Über das australische Private Banking ist nicht viel zu vernehmen und wenn, dann ist es zumeist negativer Natur. Mario Bassi geht in seinem exklusiven Essay für finews.first den Hintergründen nach.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


«Schlecht für die Aktionäre, schlecht für die Kunden – die Banken sollten raus aus dem Wealth Management», «Private Banking bringt beiden Seiten nichts», «In Australien macht niemand richtiges Private Banking». Dies sind nur ein paar Schlagzeilen aus der australischen Finanzpresse, die das generelle (Un-)Verständnis für Vermögensverwaltung in Downunder zum Ausdruck bringen.

Insofern scheint es einen riesigen Graben zu geben zwischen dem Retailbanking-Angebot mit seinen Hypotheken und Sparkonten einerseits und dem eigentlichen Private Banking für vermögende Einzelkunden andererseits. Die Ursachen dafür finden sich sicherlich in den verschärften Gesetzen in der Finanzbranche, aber auch im Umstand, dass die Fähigkeiten vieler Kundenberater in Australien doch eher begrenzt sind.

Dies unterstreicht auch eine kürzliche Umfrage einer australischen Bank, wonach viele vermögende Privatpersonen nicht annehmen, dass irgendein Institut in der Lage wäre, eine umfassende Palette an Private-Banking-Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten.

«Sogar die UBS verabschiedete sich mit einem Management-Buyout aus dem Markt»

Es sind indessen nicht nur die inländischen Banken, die in der klassischen Vermögensverwaltung in Australien enorme Schwierigkeiten bekunden. Auch unter den ausländischen Instituten rumort es gehörig. Die bisherige Nummer eins, die Schweizer Grossbank UBS, verabschiedete sich mit einem Management-Buyout aus dem Markt, aus dem die Firma Crestone Wealth Management hervorging. Die Deutsche Bank wiederum zog gleich radikal den Stecker aus dem australischen Private Banking.

In Australasien, also in der Region südlich von Asien, leben den neusten Zahlen zufolge 4'220 Privatpersonen mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Dollar. Gegenüber 2006 entspricht dies einem Plus von 85 Prozent. Und bis 2026 sollte diese Zahl laut dem jüngsten Wealth Report von Knight Frank nochmals um 70 Prozent wachsen.

Dieses starke Wachstum ist vor allem den Einwanderungsprogrammen in Australien und Neuseeland zu verdanken, die einen beträchtlichen Zustrom an vermögenden Familien aus Übersee ausgelöst haben.

«Das Programm hat mehr als 1'700 Zuzüger angelockt, 90 Prozent aus China»

Seit Australien 2012 das «Significant Visa Programme» (SIV) einführte, wonach Einzelpersonen und ihre Familien eine permanente Aufenthaltserlaubnis erhalten, sobald sie 5 Millionen australische Dollar über eine bestimmte Zeitperiode investieren, hat es mehr als 1'700 Zuzüger angelockt, wovon 90 Prozent aus China stammten.

Obschon das Konzept von Family Offices in Australien noch nicht so ausgeprägt ist wie in den USA oder in Europa, gibt es doch schätzungsweise einige hundert solcher Institutionen (Single Family Office, SFO) im Land sowie auch eine wachsende Anzahl an Multi-Family-Offices (MFO).

In einer kürzlichen Umfrage unter sehr wohlhabenden Privatpersonen in Australien gab nur eine Minderheit an, dass sie ihr Vermögen über ein SFO oder ein MFO verwalte. Interessanterweise bekundete aber die Hälfte der Befragten, dass sie an einer strukturierten Verwaltung über eine entsprechende Institution durchaus interessiert wäre.

«Wenn es ans Investieren geht, dominiert in Australien ein ausgeprägter Home Bias»

Das international bekannteste australische MFO ist die Myer Family Company (MFCo), die, wie es der Name sagt, von der im Detailhandel tätigen Familie Myer kontrolliert wird. Derzeit befindet es sich in Fusionsverhandlungen mit dem Mutual Trust, einem anderen MFO, ebenfalls aus Melbourne. Kommt der Deal zustande, würde ein Institut mit rund 3 Milliarden Dollar an Kundendepots entstehen.

Darüber hinaus gibt es auch in anderen australischen Städten bedeutende Family Offices: Kürzlich nahm Koda Capital mit Paul Heath, dem früheren CEO von JBWere, den Betrieb auf, und von Melbourne aus expandierte Escada Partners nach Sydney, indem es altgediente Kundenberater der geschlossenen DB Private Wealth engagierte sowie von Hume Partners.

Wenn’s ans Investieren geht, dominiert in Australien ein ausgeprägter Home Bias. Ähnlich wie in den USA vertrauen die Anleger vor allem einheimischen Wertschriften. Dabei gibt es im Land bereits sehr viele ausländische Investoren, und es bieten sich auch für australische Unternehmen ausgezeichnete Ertragsmöglichkeiten in ganz Asien an.

«Insofern haben Family Offices in Australien ausgezeichnete Perspektiven»

Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass sich das Interesse wohlhabender Leute in Australien verstärkt auf ausländische Investitionsmöglichkeiten richten wird, sei das nun direkt oder über Fonds oder massgeschneiderte Portfolios.

So gesehen dürfte es schon in naher Zukunft strategisch spannend sein, entsprechende Investment-Expertise anzubieten. Wie dieses Know-how gestalt werden kann, illustriert das Beispiel der Wigmore Association, einer Vereinigung von acht führenden Family Offices in sieben verschiedenen Ländern auf vier Kontinenten, deren CEOs und CIOs schon seit 2011 zusammenarbeiten.

Insofern haben Family Offices in Australien ausgezeichnete Perspektiven, um den Graben zwischen der Nachfrage der wohlhabenden Klientel und dem bisherigen Angebot an Private-Banking-Dienstleistungen zu schliessen. Kunden zusammenzuführen und ihnen attraktive, grenzüberschreitende Anlagemöglichkeiten anzubieten, letztlich die Stärke von sogenannten Wealth-Management-Services, ist ein vielversprechendes Geschäft und so auch eindeutig ein Silberstreifen am Horizont der Finanzbranche Australiens.


Mario A. Bassi arbeitet als Unternehmensberater in der Finanzbranche, namentlich auf dem Gebiet von Ultra-High-Net-Worth-Individuals (UHNWI) und Family Offices. Seine Erfahrung fusst auf seinen früheren Funktionen, etwa als Global Head of Business Management bei der ANZ Private Bank im australisch-asiatischen Raum.

Zuvor arbeitete der Schweizer bei Vontobel, der Credit Suisse und für die Deutsche Bank, sowohl in Europa als auch in Asien. Als Managing Director war er auch für die in der Strategieberatung tätige Firma Synpulse Management Consulting tätig, wo er von Singapur aus die Wachstumsstrategie vorantrieb.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Adriano B. Lucatelli, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Dan Steinbock, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch, Robert Hemmi, Claude Baumann, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Katharina Bart, Frédéric Papp, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat und Didier Saint-Georges.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.18%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.92%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.44%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.67%
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