Firmeninformationen über Social Media zu verbreiten wird heikler. Die Schweizer Börse kontrolliert diese Informationsquellen wegen der Publizitätsregeln nun vermehrt, wie Katharina Rüdlinger von der SIX erklärt. 


Frau Rüdlinger, gibt es in den Bestimmungen über die Ad-hoc-Publizität börsenkotierter Unternehmen explizite Regeln für das Verhalten in den Sozialen Medien?

Nein, weder in der Richtlinie betreffend Ad-hoc-Publizität noch im dazugehörigen Kommentar zur Ad-hoc-Publizitäts-Richtlinie sind Soziale Medien erwähnt. Es gibt mithin keine schriftliche Regel darüber, ob und wann Twitter oder Facebook für Emittenten und ihre Mitarbeitenden verboten oder erlaubt sind.

Wir müssen vielmehr die in der Richtlinie festgelegten Regeln und den dazugehörigen Kommentar auf die möglichen Verhaltensweisen von Emittenten oder ihren Mitarbeitenden in den Sozialen Medien anwenden.

Was muss ein Unternehmen tun, wenn es feststellt, dass von ihm selber potenziell kursrelevante Tatsachen in die Sozialen Medien gelangt sind?

Wenn von einem Emittenten versehentlich oder wegen ungenügender Sorgfalt potenziell kursrelevante Informationen in die Sozialen Medien gelangen, müssen diese Informationen sofort in Form einer Ad-hoc-Mitteilung gemäss den Vorschriften der Richtlinie betreffend Ad-hoc-Publizität verbreitet werden.

Wie steht es mit den Gerüchten, die in den Sozialen Medien von Dritten ausserhalb des Emittenten verbreitet werden?

Ein Emittent ist nicht verpflichtet, zu Gerüchten, das heisst falschen Meldungen, in den Sozialen Medien mittels einer Ad-hoc-Mitteilung Stellung zu beziehen.

«Es gab einen berühmten Fall in den USA»

Entschliesst sich aber ein Unternehmen, zu einem in den Sozialen Medien verbreiteten kursrelevanten Gerücht Stellung zu beziehen, ist es sinnvoll, dies in Form einer Ad-hoc-Mitteilung gemäss den Vorschriften der Richtlinie betreffend der Ad-hoc-Publizität zu tun. Der Emittent kann dies gemäss der Praxis der Sanktionskommission der Börse aber auch auf anderem Weg tun.

Gibt es in der Schweiz einen Sanktionsentscheid wegen einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit den Sozialen Medien?

Nein, bislang nicht. Es gibt aber einen berühmten Fall in den USA: Reed Hastings, CEO von Netflix, hat im Juli 2012 über Facebook verbreitet, die Video-Streaming-Stunden hätten im Juni 2012 erstmals die Milliardengrenze überschritten.

«Hier hätte der kursrelevante Facebook-Eintrag gegen die Regeln verstossen»

Die Netflix-Aktien machten einen Sprung nach oben. Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC hat im Dezember 2012 angekündigt, gegen Reed Hastings Sanktionen zu erwägen.

Was wurde daraus?

Anfang April 2013 hat die SEC dann aber erklärt: «Wenn den Investoren eines börsenkotierten Unternehmens mitgeteilt worden ist, über welche Sozialen Medien wichtige Informationen verbreitet werden, dürfen die Unternehmen diese Kanäle zur Verbreitung von solchen Informationen nutzen.»

In der Schweiz dagegen hätte der kursrelevante Facebook-Eintrag von Reed Hastings gegen die Regeln der Ad-hoc-Publizität verstossen. Es hätte ein Sanktionsverfahren eingeleitet werden können.

Überwacht die SIX Exchange Regulation in irgendeiner Form das Gezwitscher und das Posten in den Sozialen Medien?

Uns ist bewusst, dass in den Sozialen Medien rund um unsere 245 Emittenten einiges läuft. Eine flächendeckende permanente Überwachung dieser Aktivitäten ist jedoch sehr aufwändig. Wir analysieren stichprobenartig und beobachten nun auch vermehrt in den Sozialen Medien die Hintergründe von ungewöhnlichen Kursbewegungen.

«Wir werden diesem Bereich sicher noch mehr Beachtung schenken»

Zuweilen erhalten wir Tipps von Marktteilnehmern oder von SIX-internen Abteilungen, denen wir bei Bedarf nachgehen. Weil die Kommunikation über die Sozialen Medien immer noch stark wächst, werden wir diesem Bereich in Zukunft sicher noch mehr Beachtung schenken müssen.

Was sollten börsenkotierte Unternehmen vorkehren, um Verstösse gegen die Regeln der Ad-hoc-Publizität in den Sozialen Medien zu verhindern?

Die Unternehmen sollten festlegen, wie die Führungskräfte und alle übrigen Mitarbeitenden in den Sozialen Medien mit kursrelevanten Tatsachen über das Unternehmen umzugehen haben. Dafür müssen alle Betroffenen über die Regeln der Ad-hoc-Publizität informiert sein und für deren strikte Einhaltung sensibilisiert werden.

«Es muss ein Notfall-Konzept bestehen»

Bei internationalen Unternehmen gilt dies beispielsweise auch für sämtliche Standorte. Falls dann trotzdem irgendwo eine kursrelevante Tatsache in die Sozialen Medien durchsickert, müssen die Mitarbeitenden verpflichtet sein, das sofort zu melden. Damit der Ad-hoc-Mitteilungs-Mechanismus jederzeit ausgelöst werden kann, muss ein Notfall-Konzept bestehen.

Kommt dazu: Auch bei der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern oder bei Verhandlungen mit nichtbörsenkotierten Unternehmen muss bei allen einbezogenen Personen der Ad-hoc-Richtlinien-konforme Umgang mit kursrelevanten Tatsachen sichergestellt werden.


Die Anwältin Katharina Rüdlinger ist seit acht Jahren für die Schweizer Börse tätig. Sie leitet den Bereich Corporate Disclosure bei SIX Exchange Regulation. Mit ihrem Team ist sie für die Durchsetzung der Ad-hoc-Publizität bei den an der Schweizer Börse kotierten Unternehmen verantwortlich.

Trotz des explosiven Wachstums der Kommunikationsaktivitäten über Twitter oder Facebook steht in der geltenden Richtlinie über die Ad-hoc-Publizität und dem dazugehörigen Kommentar kein Wort über die Sozialen Medien. Das Interview ist in einer längeren Fassung auf dem «Tensid EQS Evolvere Blog» erschienen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.78%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.3%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    15.49%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    45.65%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.77%
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