Das Chaos in Washington und die Unsicherheiten in Europa lassen alte Anleger-Gewissheiten bröckeln. Tim Orchard vom Fondshaus Fidelity International sagt gegenüber finews.ch, was jetzt zu tun ist.

Teure Aktien und Obligationenmärkte, welche auf Jahre hinaus kaum Rendite versprechen – Investoren im Westen sind nicht zu beneiden.

Tim Orchard, der Anlagechef für asiatische Aktien beim Fondsriesen Fidelity International, ist hingegen überzeugt, dass «seine» Region vorzügliche Kaufgelegenheiten bietet. «Aufgrund der Reformfortschritte in Indien und China bin ich heute in Bezug auf die Entwicklung in Asien optimistischer als je in den vergangenen 25 Jahren», erklärte er gegenüber finews.ch anlässlich eines Forums, das Fidelity International letzte Woche in London veranstaltete.

Verbale Kraftmeierei – Gift für die Märkte

Diese forsche Aussage überrascht, weil die Märkte in China vor gerade einmal einem Jahr weltweit für Aufsehen gesorgt haben. Damals waren Anleger höchst beunruhigt, weil die schwächelnden Börsen in der Volksrepublik das Menetekel einer globalen Abkühlung heraufbeschworen.

Die verbale Kraftmeierei zwischen US Präsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un hat auch jüngst wenig zur Beruhigung der Investoren beigetragen. Trotzdem findet Orchard: Sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Entwicklung sprechen für einen Aufschwung an den asiatischen Aktienmärkten.

Asiatische Aktien: Günstiger bewertet

In einem generell günstigen wirtschaftlichen Umfeld erwartet der Börsenprofi, dass die Gewinne der Firmen in Asien steigen werden. Mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15,3 gelten die Aktien in Asien (ausgenommen Japan) schon heute als relativ günstig bewertet.

Der amerikanische Leitindex S&P 500 etwa weist ein durchschnittliches KGV von 25,5 auf. Was wenig überrascht, da der Zähler seit der Finanzkrise um mehr als das Dreifache zugelegt und kürzlich ein Allzeithoch erreicht hat.

«Asiatische Aktien sind vergleichsweise attraktiv», sagt auch Orchard. «Die Region hat schlechter abgeschnitten und wird generell nicht bevorzugt». Der Asienexperte ist seit mehr als 20 Jahren in der Region aktiv. So war er auch schon dabei, als westliche Investoren erstmals dorthin vorstiessen.

Fonds lokal verkaufen

Orchard lebt und arbeitet in Singapur. Er verrät aber augenzwinkernd, dass er wohl mehr Zeit im Flugzeug als im Stadtstaat verbringt. Anfang Jahr hat nämlich die Fidelity International als erste nicht-chinesische Firma eine Lizenz für den Verkauf von lokal aufgelegten Fonds an Chinesen erhalten, wie auch finews.asia berichtete.

Diesen Monat hat Fidelity International ihr Versprechen eingelöst und das erste Produkt lanciert. Der Fonds investiert hauptsächlich im lokalen Obligationenmarkt. Er richtet sich an ausgewählte chinesische institutionelle Investoren und Superreiche.

Kunden sind beunruhigt  – über den Westen

Die politischen Aussichten in China und Indien werden das ihrige dazu beitragen, dass die Region für Investoren wieder interessanter werden könnte, erwartet Orchard.

«Die relativ gesehen stabilen Verhältnisse im Westen sind nicht mehr so stark wie ehedem», sagt der Experte. «Meine Kunden sind über die Situation in den USA und in Europa beunruhigt».

In Washington breitet sich scheinbar unaufhaltsam das Chaos aus, und in Europa herrscht Unsicherheit über den Austritt der Briten aus der EU. Da Investoren vor allem auf ein stabiles Umfeld achten, werden sie nicht umhinkommen, ihre Blicke nach China und Indien zu richten.

Alte Gewissheiten gelten nicht mehr

Der indische Premierminister Narendra Modi und seine Bharatiya Janata Party (BJP) haben im März einen überzeugenden Wahlsieg im wichtigen Teilstaat Uttar Pradesh errungen. Analysten erwarten, dass der Premier damit beste Voraussetzungen hat, die nächsten landesweiten Wahlen von 2019 zu gewinnen und so seine Reformagenda auf eine solidere Basis zu stellen.

Gleichzeitig wird die Kommunistische Partei Chinas im Herbst ihren 19. Nationalkongress abhalten und aller Voraussicht nach den Modernisierungskurs der Parteileitung bestätigen.

So gesehen haben sich die alten Gewissheiten bezüglich politischer Stabilität verschoben – weg von den sogenannt reifen Demokratien im Westen und hin zu den volksreichen Staaten im Osten. Auf diese veränderten Verhältnisse scheinen die Investoren sich noch nicht eingestellt zu haben.

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