


Kunden ohne Schweizer Steuerdomizil sind alles andere als zu beneiden. Sie können vielleicht ein Taschengeld beziehen, aber faktisch kein Bargeld abheben. Sie können auch kaum mehr Überweisungen veranlassen. Wenn überhaupt, dann nur nach mühsamen bis peniblen Rückfragen. Obendrein sind sie gehalten, Tonnen von Papier beizubringen und dieses selbstredend Seite für Seite rechts unten zu paraphrieren.

So werden sie sich die servicefreundliche, unbürokratische, effiziente und diskrete Schweiz kaum vorgestellt haben, als sie die Bankverbindung eröffneten. Sie werden auch kaum Trost finden in der gerne servierten Relativierung: «Früher habe es auch keine gleichgeschlechtlichen Ehen gegeben. Es ändere sich eben alles.»

Dass sich die allgemeinen Verhältnisse geändert haben, ist ebenso unbestritten, wie die grosse Regularisierungswelle, die über den Kontinent schwappt. Es stellt sich aber sehr ernsthaft die Frage, ob die Aufsichtsorgane auch wirklich mit der wünschenswerten (und zumutbaren) gedanklichen Intensität nach effizienten Lösungen suchen.

«Im Sandwich zwischen Fintech und Regulator neigen Vermögensverwalter gerne zum Jammern»

Was heute aus Bern kommt, signalisiert meist schon sprachlich einen mangelnden Reifegrad. Auf jeden Fall hält es keinen Vergleich stand zu den früher üblichen Vorlagen versierter Spitzenbeamter, die mit ihren intensiv durchdachten und prägnant knapp formulierten Entwürfen bereits einen wichtigen Beitrag leisteten zur Erhaltung der eidgenössischen Standortqualitäten.

Die derzeit erkennbare Welle, aus lauter Angst vor dem Regulator und seinen schwammigen Vorgaben, prophylaktisch die Kunden hinauszuwerfen oder doch wenigstens systematisch zu drangsalieren, kann ich mir nicht wirklich als nachhaltiges Geschäftsmodell für den Standort Schweiz vorstellen. Alles, was mit Null multipliziert wird, gibt am Ende immer nur Null. Davon kann ein Land nicht leben.

Im Sandwich zwischen Fintech und dem Regulator – womöglich noch unter Druck durch die hohen Standortkosten – neigen die Vermögensverwalter gerne zum Jammern und schwelgen in alten Zeiten.

«Die Kunden wollen das, was ihnen die grossen Häuser schon längst nicht mehr bieten können»

Dass diese nicht zurückkommen, ist längst evident. Aber während die Banken mit einer gewissen Nonchalance in Kauf nehmen konnten, die Kunden schlecht zu behandeln – in der tief verwurzelten Überzeugung, es gebe für Vermögen keine ernsthafte Alternative zur Schweiz –, müssen sich die Vermögensverwalter dem Markt stellen und etwas bieten.

Nach meiner Überzeugung wird man uns nicht an der Papiermenge messen, die wir den Kunden zum paraphieren überreichen. Ich kann mir ebenso wenig vorstellen, dass die Kunden ernsthaft eine Do-it-yourself-Bastelanleitung für die Vermögensverwaltung wünschen. Fintech kann gerade in Phasen handelsgetriebener Märkte, wie wir sie derzeit erleben, böse daneben gehen.

Die Kunden wollen nach meiner Beobachtung vielmehr das, was ihnen die grossen Häuser schon längst nicht mehr bieten können, seit sie Betreuung und Anlageverwaltung getrennt haben. Aber auch seit die Saläre an den generierten Umsatz gekoppelt sind. Sie wünschen sich fachliche Qualitäten und einen weltgewandten Gesprächspartner, der wirklich nach vorne schauen kann und eine etwas weitere Weltsicht hat, als sie die auf bescheidenste Ansprüche ausgerichtete Tagesschau verkündet.

«Daran ändern selbst dicke Kummertränen nichts»

Wohin es geführt hat, verbissen die Vergangenheit zu verteidigen, wissen wir alle seit der holprigen Bewältigung der nachrichtenlosen Vermögen. Die Art und Weise, wie das Bankgeheimnis aufgegeben wurde, zeigt allerdings, dass sich der Lernfortschritt bei den grossen Instituten – ebenso wie in Bern – in extrem engen Grenzen hielt.

Wichtiger denn je ist heute, nach vorne zu schauen und eine langfristige Perspektive zu vermitteln.

Wichtig ist nicht weniger, auch in einem schwierigen Umfeld Nachsteuer-Performance zu erwirtschaften. Dies verlangt mehr Aufmerksamkeit fürs Portefeuille als viele gewohnt sind. Es verlangt auch ein starkes taktisches Gespür. Wie es eben sein muss, solange die Märkte ohne klare Orientierung bleiben, sich aber starke Ausschläge leisten.

Die Zeiten sind vorbei, in denen es im Vertrauen auf den stabilen Franken in einem inflationären europäischen Umfeld reichte, die Kundeneinlagen in Frankenanleihen zu investieren oder in Geldmarkt-Instrumenten zu parkieren.

Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass sie in absehbarer Frist wiederkommen. Daran ändern selbst die dicken Kummertränen nichts, welche die Grossbanken vergiessen über die Gebühren auf ihren Einlagen bei der Nationalbank, wo sie bisher Zinsen gewohnt waren. Dies ist alles wenig hilfreich und sicher kein Ausdruck einer überlegenen Geschäftsstrategie.

«Es wäre schon viel erreicht, wenn Bern etwas weniger Ehrgeiz entwickelte»

Zum Blick nach vorne gehört immer eine kritische Bestandsaufnahme. Was können wir? Wie gut sind wir? (Nicht zuletzt «in der Kategorie» ‚Händchen halten’, wie sich einmal ein grosser Zürcher Bankier bei seinen Leuten erkundigte.)

Weiter wäre abzuklären, was möglich ist. Etwa eine intensivere Zusammenarbeit mit Depotstellen ennet der Landesgrenzen oder der Aufbau einer eigenen Serviceplattform für die Dienstleistungen, welche die Vermögensverwalter beanspruchen.

Alles in allem sollte der grosse Vermögensverwaltungs-Cluster in Genf und Zürich – aber auch in Lugano – die besten Voraussetzungen bieten, Topleistungen auf international überlegenem Niveau zu generieren.

Gute Besetzung und ein intensiver Wettbewerb führen in aller Regel zu überlegenen Leistungen. Diesen Cluster auszubauen, läge zweifellos im Interesse des Landes.

Dafür wäre derzeit schon viel erreicht, wenn Bern etwas weniger Ehrgeiz entwickelte, von der schweizerischen Eidgenossenschaft zur sowjetischen Eidgenossenschaft zu mutieren. Angefangen bei der schrecklichen Sprache, wie sie früher Funktionären der kommunistischen Partei vorbehalten war, bis hin zu den Schauprozess-Konferenzen gegen allfällige Sünder, wie wir sie erst jüngst wieder erleben durften.

Es wird Zeit für mehr Augenmass und eine Rückbesinnung auf unser helvetisches Fingerspitzengefühl.


Thomas Fedier ist Partner und CEO der Firma VT Wealth Management, einer unabhängigen Vermögensverwaltung in Zürich.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer (zweimal), Oliver Berger, Rolf Banz, Dieter Ruloff, Samuel Gerber, Werner Vogt, Claude Baumann, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Peter Hody, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber und Nuno Fernandes.

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