LGT-Stratege Mikio Kumada beurteilt im Interview mit finews.ch den Einfluss von Donald Trumps Ankündigungen auf die Länder in Asien, und wie sich die chinesischen Machthaber verhalten werden.


Herr Kumada, der designierte US-Präsident Donald Trump sorgt mit seinen Ankündigungen regelmässig für Aufsehen. Wie beurteilen Sie sein Auftreten gegenüber China?

Über den Stil und die ästhetisch-diplomatische Qualität der Auseinandersetzungen kann man geteilter Meinung sein. Wichtiger ist, dass diese Konfrontation zumindest bis zu einem gewissen Grad realpolitisch auch notwendig ist – nicht nur aus rein amerikanischer Interessenssicht.

Warum?

Viele Länder im asiatisch-pazifischen Raum sehen im Aufstieg Chinas schliesslich nicht nur wirtschaftliche Chancen, sondern auch Risiken sicherheitspolitischer und sogar territorialer Natur. Sie wünschen sich eine machtpolitische Balance, die derzeit nur die USA bieten kann.

Soweit ich das beurteilen kann, hegen auch Chinas Machthaber diesbezüglich keine Illusionen und sind durchaus auf einen härteren Umgangston vorbereitet. Kontraproduktive emotionale Gegenreaktionen aus China erscheinen mir jedenfalls eher unwahrscheinlich.

«Ich rechne nicht mit einem kalten Krieg in Asien, eher mit einem kühlen Frieden»

Sicher scheint, dass die Zeiten, in denen China als aufstrebende aber noch relative kleine Wirtschaftsmacht weltweit willkommen war und Marktzugang ohne Gegenleistungen und Garantien erhielt, vorbei sein dürften. Dafür ist China inzwischen zu mächtig. Es wächst auch nicht mehr so stark. Chinas Wachstumsaussichten allein reichen also nicht mehr aus, um den Goodwill anderer Länder zu gewinnen.

Droht ein Konflikt zwischen den USA und der asiatischen Welt?

Nein. Ich rechne nicht mit einem kalten Krieg in Asien, eher mit einem kühlen Frieden. Am Ende wird man die Beziehungsprobleme pragmatisch lösen und bereichsweise politisch einfach ignorieren.

«Ob das TPP mittelfristig tatsächlich tot ist, bleibt doch noch abzuwarten»

Abgesehen davon ist «Asien» erstens nicht synonym mit China, und zweitens hat Amerika immer noch mehr Verbündete und Freunde in der Region als die Volksrepublik. Länder mit sehr unterschiedlichen Historien, Kulturen und politischen Systemen – von Indien über Vietnam, bis zur Mongolei und Japan – können mit Trumps schärferen Ton gegenüber China ganz gut leben.

Aber wie gesagt: Persönlich denke ich, dass man selbst in der Beziehung zwischen Washington und Peking einen neuen Modus Vivendi finden wird – auf einer Ebene, die der realpolitisch konkurrierenden Grossmachtstellung der beiden Länder entspricht.

Inwiefern ist Donald Trump gut respektive schlecht für die asiatische Welt?

Die protektionistischen Gebärden und die angekündigte Aussetzung des US-Beitritts zum transpazifischen Handelsabkommen TPP muss man als Risiko im Auge behalten. Bei den Straffzoll-Drohungen handelt es sich bisher primär um Worte. Ob das TPP aber mittelfristig tatsächlich tot ist, bleibt doch noch abzuwarten.

Auch die Marktreaktionen muss man differenziert betrachten. Die Börsenindizes der Schwellenländer Asiens haben seit dem Trump-Sieg in der Tat Kursverluste hinnehmen müssen - nachdem sie aber im Gesamtjahr 2016 zu den Outperformern zählten.

«Wir sollten nicht zu viel in die jüngste politische Aufregung hinein interpretieren»

Denken Sie etwa an Taiwan oder Südkorea, mit Kursgewinnen von rund 19 Prozent respektive 9 Prozent gehörten sie zu den Top-Märkten des vergangenen Jahres. Die entwickelten Märkte in Asien-Pazifik (Japan, Australien, Singapur) haben sogar sehr positiv auf den Trump-Sieg reagiert.

Welches Fazit ziehen Sie daraus?

Wir sollten nicht zu viel in die jüngsten Schwankungen und die politische Aufregung hinein interpretieren. Mittelfristig könnten das perspektivisch potenziell höhere globale und amerikanische Wirtschaftswachstum, der starke Dollar und die Handels- und Investitionsströme innerhalb Asiens bzw. im indopazifischen Raum den eventuell zunehmenden Protektionismus der USA zudem ausgleichen.

«Chinas Börse ist grundsätzlich volatiler und unberechenbarer als andere Marktplätze»

Grundsätzlich: Mehr globales Wachstum und weniger deflationäre Tendenzen sind gut für Asien. Es wird also drauf ankommen, in welchem Ausmass die protektionistische Rhetorik des designierten US-Präsidenten umgesetzt wird.

Vor Jahresfrist verzeichnete die chinesische Börse massive Kursrückschläge. Wie würden Sie die Situation jetzt einstufen?

Chinas Börse ist grundsätzlich volatiler und unberechenbarer als andere Marktplätze – auch ohne Trump-Effekt. Grundsätzlich ist der Makro- und Marktausblick für dieses Jahr auch für China ein freundlicher - zumindest ist er freundlicher als zuvor.

Fraglich ist, ob China in den kommenden Monaten auch zu den Outperformern zählen wird. Wir nehmen da eine eher neutrale Haltung ein und warten lieber ab. Derzeit haben eher die Industrieländer der Region Rückenwind – also Japan und Australien, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.


Mikio Kumada ist Global Strategist der LGT. Er betrachtet ökonomische Zusammenhänge aus einer internationalen Perspektive. Als Sohn japanisch-griechischer Eltern wuchs er in Russland, Deutschland und Japan auf, studierte in Wien und arbeitete unter anderem in London und Athen.

Im Jahr 2002 stiess er zur LGT und zog 2008 nach Asien. Wenn er nicht gerade die Finanzmärkte analysiert oder kommentiert, erkundet er die zahlreichen subtropischen Wanderwege in und um Hongkong. Man kann ihm auch auf Twitter folgen unter @Mikio_Kumada.