Der Austritt Grossbritanniens aus der EU wird zurecht als Denkzettel an die Banken der Londoner City gedeutet. Dort könnten bis zu 70'000 Stellen verschwinden. finews.ch nennt die Destinationen, die am meisten davon profitieren.

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Dublin: Denn das Gute liegt so nah

Mit dem Brexit-Referendum hat sich Grossbritannien aus der EU verabschiedet – Irland ist jedoch weiterhin Teil der Union. Das macht die Nachbarinsel zur naheliegenden Wahl für internationale Finanzkonzerne, die bisher in London sassen, um von dort aus danke dem «EU Pass» ihre Finanzprodukte nach Europa zu vertreiben. Die gemeinsame Sprache, die gute Infrastruktur und nicht zuletzt die tieferen Lohnkosten versüssen den Grossunternehmen den Umzug nach Irland zusätzlich.

Die Bewegung weg von London und hin zur irischen Hauptstadt Dublin hat bereits vor den EU-Referendum eingesetzt. So entschied etwa die Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) bereits 2015, aus Kostengründen Teile des Londoner Investmentbanking an den River Liffey zu verlegen. Letzten Januar eröffnete die Schweizer dort einen Handelsraum, in den 100 CS-Trader einziehen sollen (Bild oben: Eröffnungsfeier mit CS-Global-Markets-Chef Timothy O'Hara).

Weitere Verlagerungen dürften folgen, haben doch gerade Grossbanken massive Verschiebungen im Falle eines Brexit angekündigt. So drohte die amerikanische J.P. Morgan, rund 4'000 Stellen aus Grossbritannien hinaus zu transferieren. Die Konkurrentin Citigroup hat bereits entschieden, ihr britisches Retail-Backoffice nach Dublin zu verlegen, wie die britische Zeitung «Telegraph» berichtete.

Irland, aktuell der zweitgrösste Fondsstandort in Europa, könnte ausserdem darum bemüht sein, ein Stück vom britischen Asset-Management-Kuchen zu ergattern. Das aggressive Standort-Marketing der Iren ist legendär – Delegationen war auch schon in der Schweiz auf Werbetour.

 

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Paris: Die Wahl der Investmentbanker

Frankreichs Präsident François Hollande zeigte sich willens, die Londoner «City» für den Brexit bluten zu lassen. Er schimpfte, es sei inakzeptabel, dass der Euro-Handel künftig noch in London abgewickelt werde. Das mag man als Mahnung an andere EU-Mitglieder oder als Standort-Marketing mit dem Zweihänder deuten.

Fakt ist, dass Paris gute Chancen zugebilligt werden, einen Teil des Londoner Investmentbank-Geschäfts an sich zu ziehen.

So kann die französische Hauptstadt ebenso mit dem EU-Pass punkten wie dem Rang als kultivierte Weltstadt – und als Finanzmetropole (oben, Bild Shutterstock) blickt Paris gleich wie London auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Deshalb dürften viele Investmentbanker einen Umzug an die Seine nicht grundsätzlich ablehnen. Die britische Grossbank HSBC hat bereits die Verlagerung von 1'000 Stellen nach Paris in Erwägung gezogen.

Allerdings ist fraglich, ob das einen Trend auslöst. Frankreich gilt sowohl wirtschaftlich wie politisch nicht eben als stabil. Zudem schrecken hohe Kosten für Büros und Löhne – und ein Arbeitsrecht, das letzthin grotesk anmutende Prozesse nach sich zog.



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Frankfurt: Wo der Bonus lockt

«Mainhattan» hat sich nach dem Brexit sofort in Stellung gebracht. So rechnete die örtliche Standortförderung Frankfurt Main Finance in der «Süddeutschen Zeitung» vor, dass in den nächsten Monaten 1’000 Stellen vor allem im Euro-Derivate-Handel und in der Abwicklung von Handelsgeschäften nach Frankfurt verlagert werden. Insgesamt erwarten die Lobbyisten, dass es bei einer Verlagerung zu einer fünfstelligen Zahl an neuen Arbeitsplätzen in Frankfurt kommen könnte.

Tatsächlich mussten die amerikanischen Grossbanken J.P. Morgan und Morgan Stanley schon Gerüchte dementieren, dass sie im grossen Stil stellen an den Main verlagern wollen. In Frankfurt (oben, Bild Shutterstock) locken zudem die Nähe zur Institutionen wie der Europäischen Zentralbank (EZB), eine gute Verkehrsanbindung – und ein Internetknoten, über den 40 Prozent des europäischen Datenverkehrs laufen.

Noch einen weiteren Anreiz gibt es für Banker, ins deutsche Finanzzentrum zu wechseln – der Lohn. Der ist zwar tendenziell tiefer als in London. Doch das machen die um 40 Prozent geringeren Lebenskosten in Frankfurt längstens wieder wett.

 

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Luxemburg: Agiles Schwergewicht

Laut dem europäischen Fondsverband EFAMA vereint das Grossherzogtum (oben, Bild Shutterstock) bereits die Hälfte des rund 8'000 Milliarden Euro schweren europäischen Fondsmarkt auf sich; gut möglich deshalb, dass es künftig auch noch Anteile von Grossbritanniens 13 Prozent an sich zieht.

Zudem hat sich der für seinen pragmatischen Umgang mit Regulation und Steuern bekannte Finanzplatz in den Bereichen Backoffice und Fintech einen festen Platz gesichert. Eine Basis, auf der das agile Luxemburg nach dem Brexit aufbauen kann. Ebenfalls wird erwartet, dass der Standort in Nischen wie etwa dem Banking nach den Regeln des Islam vom britischen EU-Austritt profitiert.

 

Paradeplatz

Schweiz: Zu viele Brücken abgebrochen

Mit der Einführung der Stempelsteuer auf Wertschriften-Transaktionen verabschiedete sich die Schweiz in den 1990er-Jahren von grossen Teilen des Kapitalmarktgeschäfts. Aufgrund der Historie wird das internationale Investmentbanking nicht so schnell nach Zürich (Bild oben) oder Genf zurückkehren. Schwer wiegt ebenfalls, dass der Schweizer Finanzplatz noch immer über keinen freien Zugang zu EU-Binnenmarkt verfügt – stattdessen veranlasst der EU-Pass auch hiesige Banken, Niederlassungen im Ausland zu eröffnen.

Demgegenüber erwies sich die Schweiz als durchaus begehrte Destination für spezialisierte Asset Manager aus dem Ausland. So hat das Londoner Fondshaus Schroders in der Schweiz eine Produktion aufgebaut, und auch das Unternehmen von Hedgefonds-Zarin Leda Braga operiert schwergewichtig von Genf und London aus.

Wenn der Finanzplatz mehr Asset Manager aus dem Ausland anziehen möchte, muss er allerdings sein Profil in diesem Bereich schärfen. Dasselbe gilt für die Fintech-Szene, wo London bis auf Weiteres als das europäische Mekka gilt.

 

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Bratislawa, Krakau, Budapest: Gewinner fernab des Glamours

Lange vor dem Brexit haben die Banken damit begonnen, Tausende Stellen an weniger teure Standorte in Europa zu verlegen. Von dort aus werden jene Dienste angeboten, die weder Glamour noch hohe Margen bieten, aber trotzdem unverzichtbar sind. So die Abwicklung von Transaktionen, Treasury-Service für Firmen und natürlich die rückgelagerten Stellen innerhalb der Banken selber.

Solche «B-Standorte« finden sich auch in Grossbritannien. Im südenglischen Badeort Bournemouth unterhält J.P. Morgan 4'000 Stellen; 2'000 Angestellte zählt die Deutsche Bank in der Industriestadt Birmingham. J.P. Morgan hat zudem auch aus der Schweiz heraus Backoffice-Stellen ins schottische Glasgow verlegt.

Mit den möglichen Verschiebungen in der Londoner City geraten aber wohl auch diese Lagen unter Druck – und die Jobs könnten dann an «C-Standorte» abwandern.

Infrage kommen vor allem die Backoffice-Cluster in Zentraleuropa, so Krakau und Breslau (Bild oben) in Polen, Bratislawa in der Slowakei und die ungarische Hauptstadt Budapest. Die Banken haben bereits mit der Verlagerung dorthin begonnen – allen voran die Schweizer Grossbanken UBS und CS.

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