Der Schweizer Bankensoftware-Hersteller Avaloq führt Gespräche mit Private-Equity-Häusern, wie Recherchen von finews.ch zeigen. Gründer Francisco Fernandez droht der Verlust der Unabhängigkeit.

Das Bankensoftwareunternehmen Avaloq führt zurzeit Gespräche mit Private-Equity-Häusern über einen möglichen Verkauf. Dies hat finews.ch von mehreren Quellen in Zürich und London erfahren. Eines der Private-Equity-Unternehmen soll die New Yorker Beteiligungsgesellschaft KKR sein. Avaloq wollte dazu keine Stellung nehmen.

Die Zeit drängt, denn das von Francisco Fernandez gegründete und geführte Bankensoftware-Haus leidet gemäss den Quellen unter Finanzierungsschwierigkeiten – es brenne an zu vielen Fronten. «Fernandez hat die vorhandenen Kapazitäten überstrapaziert», sagt ein Informant, der nicht namentlich genannt werden möchte und Kenntnisse von den Private-Equity-Gesprächen hat.

Das grösste Projekt der Firmengeschichte

«So viele sind es eigentlich nicht», sagte Fernandez vor gut einem Jahr auf die Frage von finews.ch, ob er nicht an zu vielen Fronten tätig sei.

Im Interview hatte der Avaloq-Besitzer die strategischen Pläne ausgelegt: Aufbau des BPO-Geschäftes als wichtige Ertragssäule mit Expansionsplänen, Voranbringen der Internationalisierung des Geschäfts mit dem Kernbankensystems Avaloq Banking Suite, Markteintritt in die USA, Entwicklung neuer Fintech-Produkte und Aufbau einer offenen Plattform, plus Vorstoss in das neue Marktsegment der unabbängigen Vermögensverwalter.

Und «last but not least» das bislang grösste Projekt in der Firmengeschichte von Avaloq überhaupt, die Migration der Raiffeisen-IT auf ein neues Avaloq-System. Dieses Projekt, hatte Fernandez eingeräumt, «bindet viele Ressourcen.»

Projekte abgebrochen

Insbesondere auch finanzielle Ressourcen: Im Dezember 2015 musste Raiffeisen Hilfeleistung stellen. Die Genossenschaftsbank übernahm 10 Prozent der Treasury-Aktien von Avaloq zu einem nicht genannten Preis.

Doch Raiffeisen ist bei weitem nicht das einzige Problem, mit dem Fernandez in den letzten zwölf Monaten zu kämpfen hat. Erst kürzlich hat das französische Bankhaus Oddo & Cie die Einführung eines Avaloq Kernbankensystems bei ihrer deutschen Tochter BHF gestoppt, wie auch finews.ch berichtet hat.

Über die finanziellen Auswirkungen für Avaloq ist offiziell nichts bekannt. Doch muss ein Entwickler bei IT-Projekten immer in Vorkasse gehen, was freie Mittel in der Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages bedingen kann.

Temenos gewann Grossaufträge

Ähnliches ist dem Zürcher Softwarehaus vor zwei Jahren in Luxemburg widerfahren: Die BIL stoppte nach einer anfänglichen Zusage den Aufbau eines gemeinsamen Outsourcing-Centers, «weil man sich kommerziell nicht gefunden habe», hatte es damals geheissen.

Schmerzhaft war der Verlust des potenziellen Grosskunden Julius Bär. Die Privatbank entschied sich für den Aufbau einer neuen IT für den Genfer Konkurrenten Temenos.

Erheblicher Umsatzverlust bei B-Source

Temenos macht Avaloq in diesem Jahr noch weit erheblicher zu schaffen: Denn die IT-Plattform der zusammengeschlossenen Banken EFG International und BSI stellen die Genfer. Das bedeutet für die Business-Process-Outsourcing-Tochter B-Source im Tessin einen massiven Umsatzverlust.

Quellen sprechen von 60 Prozent des B-Sources-Umsatzes, den allein die BSI beisteuerte. Avaloq richtete hingegen aus, man erwarte auch 2016 insgesamt ein Rekordjahr.

Das BPO-Center in Bioggi war zunächst ein Joint-Venture von Avaloq und der BSI gewesen. Im vergangenen Februar hatte die Tessiner Privatbank ihre restlichen Aktien von ursprünglich 49 Prozent an Avaloq verkauft.

Singapur läuft nicht

Eine weitere nicht namentlich genannt sein wollende Quelle sagte zu finews.ch, dass insbesondere die BPO-Strategie von Avaloq nicht so aufginge, wie Fernandez dies geplant habe.

Dieses Geschäft wollte der Avaloq-CEO globalisieren. In Deutschland und in Singapur gingen entsprechende Unternehmen mit einiger Verzögerung «live», weitere dieser BPO-Zentren sind in Planung.

In Singapur ist der B-Source-Kunde die Deutsche Bank. Doch der Betrieb läuft alles andere als rund. Gemäss einer Quelle muss das deutsche Geldhaus einen grossen Teil der Geschäftsprozesse  immer noch «In-house» erledigen, das BPO-Zentrum «laufe nicht».

Avaloq-Bewertung stark gesunken

Vor einem Jahr hatte Fernandez noch gesagt: «Bislang können wir unser Wachstum noch selber finanzieren.» Mit dem Einstieg von Raiffeisen kurz darauf war dies offenbar bereits nicht mehr der Fall.

Und nun ist Avaloq gezwungen, Hilfe bei Private Equity zu suchen. Das grosse Problem von Fernandez ist dabei: Die Bewertung seines Unternehmens ist aufgrund der sich häufenden Schwierigkeiten und Rückschläge im Laufe der letzten zwölf Monate massiv gesunken.

Verlust der Mehrheit möglich

Avaloq galt noch vor kurzem als heisser Börsenkandidat, der es auf eine Marktkapitalisierung von 1 Milliarde Franken bringen könne. Dieser Wert ist aufgrund der deutlich höheren Risiken nun deutlich tiefer.

Der Einstieg eines Private-Equity-Hauses mit einer entsprechend soliden Finanzspritze im dreistelligen Millionenbereich könnte durchaus dazu führen, dass nicht mehr Fernandez Hauptaktionär seiner Avaloq bleibt, sondern eine Beteiligungsgesellschaft wie etwa die amerikanische KKR das Zepter übernimmt. Das Fortführen der Wachstumsstrategie wäre hingegen gesichert. Und dies bleibt das Ziel von Avaloq.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.28%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.37%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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