Der neuste Global Financial Centres Index der britischen Z/Yen Group birgt einige Überraschungen. finews.ch hat acht davon herausgepickt.

1. Fliegt Zürich bald aus den Top Ten dieser Welt?

Vor sechs Monaten belegte der Finanzplatz Zürich im halbjährlichen Global Financial Centres Index (GFCI 20) noch den 6. Platz und hatte sich erst noch um einen Rang verbessert, was den Zürcher Bankenverband (ZBV) nicht ganz überraschend in Jubel ausbrechen liess. 

Angesichts des jüngsten Rankings dürfte die Euphorie allerdings verflogen sein. Denn inzwischen belegt Zürich nur noch den 9. Rang und rangiert damit hinter den amerikanischen Finanzhubs San Francisco, Boston und Chicago (siehe nachfolgende Tabelle). 

GFCI 1 500 

Für die Zürcher Banker wäre es ein Tiefschlag, würde sich die Limmatstadt gar aus der Liste der zehn führenden Finanzplätze dieser Welt verabschieden. Angesichts der zunehmenden Regulierung, der hohen Produktionskosten und des verschärften Wettbewerbs unter den Finanzplätzen ist dies nicht auszuschliessen.

Immerhin: Trotz des Rückschlags bleibt Zürich der wichtigste Finanzplatz in Kontinentaleuropa – vor Luxemburg und Frankfurt (siehe nachfolgende Tabelle). Und angesichts der Fintech-Szene, die sich in und um Zürich ausbreitet, könnte die Limmatstadt durchaus zu neuen Ehren kommen.

GFCI 2 500

2. London No. 1, aber...

Europäisch wie auch weltweit liegt London an der Spitze, gefolgt von New York. Allerdings: Die potenziellen Auswirkungen des Brexits sind in den aktuellen Erhebungen noch nicht enthalten. Doch die Autoren der Studie rechnen mit signifikanten Veränderungen in der Zukunft. So zeigen offenbar die Monate Juli und August, die im nächsten Index berücksichtigt werden, bereits deutlich tiefere Bewertungen für die Themsestadt.

Wie stark der Brexit der «City» schaden wird, ist allerdings umstritten. Fest steht indessen: Der Zugang zum europäischen Markt wird nach dem effektiven Austritt Grossbritanniens aus der EU nicht mehr derselbe sein wie dies derzeit noch der Fall ist. Entsprechend werden Arbeitsplätze von London in EU-Länder verlagert werden.

Umgekehrt ist sich die britische Regierung der Wichtigkeit Londons als Finanzhub bewusst und wird alles daran setzen, die Position zu halten, wie auch finews.ch berichtete.

3. Genf im freien Fall

Nachdem die Rhonestadt bereits im letzten Ranking um zwei Plätze auf den 15. Rang zurückgefallen war, beschleunigte sich der Abwärtstrend in der jüngsten Erhebung gar dramatisch. Ganze acht Plätze hat die Calvinstadt verloren und liegt aktuell noch an 23. Stelle.

Auf europäischer Ebene rangiert Genf nun hinter Frankfurt und Luxembourg an 5. Stelle. Hauptgrund für den Rückfall sind offenbar erhöhte Transparenzvorschriften, die im traditionellen Private Banking, auf das Genf spezialisiert ist, eher verpönt sind.

4. Iren im Vormarsch

Deutlich Boden gutgemacht hat hingegen Dublin mit einer Verbesserung um acht Ränge auf den 31. Platz. Die irische Metropole gilt für viele Banken als kostengünstiger Standort im Vergleich zum teuren London. Basierend auf solchen Überlegungen hat unter anderem auch die Credit Suisse in Dublin zu Beginn des Jahres einen neuen Handelsraum eröffnet, wie auch finews.ch berichtete.

Und Frühindikatoren weisen laut der Studie darauf hin, dass Dublin und Luxemburg vom Brexit am meisten profitieren werden. Luxemburg hat im aktuellen Ranking bereits zwei Plätze gutgemacht.

5. Steueroasen hoch im Kurs

Die Steueroasen einst wegen ihren teils illegalen Praktiken gebrandmarkt und auf Schwarze Listen gesetzt, haben wieder deutlich aufgeholt. Die Bermuda-Inseln machten 15, die Cayman Island 13 und die British Virgin Islands 10 Ränge gut. Die ebenfalls zum Vereinigten Königreich gehörenden Kanalinseln Guernsey und Jersey kletterten gar um 19 beziehungsweise 20 Ränge.

Angesichts der Tatsache, dass etablierte Finanzplätze wie Genf oder Zürich unter der erhöhten Transparenz leiden, entpuppen sich diese Steueroasen als letzte Bastionen der Verschwiegenheit – egal, ob das im öffentlichen Urteil nun gut oder schlecht ist.

6. Aufstieg der Balten

Ebenfalls höchst interessant: In Osteueropa haben Warschau (+3, Rang 45) zusammen mit den beiden baltischen Finanzplätzen Tallin (+28, Rang 50) und Riga (+19, Rang 52) den Lead übernommen. Nicht im Ranking enthalten ist Litauen, als dritter baltischer Staat. Vor allem Riga gilt als wichtige Drehscheibe für russische Gelder.

Teils deutlich verloren haben hingegen Moskau und St. Petersburg. Den Rückfall erklären die Autoren mit den kriegerischen Auseinandersetzungen Russlands in Syrien, aber auch in der Ukraine.

7. Schwellenländer im Tal der Tränen

Deutlich zurückgefallen im Welt-Ranking sind Schwellenland-Finanzzentren. Während sich die etablierten Finanzzentren wie Singapur, Hongkong und Shanghai halten konnten, verloren Dalian (China), Mumbai, Jakarta und Manila deutlich an Boden (hier geht’s zum Ranking).

Mühe bekunden auch die lateinamerikanischen Finanzhubs. Das brasilianische Sao Paulo bleibt trotz des Verlusts von acht Rängen das wichtigste Finanzzentrum Lateinamerikas. Rio de Janeiro liegt mit minus zehn Plätzen neu an 54. Stelle. Mexiko City sackte gar um 20 Plätze auf den 73. Rang ab.

Gleichzeitig verbesserte sich Qingdao – eine Hafenstadt in der Provinz Shandong der Volksrepublik China – um 33 Plätze auf den 46. Rang. Dies ist die stärkste Veränderung der insgesamt 87 untersuchten Städten.

8. Volatiles «Ländle»

Seit September 2015 bewertet der Index auch das Früstentum Liechtenstein. Eingestiegen ist das «Ländle» auf 60. Rang. Danach folgte eine Rückstufung um 16 Plätze. Im aktuellen Ranking verbesserte sich der kleine, aber feine Finanzplatz um 20 Ränge und liegt nun erstmals an 56. Stelle.

Lichtenstein hat – ähnlich wie die Schweiz – einen Grossteil der Offshore-Bereinigung hinter sich und legt neu das Hauptaugenmerk auf die Ansiedlung von Fintech-Unternehmen.

Insgesamt sind es mehr als 100 Bewertungskriterien, welche die Firma Z/Yen anwendet, um die Bedeutung und Qualität der verschiedenen Finanzplätze festzustellen. Im Zentrum stehen aber folgende Merkmale: Geschäftsumfeld, Entwicklung des Finanzsektors im jeweiligen Land, die Infrastruktur generell, das Humankapital sowie die Reputation des Standorts und sonstige Faktoren (zum Beispiel Steuersystem).