An der Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sei festzuhalten, erklärt Beat Stöckli von der Privatbank Wegelin.

beat_stoeckliBeat Stöckli ist Mitglied der Geschäftsleitung von Wegelin & Co. Privatbankiers und Mitglied der Kommission für Steuern und Finanzfragen der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Zu Beginn eines neuen Jahres werden die Schweizer Steuerpflichtigen jeweils aufgefordert, die Einkünfte des vergangenen Jahres und die Vermögenswerte per Jahresende in der Steuererklärung zu deklarieren. Diese Aufgabe kann grundsätzlich ohne fundiertes Fachwissen im Steuerbereich bewältigt werden.

Erfüllt jemand seine steuerrechtlichen Pflichten nicht korrekt, kommt ein dreistufiges Sanktionssystem zur Anwendung: Wer seine Steuererklärung oder die dazu verlangten Beilagen nicht einreicht oder eine Bescheinigungs-, Auskunfts- oder Meldepflicht nicht erfüllt, wird mit einer Busse bis zu 1’000 Franken, in schweren Fällen oder bei Rückfall bis zu 10’000 Franken, bestraft (Art. 174 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer / DBG).

Doppelt soviel Geld

Wer als Steuerpflichtiger vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, begeht eine Steuerhinterziehung und wird mit Busse bestraft, wobei die Busse eigentlich eine Strafsteuer ist und in der Regel das Einfache der hinterzogenen Steuer beträgt, welche selbstverständlich ebenfalls noch bezahlt werden muss. Mit den Straf- und den Nachsteuern muss der Steuerpflichtige letztlich also rund doppelt soviel Geld überweisen, wie er hätte überweisen müssen, wenn er ordentlich deklariert hätte (Art. 175 DBG).

Wer zum Zwecke einer Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen oder Lohnausweise und andere Bescheinigungen Dritter zur Täuschung gebraucht, begeht einen Steuerbetrug und wird mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 30’000 Franken bestraft. Dazu kommt in aller Regel die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung mit Straf- und Nachsteuern (Art. 186 DBG).

Kriminelle Energie

Diese Differenzierung erlaubt eine sachgerechte Bestrafung von Steuerpflichtigen, welche ihre Mitwirkungspflichten im Veranlagungsverfahren nicht korrekt erfüllen, wobei die Strafen – Busse, Straf- und Nachsteuern, Gefängnis – je nach der eingesetzten kriminellen Energie ausfallen.

Der Höhe der hinterzogenen Steuern wird Rechnung getragen, indem sich die Straf- und die Nachsteuern grundsätzlich proportional zum hinterzogenen Betrag verhalten. Damit kann bei der Bestrafung sowohl die Schwere der Tat als auch die Höhe der hinterzogenen Geldsumme differenziert berücksichtigt werden. Ein weiteres wichtiges Element bildet die Verrechnungssteuer, dank der auch dann Steuereinnahmen generiert werden, wenn Erträge aus Schweizer Quelle nicht deklariert werden.

Gleiches gleich, Ungleiches ungleich behandeln

Nun gibt es politische Bestrebungen, diese Differenzierung abzuschaffen und Steuerhinterziehung mit Steuerbetrug gleichzusetzen. Dieses Ansinnen vermag jedoch bei näherer Betrachtung nicht zu überzeugen. Erstens würde, je nach Ausgestaltung dieser Neuerung, die Differenzierungsmöglichkeit zwischen der eingesetzten kriminelle Energie und der Höhe des hinterzogenen Betrages preisgegeben. Zweitens würde man so nicht nur den ehrlichen aber vergesslichen Steuerpflichtigen kriminalisieren, man würde auch den Steuerbetrug bagatellisieren.

Drittens geht es auch um die Frage nach der Bewertung einer Tat. Wie schlimm ist das Vergessen eines Vermögenswertes und das Vorenthalten von Steuern im Vergleich zu anderen Delikten? Ist es tatsächlich gleich zu ahnden wie ein Steuerbetrug, d.h. etwa wie eine vorsätzliche einfache Körperverletzung (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe / Art. 123 Strafgesetzbuch / StGB) oder wie eine fahrlässige Tötung (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe / Art. 117 StGB)? Oder ist es nicht vielmehr so, dass für das Verletzen einer steuerrechtlichen Pflicht das Sanktionsinstrumentarium des Steuerrechts mit den Straf- und Nachsteuern völlig genügt?

Fazit

Das Schweizer Steuersystem basiert auf dem Konzept der Selbstdeklaration und bestraft Steuerpflichtige, welche ihre Pflichten nicht korrekt erfüllen nach der Schwere der Tat, ohne gleich jeden Steuerpflichtigen potenziell zu einem Straftäter zu machen. Es unterscheidet zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Betrug setzt kriminelle Energie voraus, während die Hinterziehung auch auf einem Versehen beruhen kann.

Die Tatsache, dass Steuerpflichtige in der Schweiz auch ohne steuerrechtliche Ausbildung ihre eigene Steuererklärung ausfüllen können, ohne fürchten zu müssen, mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten, ist ein hohes Gut und charakteristisch für das Verhältnis der Schweizer zu ihrem Staat. An der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist deshalb festzuhalten.


Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in PRIVATE Ausgabe 2/2010 – Das Magazin für private und institutionelle Investoren.

 

 

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