Viele Schweizer Banken haben ihr Augenmerk wieder vermehrt auf dem Heimmarkt gerichtet. Chance oder Risiko? – ein Essay von finews.first von Robert Hemmi.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Die Schweiz verfügt weltweit über die höchste Millionärsdichte, die Banken liegen in unmittelbarer Nähe zur Zielkundschaft, und die regulatorische Thematik ist relativ gering. Gute Voraussetzungen also – bloss, warum gelingt der Ausbau trotzdem nicht so recht?

Um diese Frage zu beantworten lohnt es sich, einen Blick auf die besonderen Marktverhältnisse in der Schweiz zu werfen: Die meisten Private-Banking-Kunden sind seit Jahrzehnten an ihre «Hausbank» gebunden, die als primäre Beziehung nebst der Anlageberatung mit dem Hypothekarbereich, dem Zahlungsverkehr und immer mehr auch dem Online-Banking ein breites Leistungsspektrum abdeckt.

«Schweizer Kunden sind viel immobiler als die Offshore-Klientel»

Drei von vier Schweizer Private-Banking-Kunden verfügen über maximal zwei Depotbank-Beziehungen*, was darauf schliessen lässt, dass damit das Spektrum an Bankdienstleistungen bereits gut abgedeckt ist.

Mit rund 25 Prozent des Gesamtvolumens im Schweizer Finanzwesen bildet das Onshore-Private-Banking einen wichtigen Ertragspfeiler für viele Schweizer Geldinstitute. Allerdings ist der Anteil an reinen Privatbanken vergleichsweise gering: So verfügen drei von vier Kunden im Onshore-Private-Banking über eine primäre Beziehung zu einer Grossbank oder Kantonalbank.*

Diese erdrückende Dominanz der als Hauptbank positionierten Institute ist in Verbindung mit der hohen Wechselresistenz vieler Schweizerinnen und Schweizern für reine Privatbanken nur schwer zu durchdringen.

Denn Schweizer Kunden sind viel enger an ihr «primäres» Institut gebunden als dies im Ausland der Fall ist, und entsprechend sind sie auch viel immobiler als die Offshore-Klientel, die ihrem langjährigen Kundenberater oft nähersteht als dem Bankinstitut selber.

«Schweizer Kunden reagieren auf (zu) aggressive Akquisitionsbemühungen negativ»

Wie es die Krisen der beiden Schweizer Grossbanken in den vergangenen zwanzig Jahren zeigten, hielten viele Kunden ihrer Hausbank noch weitgehend die Treue, als diese sich bereits in arger Schieflage befand.

Diese Loyalität wird auch durch die Aussage untermauert, wonach vier von fünf Schweizer Private-Banking-Kunden nicht daran interessiert sind, einen Wechsel ihrer primären Bankbeziehung in Betracht zu ziehen.*

Ein weiterer, nicht unwesentlicher Faktor liegt darin, dass Schweizer Kunden auf (zu) aggressive Akquisitionsbemühungen negativ reagieren. Auch hier sind die breiter verankerten Banken im Vorteil, da sie aus ihrer eigenen Retail- und Affluent-Reihen auch firmenintern Private-Banking-Kunden aufbauen können.

«Schweizer Kunden sind durchaus offen für innovative Beratungskonzepte»

Reine Privatbanken dagegen müssen sich im Heimmarkt wohl oder übel mit ihrer primären Rolle als Zweitbank abfinden. Oder anders ausgedrückt: Ohne Innovation und einer klaren Differenzierung können sie die bestehenden Kräfteverhältnisse im Swiss Private Banking kaum wesentlich verändern.

Sind das folglich nur «Bad News» für Privatbanken mit Wachstumsambitionen im Heimmarkt? Keineswegs. Denn einerseits lassen auch die zitierten Analysen durchaus auf ein kleineres Kundensegment mit Wechselbereitschaft übertragen, und andererseits sind auch Schweizer Kunden durchaus offen für innovative Beratungskonzepte.

Solche setzen sich dann durch, wenn der Kunde einen klaren Mehrwert in der angebotenen Beratungsleistung erkennt und so bei ihm die Bereitschaft entsteht, eine zusätzliche Bankbeziehung einzugehen.

«Die Preissensitivität der Kunden nimmt auch in der Schweiz zu»

Ein solcher Mehrwert kann zum Beispiel mittels eines noch näher am Lebenszyklus des Kunden angelehnten Beratungsmodell entstehen. Ferner dienen etwa auch der fokussierte Aufbau und die Pflege von spezifischen Zielgruppen (Frauen, Affluent-Kunden mit Trading Bezug, etc.) dazu, sich im stark umkämpften Onshore-Markt als Zweitbank erfolgreich zu positionieren.

Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle die auch in der Schweiz zunehmende Preissensitivität der Kunden. Durch innovative Pricing- und Rabattmodelle haben es die Banken in ihrer Hand, um zusätzliche Wettbewerbsvorteile zu entwickeln.


Robert Hemmi ist Managing Partner von TCP The Consulting Partnership, einem Beratungsunternehmen, das er 2001 in Zürich gründete. Als ausgewiesener Experte im Private Banking publiziert er regelmässig Fachartikel zu Strategien und Veränderungen in der Finanzbranche.

Vor seiner Tätigkeit als Unternehmensberater war er bei der Credit Suisse in diversen leitenden Funktionen tätig, unter anderem als Chief Operating Officer und als Chief-of-Staff in Singapur, mit regionaler Verantwortung für HR, IT, Finanzen, Compliance, Operations und Infrastruktur.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Frédéric Papp, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Claude Baumann, Adriano B. Lucatelli, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Dan Steinbock, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame und Werner E. Rutsch.

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