Der Schweizer Finanzplatz könne vom Brexit und dem Aderlass auf dem Londoner Finanzplatz profitieren, behauptet David Stubbs von J.P. Morgan Asset Management im Gespräch mit finews.ch.

Der Entscheid der Briten, aus der EU auszutreten, bringt den Finanzplatz London in eine ähnliche Lage wie die Schweiz. Auch sie muss als Finanzzentrum ständig um den Zugang zu ausländischen Märkten kämpfen. Und dies sei für die Schweiz im Grunde positiv, sagt David Stubbs, Global Market Strategist bei J.P. Morgan Asset Management, gegenüber finews.ch.

«Wie kann da kein positiver Effekt für die Schweiz sein?», fragt der Brite. «Sie ist ein wichtiger Finanzplatz, Grossbritannien ist ein wichtiger Finanzplatz. Und wir haben uns gerade in den Fuss geschossen.»

Ein schweizerisch-britisches Team

London drohe nun die Aussicht auf jahrelange Verhandlungen mit der EU, um die entstandenen Unsicherheiten im Finanzsektor zu beseitigen. Grossbritannien könne dabei von der Schweiz lernen, die ja selber über langjährige Verhandlungserfahrung mit der EU verfüge, um den Marktzugang zu erhalten.

«Ich mag die Idee eines schweizerisch-britischen Teams, welches als Allianz der Finanzkönige gegenüber der EU auftritt», sagt Stubbs.

Grosse Frustration

Der Ökonom gehört zu den frühesten Warnern der Folgen eines Brexits und hat mögliche negative Folgen bereits im vergangenen Jahr gegenüber finews.ch skizziert.

Jetzt spürt er nach dem Abstimmungsausgang in London grosse Frustration. Denn der Brexit-Entscheid kommt ihm zu Folge einer Entmachtung Londons als eines der wichtigsten Finanzzentren der Welt gleich.

Stubbs sieht als erstes die irische Hauptstadt Dublin als «die grosse Gewinnerin». Auch Schweizer Banken wie die Credit Suisse (CS) haben in den letzten Jahren einige Aktivitäten von London nach Dublin verlagert, wie auch finews.ch berichtete.

Bescheidene Schweizer Möglichkeiten

Stubbs nennt auch Paris und Frankfurt als Profiteure des Brexits, während London «langsam ausbluten« werde. «Ich glaube, es wird ein schleichender Prozess. Eine mittelgrosse Finanzinstitution, welche über Standorte in London und Paris verfügt und Personal anstellen will: An welchem Standort wird sie das nun tun?»

Und die Schweiz? Hier sieht Stubbs eher bescheidenere Möglichkeiten. Klar sei aber, dass der Brexit der Schweiz auf keinen Fall schade.

Fokus auf Heimmärkte

Für die ohnehin schon kriselnden Grossbanken wie Deutsche Bank, Barclays und CS sei der Brexit wie Öl ins lodernde Feuer giessen. Nun dürften die CS, aber auch die Deutsche Bank, sich noch stärker auf ihre Heimmärkte konzentrieren, womit London an Relevanz verliere.

Da Grossbritannien als Nichtmitglied der EU künftig weniger Mitspracherecht habe, würden Geschäftsaktivitäten und Kapitalflüsse vermehrt in der Eurozone bleiben. «Das kann zum Vorteil von 'National Champions' mit Sitz in Paris oder Frankfurt gereichen, da London an Relevanz verliert,» so der Marktstratege weiter.

Einen weiteren positiver Effekt, den Stubbs für Banken in der Eurozone sieht: Der Druck auf die EU, Reformen einzuleiten, sei nun deutlich gestiegen. Es ist zwar noch unklar, welche wirtschaftlichen Folgen der Brexit hat. Eine Rezession in Grossbritannien würde sich aber auch in der EU auswirken.

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