Wenn das Rettungskarussell erst einmal in Gang ist, könnte der italienische Staat eine Bank nach der anderen retten müssen, schreibt Bert Flossbach in seinem Beitrag für finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Ohne die helfende Hand der EZB wären nicht nur die Renditen italienischer Staatsanleihen, sondern auch die Kreditzinsen italienischer Unternehmen deutlich höher. Künstlich niedrige Zinsen halten aber auch Unternehmen über Wasser, die eigentlich pleite wären und «zombifizieren» dadurch die Wirtschaft und das Bankensystem. Offiziell gelten in Italien Kredite im Volumen von ungefähr 350 Milliarden Euro als ausfallgefährdet.

Neben der Kapitalerhöhung des Bankhauses Monte dei Paschi wurden in Italien auch mit der Rettung der venezianischen Institute Banca Populare di Vicenza und Veneto Banca die Regeln der Europäischen Bankenunion strapaziert, die seit Anfang 2016 eigentlich eine Haftung der Gläubiger (einen sogenannten «Bail-in») vorsehen. Inklusive der Garantien belaufen sich die potenziellen Rettungskosten der beiden Regionalbanken für den Staat auf bis zu 17 Milliarden Euro.

«Dies dürfte spanischen Bankgläubigern die Zornesröte ins Gesicht treiben»

Der italienische Notenbankgouverneur Ignazio Visco fordert, die unangenehmen Regeln eines Bail-ins abzuschaffen und eine europäische Einlagensicherung einzuführen, womit Sparer im Rest Europas auch für italienische Banken haften müssten. Dies dürfte spanischen Bankgläubigern, die jüngst mit einem Bail-in bei der Banco Popular zur Ader gelassen wurden, die Zornesröte ins Gesicht treiben.

Auch die italienischen Steuerzahler haben keinen Grund zur Freude, da der Staat auf ihre Kosten nicht nur die schlechten Kredite übernommen, sondern obendrein noch das gute Geschäft beider Regionalbanken für einen Euro an die grösste italienische Bank, Intesa Sanpaolo, verschenkt hat.

Die beiden venezianischen Banken sind aber nur die Spitze eines Eisbergs wackelnder italienischer Regionalinstitute. Ein weiteres Beispiel ist die 1483 gegründete genuesische Banca Carige. Mit einer Bilanzsumme von rund 26 Milliarden Euro ist die Banca Carige so gross wie die Sparkasse KölnBonn, die zweitgrösste deutsche Sparkasse gemessen an der Bilanzsumme.

«Die Anleihen der Bank liefern ein Musterbeispiel für Moral Hazard»

Obwohl sich der Kreditbestand der Banca Carige (Bruttobestand an Kundenkrediten vor Abschreibungen) seit 2012 von 31,3 Milliarden Euro auf 21,7 Milliarden Euro stark reduziert hat, sind die ausfallgefährdeten Kredite von 3,2 Milliarden Euro auf 7,3 Milliarden Euro gestiegen.

Damit ist ein Drittel des Brutto-Kundenkreditvolumens faul. Berücksichtigt man die bereits vorgenommenen Abschreibungen, sind noch 22 Prozent der Kredite notleidend. Das sind 15,3 Prozent der Bilanzsumme und damit fast das Doppelte des ausgewiesenen Eigenkapitals.

Die Anleihen der Bank liefern ein Musterbeispiel für «Moral Hazard», also Fehlanreize. Wegen der hohen Ausfallwahrscheinlichkeit notieren nachrangige Anleihen des Instituts, die faktisch wie Eigenkapital haften, weit unter ihrem Nennwert. Die übrigen Anleihen rentieren hingegen ohne nennenswerten Abschlag.

«Die EZB bleibt in ihrer Rolle als Retterin der letzten Instanz gefangen»

Offensichtlich gehen Investoren fest davon aus, dass der italienische Staat auch hier einen «Bail-out» vollzieht und diese Anleihen zum Nennwert bedienen wird, um einen Aufstand der Kleinanleger zu vermeiden.

Wenn das Rettungskarussell erst einmal in Gang ist, könnte der italienische Staat eine Bank nach der anderen retten müssen – denn warum sollten Genueser schlechter gestellt werden als Venezianer? Und dann fragen sich die Portugiesen, warum bei ihnen nicht auch das italienische Rettungsmodell angewandt wird; eine Frage, die sich die zur Ader gelassenen Gläubiger der spanischen Banco Popular heute schon stellen dürften. Das europäische Recht ist zur politischen Knetmasse geworden, und die EZB bleibt in ihrer Rolle als Retterin der letzten Instanz gefangen.


Bert Flossbach zählt zu den erfolgreichsten Vermögensverwaltern Deutschlands. Er gründete 1998 zusammen mit Kurt von Storch die in Köln ansässige Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, deren Vorstand er bis heute ist. Zuvor arbeitete er von 1991 bis 1998 bei Goldman Sachs in Frankfurt/Main und von 1988 bis 1991 bei der Matuschka Gruppe München. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln und promovierte über Portfoliomanagement-Konzepte zur Verwaltung von Privatkundenvermögen an der Universität Innsbruck, dies von 1990 bis 1992.

Flossbach von Storch ist einer der grössten bankenunabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland – und nach wie vor im Eigentum seiner Gründer und leitenden Angestellten. Mehr als 170 Mitarbeiter kümmern sich um ein Vermögen von mehr als 33 Milliarden Euro.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Adriano Lucatelli, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch, Robert Hemmi, Claude Baumann, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Katharina Bart, Frédéric Papp, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi und Stephen Thariyan, Dan Steinbock und Rino Borini.

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