Der echte «Wolf» Jordan Belfort verrät finews.ch, wie er nach seiner fast zweijährigen Gefängnisstrafe ein neues Leben begann, und wie beim 1MDB-Skandal die Korruption greifbar war.


Der einstige Finanzbetrüger Jordan Belfort gewährte finews.ch ein Exklusiv-Interview im Vorfeld seines Besuchs im kommenden Mai in der Schweiz. In der nächsten Woche verrät der «Wolf», warum er für Donald Trump stimmte, wie ihn die Gier an der Wall Street packte, wie er die Korruption im Skandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB intuitiv schon früh spürte – notabene waren es zu einem sehr grossen Teil mutmasslich abgezweigte Gelder, welche die Finanzierung des Films überhaupt erst ermöglichten –, und wie er heute lebt.


Jordan Belfort, der echte «Wolf of Wall Street», ist wieder mal im Krieg mit sich selber und mit Amerika: «Ich begann ernsthaft Streit zu haben mit meiner Mutter, als sie behauptete, er sei ein rassistischer Fanatiker, und ich zurückschrie: «Verdammt nochmal, hör’ doch auf, solchen Mist zu erzählen.»

Belfort und ich sitzen im geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer eines geräumigen Strandhauses aus den 1920er-Jahren, das er mit seiner Verlobten Anne Koppe teilt. Es liegt nur wenige Schritte vom Pier entfernt, in einem unscheinbaren, etwas beschaulichen Surfer-Vorort von Los Angeles.

Belforts unverblümte Sprache steht in krassem Gegensatz zur Shiva-Statue hinter uns auf der Komode, in dieser sonst so andächtigen Stille inmitten buddhistischer und amerikanischer Antiquitäten (Bild unten, mit finews.ch-Redaktorin Katharina Bart).

Jordan Belfort mit Kathrin 500

Tatsächlich ist der 53-Jährige jetzt in seinem Element, wenn er erzählt, warum er für Donald Trump gestimmt habe, entgegen den Vorstellungen seiner betagten, aber liberalen Eltern jüdischen Glaubens; einem Buchhalter und einer Anwältin, die 56 Jahre lang im selben bescheidenen Appartement im Arbeiterviertel von Queens bei New York gelebt haben. Als sich Belfort wieder etwas beruhigt hat, hält er ihnen immerhin zugute, ihm Tugenden wie Ehrlichkeit, Integrität, Anstand und die Wertschätzung harter Arbeit beigebracht zu haben.

Sex, Pillen und Kokain

Ein Denkmal hat sich Belfort als ein einst Kokain sniffender, Pillen schluckender und sexbesessener Antiheld in seinem Erfahrungsbuch «The Wolf of Wall Street» gesetzt, nachdem er 22 Monate im Gefängnis abgesessen hatte – die Strafe dafür, dass er als Aktienhändler mit seinem Unternehmen Stratton Oakmont mittels Wertpapier-Betrügereien und Geldwäscherei ein Millionenvermögen gescheffelt hatte.

Vor vier Jahren verfilmte der US-Starregisseur Martin Scorsese das Buch mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle – der Film erwies sich als Blockbuster.

Der «Wolf», der mir nun gegenüber sitzt, ist domestiziert. Mittlerweile findet man ihn meist vor dem Fernseher, wo er sich lieber jede nur erdenkliche TV-Serie reinzieht, als dass er weitere Drogen «einwerfen» würde. Im schwarzen Nike-Poloshirt, dunkelblauen Jeans und schwarzen Designer-Turnschuhen wirkt Belfort muskulös und völlig konzentriert, während er finews.ch nun über mehr als 90 Minuten ein Exklusiv-Interview gewährt.

Donald Trump und Belfort

Während er sich ein Smoothie und später ein Red Bull genehmigt, braust er bisweilen aber auch wieder auf. Etwa, wenn er die Medien kritisiert, die bekannte Leute allzu oft in eine Schublade stecken. Wieder kommt Belfort auf Trump zu sprechen, aber es könnte genauso gut von Belforts eigener Vergangenheit die Rede sein, die besonders den Boulevard-Medien immer wieder Anlass zu fetten Schlagzeilen gegeben hat.

«Je mehr ich ihn am Fernsehen sah, desto mehr wollte ich für ihn stimmen», sagt Belfort und erklärt, wie nahe es ihm gehe, wenn jemand permanent schlecht gemacht werde. «Mir ging es ebenso, vielleicht nicht so extrem wie Trump. Doch wenn sich die Leute weigern, die Wahrheit zu schreiben und ihre eigenen Ansichten in die Welt setzen, bin ich an der Decke», ereifert sich Belfort.

Derbe Ausdrücke

Heute verdient er seinen Lebensunterhalt als Autor und Verkaufstrainer an entsprechenden Motivations-Seminaren. Belfort redet eigentlich ständig in Überschallgeschwindigkeit, was selbst für jemanden mit englischer Muttersprache eine Herausforderung darstellt.

Die derben Ausdrücke, die er verwendet, erinnern an den Slang, der in Queens und Long Island gesprochen wird, wo Belfort seine Jugend verbracht hat, zusätzlich akzentuiert er das Gesagte fortdauern mit dem berüchtigten F...-Wort. Wie alle Verkäufernaturen geizt auch er nicht mit Übertreibungen.

Lob auf die Schweiz

Anne Koppe 162Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war, folgte Belfort seiner Ex-Frau nach Kalifornien, um seinem Sohn und seiner Tochter näher zu sein, die jetzt im College-Alter sind. Auf seinem linken Oberarm hat er denn auch ein prominentes Tattoo, das die Namen seiner Kinder und des Sohnes seiner Verlobten Anne Koppe (Bild links) zeigt. Doch jetzt scheint sein ganzes Interesse dem Tennis zu gelten, indem er es fast täglich selber spielt, vor allem aber, es unentwegt am Fernsehen verfolgt. Dabei lobt er auch Roger Federer in höchsten Tönen und meint damit letztlich die ganze Schweiz, wie sich später herausstellt.

Seine eigentliche Hingabe gilt derzeit aber seinem dritten Buch. «Es bringt uns derzeit fast um», gesteht Belforts Verlobte Anne. Später zeigt sie mir ein Video auf ihrem iPhone («Zeig es ihr, zeig es ihr!, hat sie Belfort lange genug gedrängt), in dem er vor dem Laptop so erbärmlich schmerzvoll um Worte ringt, bis er dann endlich ein paar Sätze zustande bringt, während ihn seine Verlobte dabei beobachtet. Belforts erstes Buch zählte 515 Seiten, sein zweites 466 – trotz seiner düsteren Vergangenheit hat er sich tatsächlich nie vor harter Arbeit gescheut – auch jetzt nicht.

«Ich denke», sagt er unvermittelt, «ein Teil des Erfolgs im Leben besteht darin, auch jene Dinge zu tun, die man lieber nicht erledigen möchte, und sie selbst dann hinter sich bringt, wenn man sich am liebsten verkriechen möchte», zeigt sich Belfort plötzlich von seiner philosophischen Seite.

Hängiger Gerichtsfall

Seine Kritiker werfen ihm bis heute vor, dass er noch immer damit Geld macht, indem er seine kriminelle Vergangenheit verherrlicht. Nicht überraschend widerspricht er auch dieser Anschuldigung höchst energisch und bezeichnet sein neues Leben als erfüllende Möglichkeit, seine enormen Schulden zurückzuzahlen. «Je mehr ich verdiene, desto eher werde ich den Investoren etwas von dem Geld zurückzahlen können, das sie verloren haben.»

Nach Leseart der amerikanischen Behörden belaufen sich die Wiedergutmachungen Belforts auf insgesamt 110 Millionen Dollar, wobei der Fall nach wie vor hängig ist und der zuständige Staatsanwalt in Brooklyn gegenüber finews.ch keine Stellungnahme abgeben wollte.

Eine gewisse Evolution

Noch immer ist Belfort mit Greg Coleman befreundet, dem früheren FBI-Spezialagent, der Belfort auf die Schliche kam und ihn zu Fall brachte. Coleman, der vor zwei Jahren in Pension ging und seither von New York aus als Berater arbeitet, attestiert Belfort durchaus Professionalität als Verkaufstrainer, fügt aber gleich an, dass dessen Verhalten oft auch sehr irritierend gewesen sei.

«Ich denke, er ist ein intelligenter Kopf, und er hat enorme Verkaufsqualitäten. Bewegt er sich schnell? Ja. Immer zu seinem Vorteil? Nein. Von einem Verkäufer-Standpunkt aus gesehen macht das Ganze durchaus Sinn, aber ich finde auch, dass Belforts Verhalten auf persönlicher Ebene eine Menge Leute vor den Kopf gestossen hat», sagt Coleman im Gespräch mit finews.ch.

Belfort ist im Gegensatz zu anderen ebenso dreisten Finanzbetrügern wie Nick Leeson oder Ex-UBS-Händler Kweku Adobli nach seiner Verurteilung und Gefängnisstrafe nie in die Rolle des geläuterten Sünders geschlüpft. Stattdessen bemerkten jene Leute, die Belfort vor und nach seiner Haftzeit kannten, eine gewisse Evolution beim «Wolf».

Mein verdammter Held

«Ich habe beobachten können, wie er eine Metamorphose durchgemacht hat, mit seinen Büchern und dem Film «The Wolf of Wall Street». Anfänglich muss er bei den Dreharbeiten versucht haben, die eher unrühmlichen Dinge in seiner Vergangenheit zu vertuschen, aber mit der Zeit hielt er sich offenbar immer mehr raus und akzeptierte seine Vergangenheit nach dem Motto: Das war damals, das habe ich getan und heute bin ich ganz ein Anderer», erklärt Ex-FBI-Agent Coleman.

Die Tausenden von «Wolf-of-Wall-Street»-Fans, die sich in den Sozialen Medien unermüdlich über seine beiden Bücher und den Film auslassen, stellen für Belfort so etwas wie einen Seiltanz zwischen seinem früheren und seinem heutigen Leben dar. «Nachdem ich Dein Buch gelesen hatte (sic), habe ich mit dem Traden begonnen (sic)... Belfort, Du bist mein verdammter Held..., in etwa so schreibt ein Bewunderer, stellvertretend für viele hundert andere – ganz im Stil der verflossenen Zeiten.

Mit den reichsten Leuten dieser Welt

Vier Jahre nachdem «Wolf» in die Kinos kam, hat Belfort seine Auftritte heute massiv reduziert und konzentriert sich – neben seinem dritten Buchprojekt – auf Investmentberatungen, zu denen er nicht näher ins Detail gehen will. Nachts schläft er offenbar gerade mal zwei Stunden – oder wie er sich ausdrückt: «Ich schlafe gar nie.» Trotzdem verlässt er selten das Haus, zumindest solange er nicht sein drittes Buch in die Maschine gehämmert hat, und an dem er nach dem Dafürhalten seiner Verlobten und Geschäftspartnerin Anne eigentlich rund um die Uhr arbeiten sollte.

Er bleibt ausweichend, was seine weiteren Pläne und Projekte anbelangt, ausser, dass es etwas «phänomenal Erfolgreiches» sein werde, das er mit den «reichsten Leuten dieser Welt» aufgegleist habe. Aber letztlich scheint es eher so, dass er ganz einfach froh ist, auf irgendeine Weise wieder im Geschäft zu sein.

Im Privatjet unterwegs

Er macht auch keinen Hehl daraus, dass Geld verdienen ihm immer noch enorm viel Spass bereitet. Genauso wie der Umstand, reich zu sein. Darum wundert es auch nicht, dass man im Internet eine Menge Bilder findet, auf denen man ihn mit Anne etwa an Bord eines Luxus-Privatjets sieht. Letztlich erweckt es den Eindruck, als würden sich Arbeit und Vergnügen bei ihm fliessend vermischen.

Eine PR-Beraterin Belforts hatte mich zunächst gefragt, ob es mir etwas ausmachen würde, Belfort anstatt in Los Angeles in Lake Tahoe zu treffen, einem Skiresort rund 650 Kilometer nördlich der Stadt entfernt. Ich gab jedoch zu bedenken, dass ich nach einem 12-Stunden-Flug aus Zürich wenig Lust darauf hätte, und es stattdessen vorziehen würde, mit dem «Wolf» in L.A. zusammen zu kommen – was dann zu einem späteren Zeitpunkt auch klappte.

Beides geht nicht

«Trotz seines Übernamens «Wolf» ist Belfort hoch anzurechnen, dass er heute ein ehrliches und sauberes Leben führen und nur noch legale Geschäfte betreiben möchte», versichert der ehemalige FBI-Agent Coleman. Doch wird er immer an sein früheres Leben gefesselt bleiben und darauf reduziert werden?

«Natürlich», stellt Coleman nüchtern fest. «Du kannst nicht das Privileg haben, dass Martin Scorsese einen Film über dein Leben mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle dreht und gleichzeitig versuchen, dich von ebendieser Vergangenheit zu distanzieren. Beides gleichzeitig geht nicht», sagt Coleman abschliessend. Treffender bringt man Belforts Schicksal vermutlich nicht auf den Punkt.

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