Wenn die Banken ihre Beratungsqualität beweisen können, haben sie enorme Chancen. Es sind aber auch «Kröten» zu schlucken, schreibt Franz-Josef Lerdo.

lerdo_franz_josef_2Franz-Josef Lerdo ist Deutscher und kennt das Private Banking profund. Er war lange Jahre CEO der Dresdner Bank (Schweiz). Lerdo lebt seit zehn Jahren in Zürich. Heute arbeitet er als Berater für verschiedene Finanzinstitute und Family Offices. Mit seinem eigenen Multi-Family-Office betreut er Privatkunden bei der Überwachung und Steuerung ihres Vermögens.

Was war es früher doch bequem: Kunden, die auf das Bank(kunden)geheimnis Wert legten, konnten margenstark und effizient von Schweizer Banken betreut werden.

Margenstark, da die Preiselastizität der Nachfrage nach Bankdienstleistungen niedrig war. Effizient, weil die Betreuungsspanne eines Relationship Managers hoch sein konnte, weil persönliche Gespräche und Telefonate mit den Kunden eine geringe Frequenz hatten. Die Rekordgewinne vieler Schweizer Banken aus der Vergangenheit (vor der Finanzkrise) widerspiegeln diese Boomzeiten des Private Banking.

Allzu forcierter Produkteverkauf

Dies im Unterschied zum Onshore Banking, dem Bankgeschäft mit in der Schweiz domizilierten Kunden. Hier ist der persönliche Kontakt in der Regel häufiger. Wenn keine Verwaltungsvollmacht vorliegt, steht die Beratung – eigentlich die Kernkompetenz des Private Banking – im Vordergrund.

Was sind die Ziele des Kunden, welche Risiken ist er bereit einzugehen, welche Dienstleistungen erfüllen seine Bedürfnisse im Sinne einer sauberen «Solution»? Dass dabei oft der Produktverkauf das Gespräch bestimmte, war eine bedauernswerte Fehlentwicklung.

Cross-Border Onshore-Geschäft

Wenn zukünftig – nach dem «Auslaufen» des Bank(kunden)geheimnisses – ausländische Kunden ähnliche Bedürfnisse artikulieren wie in der Schweiz domizilierte, verbreitert sich dieser Ansatz. Es gibt gute Gründe, zum Beispiel wegen der Diversifikation, auch Assets in der Schweiz zu halten.

Ich habe bereits 2002 diesen Ansatz als so genanntes Cross-Border Onshore-Geschäft beschrieben und in der Dresdner Bank Schweiz sukzessive umgesetzt. Dies bedeutet, dass das Domizil des Kunden und die Verwahrung seiner Anlagen in verschiedenen Ländern stattfinden, im beschriebenen Fall mit Steuerdomizil Deutschland und Bankverbindung am Finanzplatz Schweiz.

In der Waagschale der Schweizer Banken

Das Potential ist riesig, wenn es gelingt, eine qualifizierte Beratungsleistung inklusive aller steuerlicher Fragen (und Dokumente) für deutsche Kunden zu erbringen. Die Schweizer Banken können dabei auf die Waagschale werfen:

  1. die schon traditionelle Internationalität im Denken und Handeln, was für eine kleinere Volkswirtschaft typisch ist
  2. die enge Verbindung zu intelligenten Lösungen aus dem Asset Management und dem Investment Banking,
  3. die Offenheit für alternative Anlagen, zumal sich die Hedge-Fund-Industrie immer stärker in die Schweiz verlagert,
  4. eine Diskretion, wie beim Arzt oder Anwalt, die traditionell bei Schweizer Banken wesentlich stärker ausgeprägt ist als in Deutschland.


Allerdings sind auch einige «Kröten zu schlucken». Der deutsche Verbraucherschutz hat bereits dazu geführt, dass seit Anfang 2010 das so genannte Beratungsprotokoll bei Banken in Deutschland Pflicht wurde, wenn die Initiative, beispielsweise einer telefonischen Beratung, von der Bank aus geht.

Bürokratisch?

Dies bedeutet, dass der Bankberater, der mit seinem Kunden eine Veränderung in seinem Depot bespricht, hierüber ein Protokoll anfertigt, das – mit zahlreichen Anlagen – das Gespräch und die besprochenen Produkte dokumentiert. Auf den ersten Blick mag das sehr «bürokratisch» aussehen; allerdings ist die Akzeptanz bei den Kunden offensichtlich hoch, da sie die Transparenz dieser Dokumentation schätzen.

Auch für den Berater hat es den Vorteil, seine aktive Beratung klar dokumentiert zu haben. Dass der Kunde dabei eine siebentägige Widerspruchsfrist hat, ist eine sehr weitgehende Auslegung des deutschen Verbraucherschutzes und für die Schweiz nicht nachahmenswert.

Deutsche Beispiele machen es vor

Trotzdem: Transparenz wird das Stichwort im zukünftigen, qualitativ hochwertigen Private Banking sein. Es hat mit Mifid begonnen und führt zum Beispiel auch dazu, dass auf Wertpapier-Abrechnungen über getätigte Investmentkäufe die Höhe des Ausgabeaufschlages und der Verwaltungsvergütung aufgelistet werden. Deutsche Beispiele machen es vor.

Ziel muss es sein, nicht nur alle Gebühren transparent zu machen, sondern auch jegliche Retros offenzulegen oder – noch besser – an den Kunden abzuführen. Eine neutrale, vom Kunden «bezahlte» Beratung – ohne Interessenkonflikte von und mit Produktpartnern – verbessert das Ergebnis für den Kunden.

EU hin oder her

Diese Trends werden auch vor den Schweizer Grenzen nicht haltmachen, EU hin oder her. Und das ist zu begrüssen. Die Finanzkrise hat viel Porzellan im Vertrauensverhältnis Bank/Kunde zerschlagen. Mit Transparenz und Neutralität lässt sich Vertrauen zurückgewinnen. Diese Lektion werden auch die Schweizer Banken lernen (müssen): The Day After.


Dieser Beitrag wird gleichzeitig publiziert in PRIVATE Ausgabe 2/2010 – Das Magazin für private und institutionelle Investoren.

 

 

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